25.07.1933 - das Ottobeurer Kinderfest

Titel

25.07.1933 - das Ottobeurer Kinderfest

Beschreibung

Kinderfeste gab es in Ottobeuren mindestens seit Anfang des Jahrhunderts (und mind. bis in die 1950er Jahre). Das Kinderfest 1933 war gleichwohl etwas besonderes: Zum einen trieb man einen unglaublichen Aufwand, besorgte 80 Kostüme in Ochsenhausen, hatte ein Zelt aufgebaut, sorgte für eine Bewirtung der Kinder. Zum anderen orientierte sich durch die Machtergreifung Hitlers die Zielrichtung ideologisch sofort um: „völkische“ Reden, Horst-Wessel-Lied, „Sieg-Heil“-Rufe und der Appell an die Kinder, ihr Scherflein beizutragen, „dass sich in absehbarer Zeit das Schicksal unseres teuren Vaterlandes immer besser gestalte, und Du werdest, was uns not tut, - ein guter, deutscher Mensch“.
Eingebett wurden Wettkämpfe, an denen sich Arbeitsdienst, SA-, SS- und Stahlhelm-Gruppen beteiligten, darunter ein „Armee-Gepäckmarsch“. Auch im Ortsteil Stephansried - Teil der damals noch unabhängigen Gemeinde Guggenberg - gab es ein Kinderfest. Zu Beginn des Festes fand im Schulzimmer „die Übergabe des Adolf-Hitler-Bildes durch die Gemeinde an die Schule statt“. Die Ereignisse lassen sich im „Memminger Volksblatt“ gut nachvollziehen.

Wer ist hier zu sehen? Es sind Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 1920/21. Ein paar konnten mit Hilfe vom Hermine Baron und Sofie Epple (beide geb. Schober; Sofie: 21.07.1921-26.01.2017) im April 2016 bestimmt werden:
Die linke Gitarrenspielerin ist vermutlich Liesl Wölfle, links von ihr steht Cilli Schober; die rechte Gitarrenspielerin ist Sophie Schober, drei weiter nach rechts steht Lotte Köbele; ganz rechts außen steht vermutlich Resi (?) Filgis (vom „Tafelbauer“).
In der oberen Reihe steht (zwischen Liesl und Cilli) Fini Leinauer (verh. Gerle), links von Fini steht ihre Schwester Babette Leinauer (blieb ledig), rechts von Fini steht Maria Immler (verh. Hölzle).
In der unteren Reihe, die vierte von links (mit Ketten), steht Dorothea Dotzel, genau über ihr Traudl Gerle (heiratete Herrn Hoffmann, der zs. mit Ottobeurens Bürgermeister Johann Jakob [*1933, †1974] tödlich verunglückte).

Memminger Volksblatt Nr. 135 vom 06.07.1933, S. 7

Das Fest der Kleinen.
Ottobeuren, 6. Juli. In einer gestern Abend im Rathaus stattgefundenen Sitzung der zuständigen Stellen wurde die Durchführung des diesjährigen Kinderfestes besprochen. Herr 1. Bürgermeister Fickler gab nach begrüßenden Worten dem Schulleiter, Herrn Oberlehrer Strobl, das Wort, der eingehend über die Gestaltung des Festes referierte. Mit dem Kinderfest ist — wie seinerzeit schon berichtet — heuer auch die Durchführung der Jugend-Wettkämpfe verbunden, die gelegentlich der Sonnwendfeier hätten stattfinden sollen und verschoben werden mußten. Die Durchführung der letzteren obliegt dem Turn- und Sportverein. Die Ausgestaltung des Festes wurde nach Aussprache wie folgt festgelegt:

