06.12.1931 Pfarrer Michael Hösle predigt gegen den Nationalsozialismus

Titel

06.12.1931  Pfarrer Michael Hösle predigt gegen den Nationalsozialismus

Beschreibung

In Ollarzried wirkte Pfarrer Michael Hösle vom 25. Mai 1930 bis November 1936. In drei Predigten warnte der Pfarrer vor den Nationalsozialisten. Er wurde mehrmals wegen „heimtückischer Äußerungen“ angezeigt. Von Teilnehmern am Reichsparteitag in Nürnberg erhielt er gar eine Karte mit „Galgenansicht“ und der Bemerkung, dass er dafür vorgemerkt sei.

In seiner ersten Predigt gegen den Nationalsozialismus am 06.12.1931 sagte Hösle vor den Ollarzrieder Gläubigen wörtlich:
„Es ist an der Zeit, auf die religiösen und weltanschaulichen Ansichten und Pläne dieser Bewegung hinzuweisen. Wenn die Ziele dieser Bewegung so rein und edel wären wie der Eifer so groß, dann wäre ja nichts daran auszusetzen. Nun aber sind die Ziele recht bedenklicher Art, darum ist der Eifer und die Begeisterung für die Sache unangebracht. Auch die Nationalsozialisten behaupten, dass sie für ein positives Christentum eintreten. Sieht man aber genauer zu, dann entpuppt sich dieses Christentum als ein Christentum, so wie sie es sich eben zurechtlegten, aber nicht als das Christentum, wie Christus es zugrunde gelegt hat. Maßgebende Führer haben Äußerungen gemacht, welche, wie ein Anhänger selber eingestanden hat, der katholischen Kirche geradezu ins Gesicht schlagen. Darum kann man vor dieser Bewegung nur warnen. Deshalb rufe ich Euch das Wort der Schrift zu: Hütet Euch vor falschen Propheten! Katholisches Volk! Erwache!“

Zwischen 1933 und 1945 saßen 2769 Geistliche im KZ Dachau ein*. Der Ollarzrieder Pfarrer war zwar nicht darunter, er taucht allerdings im Heft der Diözese Augsburg („Christus, nicht Hitler“) auf, das alle kritischen Geistlichen im Unterallgäu auflistet. Vielleicht war sein Gesundheitszustand bereits zu sehr angeschlagen. Im November 1936 trat er in Klosterbeuren seine letzte Stelle an und blieb dort bis zum 1. April 1941.
Herbert Kößler, Heimatforscher aus Obergünzburg, war den Hösles sehr verbunden. In einem Artikel der Allgäuer Zeitung vom 16.04.2002 schrieb er über die letzten Lebensjahre des Pfarrers: „Von schwerer Krankheit gezeichnet, wurde er vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet. Um seinen Lebensabend zu verbringen, zog Pfarrer Hösle zu seinen drei ledigen Schwestern nach Obergünzburg. Der Geistliche zelebrierte trotz angeschlagener Gesundheit in der Klosterkapelle (heute Kindergarten) Messen. Er verstarb am 10. Februar 1943.“
Eine Ansichtskarte aus dem Familienbesitz des Ottobeurers Reinald Scheule, die Hösle 1940 aus Klosterbeuren schrieb, zeugt von seinem schlechten Gesundheitszustand:

Klosterbeuren 11.T.40
M.Lb. (Meine Lieben)! Wie versprochen, sende ich Euch hiemit die Lebensgeschichte des sel.(igen) R.(einald) – Möge der kleine R.(einald) die Widmung beachten, damit mein Suchen nicht umsonst gewesen ist! Wenn ich einmal komme, muß er etwas Bescheid wissen; mit zunehmendem Alter immer mehr! Bin am 4.T. gut heimgekommen, was ich auch von Euch hoffe. Euer Zug fuhr rasch davon. Habe gestern 'l (?) Krumbad einen weniger guten Bescheid erhalten und werde wieder strengere Diät halten müssen. Besten Gruß von Eurem Vetter M.(ichael)H.(ösle) nebst Schwester (Barbara)

Pfarrer Hösle steht auf der Treppe des Pfarrhauses links. Die Vorlage war stark zerstört und konnte digital weitgehend restauriert werden. Die Monatsangabe ist merkwürdig geschrieben, es könnte sich aber um eine „I“ für Januar handeln. Während seiner letzten Jahre war Michael Hösle bei Familie Scheule einige Male zu Besuch in Ottobeuren.

Seine Sterbeurkunde nennt „Herzschwäche“ als Todesursache. Begraben liegt er sowie seine Eltern und seine drei Schwestern auf dem Obergünzburger Friedhof auf dem Nikolausberg.

Geboren wurde Michael Hösle am 14.08.1888 in Oberegg (Lkr. Unterallgäu). Seine Eltern Josef Hösle (November 1855 in Tussenhausen - 27.10.1936) und Theresia Lerbscher (14.09.1859 in Oberegg - 11.06.1935) kauften später das landwirtschaftliche Anwesen Am Alten Markt 22 (heute Haus Nr. 12) in Obergünzburg und trieben es mit ihren beiden Töchtern Maria (08.05.1890-09.07.1966) und Josefa (05.03.1897-24.12.1970) um. Die dritte Schwester Barbara (23.03.1885-29.07.1961) blieb zeitlebens bei ihrem Bruder Michael als Pfarrhaushälterin. Alle Schwestern blieben unverheiratet.
Die Priesterweihe erhielt Hösle in Dillingen am 25.7.1911. Er war zunächst Kaplan in Lechbruck. Unter anderem war er auch Priester an der Wallfahrtskirche in Wies und als Benefiziat-Vikar in Jengen. Die hier abgebildete Karte mit dem Heuwagen in Oberegg wurde am 30.09.1929 „zu Eurem wehrten Namensfeste“ an ihn geschickt - als Pfarrer in Wollbach bei Zusmarshausen. Vor dem Wagen stehen (v.l.n.r.) seine Mutter Theresia, Schwester Josefa, Vater Josef und Schwester Barbara. Der Mann auf dem Wagen ist ev. ein Herr Schleich aus Oberegg.

Das Startbild zeigt ihn im Mai 1934 mit Missionaren des Karmeliterordens, vermutlich vor dem Pfarrhaus (v.l.n.r.: Pater Adalbert aus Neumarkt Obpf., Pfarrer Hösle, Pater Pius aus Regensburg) von St. Ulrich in Ollarzried. Die Aufschrift lautet: Z.(ur) E.(rinnerung) an die hl. Mission i. Ollarzried, 6.-13.V.34. Zu dieser Volksmission gibt es auch ein Andenkenbild.

Das Bild von 1911 von Hösles Primiz – mit drei „Primizbräutlein“ - stammt aus der Sammlung von Helmut Scharpf, der es 2014 von einem Sammler in Tschechien erwerben konnte. Die Bilder von der Goldenen Hochzeit der Eltern von Michael Hösle (am 26.07.1933 in Obergünzburg) steuerte Reinald Scheule bei, die Bilder der Eltern und Hösle-Schwestern bei der Heu-Ernte in Oberegg – dort steht heute noch (2015) das Primizkreuz – wurden, vermittelt von Peter Würl und Herbert Kößler, von Rosi Heuchele (geb. Hösle) aus Obergünzburg zur Verfügung gestellt.

Nicht nur im Gottesdienst erwies sich Hösle als streitbarer Geist. Es ist von ihm auch ein Brief erhalten, bei dem es um einen Kredit bei einer Darlehenskasse geht („Kampf den Blutsaugern“).

Über eine Sammlung von Bildern und Texten zu Pfarrer Hösle verfügt auch der Ottobeurer Altabt Paulus Weigele (*5. Juni 1943 in Unterrieden bei Mindelheim), der als Pfarrer von 1983 bis 2002 selbst in Ollarzried wirkte. Der „letzte in Ollarzried wohnhafte Seelsorger“ vor Pater Paulus (der in der Abtei Ottobeuren wohnt) war Pfarrer und Dekan Hans Albrecht, der über Jahrzehnte in Ollarzried wirkte und großes Vertrauen genoss.**
Hinweis: Weitere Bilder werden im Laufe des März bearbeitet und hier sukzessive eingepflegt!
Scans, Bildbearbeitung, Recherche und Zusammenstellung: Helmut Scharpf (03/2015)

Ergänzung 03/2021 durch eine Fundstelle aus dem „Allgäuer Beobachter“ vom 18.06.1937, S. 7. Sie dokumentiert die herrschenden Repressalien, mit denen jede Kritik konsequent unterdrückt wurde:

Schwarzer Hetzer kommt ins Kitchen
§ In der katholischen Kirche zu Mantel in der Bayerischen Ostmark hatte sich im November 1935 der Pfarrer Georg Schächtl gegen Par. 130 a (Kanzelmißbrauch) verfehlt. Ein Jahr später griff er in einer weiteren Predigt den Führer und Reichskanzler in versteckter Form an. Bei einer Verhandlung vor dem Sondergericht Nürnberg, die jetzt stattfand, wurde Schächtl nun zu einem Jahr Gefängnis, und zwar wegen Kanzelmißbrauchs und Verfehlungen gegen das Heimtückegesetz, verurteilt. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.

* Quelle: Memminger Zeitung vom 25.08.2002 über den Illerbeurer Pfarrvikar Bernhard Heinzmann, „Von Nazis verfolgt und ermordet“
** Ollarzried im Allgäu wia's war, Fotobuch 2011, im Kapitel „Kirche“

Urheber

Helmut Scharpf (Texte), Bilder von diversen Urhebern

Quelle

Helmut Scharpf, Reinald Scheule, Herbert Kößler, Rosi Heuchele

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1931-12-06

Rechte

gemeinfrei