Früh 8 Uhr Schülergottesdienst mit Singmesse, nach dem Gottesdienst Zug zum Hindenburgplatz, dort Ansprache des 1. Bürgermeisters und Gesang und Deklamationen durch die Schüler; hernach Abmarsch zum Festplatz, wo am Vormittag nur die Verlosung stattfindet.
Während sich vormittags die Kinder am Knabenschulhause zum Kirchenzug sammeln, ist der Sammelpunkt am Nachmittag auf dem Platz von dem Arbeitsdienstlager. Von dort aus (Sammeln um 1 Uhr) zieht der Festzug durch die Straßen des Marktes zum Festplatz auf dem Rosenkeller, wo selbst die Austragung der Wettkämpfe stattfindet.
Als Neuerung für die Durchführung des Festes ist die Ausgestaltung durch Kostüme und Trachten zu nennen. Durch Vermittlung von Herrn Gehring „zur Rose" konnten aus Ochsenhausen ca. 80 schöne Kostüme beschafft werden, durch welche Märchen und dergleichen dargestellt werden. Allgemein kam in der Besprechung zum Ausdruck, daß im Laufe der Jahre dem Kinderfest eine historische Unterlage geschaffen werden soll durch Mitführung heimischer Trachten usw.
Hiezu wurde durch Hrn. Bürgermeister Fickler, der über das bekannte Kinderfest in Biberach referierte, verschiedene Anregung gegeben.
Bemerkt sei noch, daß beim Rosenkeller, wo am 23. Juli die Standartenweihe des SA-Sturmes 9/20 stattfindet, zu letzterem Anlaß durch die Bürger- und Engelbräu Memmingen 2 große Zelte aufgeschlagen worden, von denen ein Zelt für das Kinderfest aufgeschlagen bleibt. Zur Abhaltung des Festes mit den Jugendwettkämpfen ist die letzte Juliwoche vorgesehen und wird zu gegebener Zeit der Tag bekannt gegeben. Bezüglich der Bewirtung der Kinder wurde beschlossen, daß jedes Kind 1 Flasche Limonade, eine Wurst und den dazu gehörigen „Spitz“ erhält, außerdem wird für die am Vormittag stattfindende Verlosung an alle Schüler (420) je ein Los abgegeben. Heute schon möchten wir dem Feste der Kleinen, das heuer durch die damit verbundenen Jugend-Wettkampfe und die Ausgestaltung eine besondere Note erhält, schönes Wetter wünschen!
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Am 13.07.1933 gab es auch für die Schule Stephansried ein Kinderfest. In Ausgabe Nr. 160 vom 14.07.1933 erschien auf S. 6 folgender Artikel (Datei-Seite 102):

Kinderfest in Stephansried.
Ottobeuren, 14. Juli 1933.
Einen Tag noch wurde die Geduld der Stephansrieder Schüler auf die Probe gestellt, nachdem das für Mittwoch festgesetzte Kinderfest witterungshalber erst gestern Donnerstag stattfinden konnte. Nun aber brach sich die Freude Bahn und alle eilten mittags voller seliger Gefühle dem Schulhause zu, vor welchem sieghaft die Fahne wehte. Das Kinderfest erhielt heuer eine besondere Note dadurch, daß mit dem Feste zugleich eine nationale Feier verbunden war.
Im Schulzimmer fand zu Beginn die Übergabe des Adolf-Hitler-Bildes durch die Gemeinde an die Schule statt. In markanter Rede verwies Herr 1. Bürgermeister Weiß auf die Tage der nationalen Erhebung des deutschen Volkes und seines Führers, die Schüler gemahnend, stets mit Achtung und Vaterlandsliebe aufzuschauen zu dem Bildnis des Mannes, der das deutsche Volk vor dem Untergangs rettete. Unter Musikbegleitung wurde nach Enthüllung des Bildes das Horst-Wessel-Lied gesungen, worauf der Abmarsch zum Festplatz im Kochschen Hofe erfolgte.
Das Stephansrieder Kinderfest hat eine Tradition und darum gesellten sich zu der frohen Kinderschar und den Eltern der Schüler auch zahlreiche Gäste aus der Gemeinde Guggenberg und der Pfarrei Ottobeuren. Auch heuer wieder gelangte unter Leitung von Frl. Lehrer Martin ein ausgezeichnetes Programm zur Abwicklung. Dem Deutschlandliede, mit welchem die Feier eröffnet wurde, folgten weitere vaterländische Lieder und Gedichtvorträge. Der Flaggengruß und ein froher Reigen „Juchhei Blümelein“ brachten die nötige Abwechslung in den ersten Teil des Programms, der von den Darbietungen der Ottobeurer SA-Kapelle umrahmt war. Viel Humor löste das lustige Theaterstücklein „Die schwierige Donau“ aus. Ein besonders „wichtiger“ Programmpunkt für die Kinder war die Bewirtung, wofür die Schulpflegschaft durch Herrn Franz Schalk alle Vorbereitungen getroffen waren. Vom 2. Teil des Programms seien angeführt die lustigen Vorträge „ In Stephansried ist Kinderfest“, „'s vierte Element“, „Die sieben Hühnerchen“ und „Der Ottobeurer Expreß“. (Der H. Pfarrer von Hawangen kommt auf d'Bahn wie schon der Zug dasteht. Da ruft der Seeberger: „Schnell, Herr Pfarrer, sonst kommen's ganz g'wiß no z'spät! Sie wollen doch au mit in Flecka aufi?“ „Na“, sagt der Herr Pfarrer, „'s pressiert — heut lauf i!“ Während der weitere Gedichtvortrag „Dr Jahrmarkt auf'm Dorf“, viel Spaß machte, wurde auch das luftige Theaterstück „Kasperles Maispaziergang“ von den dankbaren Zuschauern mit großem Beifall angenommen.
Die Freude der kleinen Festteilnehmer steigerte sich noch bei den Volksbelustigungen außer Programm, als da sind Wurstschnappen, Bockstechen, der Kletterbaum usw. Einige Theaterstücklein fanden nach Ablauf des reichhaltigen Programms aus vielseitigen Wunsch eine Wiederholung. Daß auch die großen Kinder auf ihre Rechnung kamen, dafür sorgte der eigens hiezu ausgestellte Impressario (H. Gehring von Ottobeuren). Mit großer Spannung wurde das Seilziehen der großen Kinder von Stephansried mit den großen Kindern von Ottobeuren verfolgt und der Trompeter konnte dreimal einen vollen Sieg der Stephansrieder verkünden (allerdings sagen einige, daß die Stephansrieder unter dem Ziehen Zuwachs von auswärts erhalten hätten?).
So vergingen die Stunden, ausgefüllt von frohem Kinderlachen, auch für die Alten nur allzu rasch. Hervorgehoben sei noch die vorzügliche Bewirtung durch Herrn Koch, der mit seinen Helfern unermüdlich um das Wohl seiner Gäste besorgt war. Wohlbegreiflich, daß auch in den Abendstunden, als schon die Dämmerung hereinbrach und die auswärtigen Gäste sich auf den Heimweg machten, noch viele Einheimische in fröhlicher Runde beisammensaßen und sich unterhielten aus froher Jugendzeit. — Für die schöne Durchführung des Festes sei auch an dieser Stelle insbesondere Frl. Lehrer Martin und allen Beteiligten die verdiente Anerkennung ausgesprochen!
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Ankündigung: Ottobeuren, 21. Juli.
Kinderfest. Das Kinderfest findet nunmehr bei günstiger Witterung am kommenden Dienstag, den 23. Juli 1933 auf dem Rosenkeller statt. Bei ungünstiger Witterung wird dasselbe aus den nächst schönen Tag verschoben.
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In Ausgabe Nr. 166 vom 21.07.1933 erschien auf S. 6 folgender Programmablauf:

Ottobeurer Kinderfest 1933.
am Dienstag, 25. Juli — bei günstiger Witterung, sonst am darauffolgenden schönen Tag.
Zeiteinteilung und Verlauf:
1. 6 Uhr Weckruf.
2. ½8 Uhr Gottesdienst (3. Singmesse).
3. Zug zum Hindenburgplatz. (Aufstellung gegen Westen.)
4. Festakt auf dem Hindenburgplatz:
a) O Deutschland hoch in Ehren.
b) Ansprache des Schulleiters.
c) Deutschlandlied.
d) Sprech-Chor der Knaben, der Mädchen.
e) Ansprache des 1. Bürgermeisters.
f) Horst-Wessel-Lied.
5. Zug zum Festplatz (Rosenkeller).
6. Verlosung.

Der Nachmittag:
7. 1 Uhr Festzug. Sammelplatz: Hof des Arbeitsdiensteslagers. Weg: Ritter-von-Eppstraße  — Rupertstraße — Ulrichstraße  — Alexanderstraße — Adolf-Hitler-Straße — Gegenzug. — M. Rettenbacherstraße — Schützenstraße — Ludwigstraße — Luitpoldstraße  — Mühlbachstraße — Obere Straße — Kemptenerstraße — Luitpoldstraße  — Hindenburgplatz — Bergstraße — Festplatz.

8. Wett-Turnen, Reigen, Spiele.
1. Gruppe (6. und 7. Klasse): 75-Meterlauf, Weitsprung, Ballweitwurf (Leitung: Oberlehrer Strobl)
2. Gruppe (1. Fortbild.-Schulj.): 75- Meterlauf, Weitsprung, Ballweitwurf. (Leitung: Lehrer Wiedemann).
3. Gruppe (14. bis 18. Lebensjahr): 75-Meterlauf, Weitsprung, Ballweitwurf. (Leitung: Hauptlehrer Herz).
9. Bewirtung.
10. Preisverteilung.
11. Ballonwettbewerb.
12. Zwanglose Unterhaltung.

Der Abend.
7 Uhr: Turnerischer Wettbewerb.
4. Gruppe: 1. 3-Kampf für Arbeitsdienst, SA, SS, Stahlhelm, Turn- und Sportverein: 100-Meter-Lauf, Weitsprung, Kugelstoßen. (Leitung: Lagerführer Weinberger. 2. 10-Kilometer-Armeegepäckmarsch. — (Leitung: Nett, Schmittle, Ganser).
Die Einwohnerschaft wird um Beflaggung der Häuser gebeten!
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Ein weiterer Aufruf erschien in Ausgabe 168 vom 24.07.1933, S. 6:

Ottobeurer Kinderfest 1933.
Ottobeuren, 24. Juli. „Auf zum Kinderfest!“ lautet morgen Dienstag die Losung für alt und jung. Wie aus dem in der Freitagnummer veröffentlichten Programm zu ersehen war, ist heuer die Ausgestaltung des Festes der Kleinen eine besonders reichhaltige. Die gottesdienstliche Feier am Vormittag beginnt um halb 8 Uhr; nach dem Gottesdienst ist Festakt auf dem Hindenburgplatz, anschließend Zug zum Festplatz auf dem Rosenkeller mit Verlosung. Nachmittags 1 Uhr ist Aufstellung zum Festzug im Hofe des Arbeitsdienstlagers, nach Eintreffen des Zuges auf dem Festplatz beginnt das Wetturnen, Reigen und Spiele, anschließend Bewirtung, Preisverteilung, Ballonwettbewerb. Abends 7 Uhr beginnt der turnerische Wettbewerb für die Mitglieder des Arbeitsdienstes, die SA und SS, den Stahlhelm und den Turn- und Sportverein.  — Bleibt nur noch zu hoffen, daß auch Sankt Petrus sich von der guten Seite zeigt und dem Feste zu einem schönen Verlaufe verhilft. Bei ungünstiger Witterung wird das Fest auf den nächstfolgenden schönen Tag verschoben. — Die verehrl. Einwohnerschaft sei hiemit nochmals um Beflaggung der Häuser ersucht.
Auf zum Kinderfest!
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Der Bericht zum Kinderfest erschien in Ausgabe 169 vom 25.07.1933, S. 7: (Datei S. 185)

Ottobeurer Kinderfest 1933.
Ottobeuren, 25. Juli 1933.
Allgemein wichtig hatten es unsere Buben und Mädels in den letzten Tagen, gruppenweise sah man sie beisammenstehen, eifrig diskutierend und gestikulierend, und der Vorübergehende konnte es unschwer erraten, daß es sich hiebei um eine „große Sache“ handelte. Das Zauberwort, das all den Vorbesprechungen zugrunde lag, lautete „Kinderfest!“. Ein freudiges Vorgefühl las man von den jungen Gesichtern und die Besprechungen drehten sich in der Hauptsache um die Fragen: „Wird das Wetter schön?“ „Welche alten und welche neuen Spiele werden gemacht?", „Kommen schöne Gegenstände zur Verlosung?“ usw. Unzählige Sorge schwirrten da durch die jungen Köpfe, die Spannung wuchs immer mehr und mit dem Vorgefühl der Freude bei den Jungen kehrte auch bei den Alten die selige Erinnerung an der Kindheit Tage wieder. Alles freute sich auf den Tag der Jugend, der in diesem Jahre eine besonders gründliche Vorbereitung und reiche Ausgestaltung erfahren hatte.
Sonnenvergoldet und mit heiterem Blauhimmel zog der junge Tag herauf und als in früher Morgenstunde der Weckruf erschallte, da war alsbald beim jungen Volk auch der letzte auf den Beinen. Eingeleitet wurde das Kinderfest mit einem
Gottesdienst
in der Basilika. Während des Gottesdienstes sangen die Schüler die 3. Singmesse und der Gesang schien bester vonstatten zu gehen, denn sonst an einem gewöhnlichen Schultag. Hochw. Herr Pfarrer P. Maurus Zech O.S.B. wandte sich in einer herzlichen Ansprache an die Kinder. Auf die Freuden des heutigen Tages verweisend, leitete er über auf das Morgen und brachte zum Ausdruck, wie der Freude des Kinderfestes wieder die ernstere Arbeit der Schule folge, so wie im Leben der Schule der Ernst des Lebens. Dem Gottesdienst schloß sich der
Festakt auf dem Hindenburgplatz
an. Vor der Knabenschule grüßte unter dem Bildnis des Reichspräsidenten v. Hindenburg aus frischem Tannengrün, umrahmt von den Fahnen in den Reichs- und Landesfarben die Büste des Volkskanzlers Adolf Hitler. Unter Trommelwirbel und Musikklängen bewegte sich der Zug von der Kirche aus zum Hindenburgplatz, voran die Fahnengruppe dann die Buben und Mädchen, nach Klassen geordnet mit ihren Lehrerinnen und Lehrern. Nachdem die frohe Schar vor dem Schulhause im Viereck Aufstellung genommen hatte und das Lied „O Deutschland hoch ich Ehren!“ verklungen war, wandte sich der Schulleiter, Herr Oberlehrer Strobl, mit folgender Ansprache an die Versammelten:

„Deutsche Männer, deutsche Frauen, liebe Kinder!
Freude spiegelt sich in Eurem Antlitz, gespannte Erwartung ruht darauf. Der heutige Tag soll für Euch das sein, was sein Name besagt: „Ein Fest der Kinder“.
Wir alle gönnen Euch diese Freude aufrichtig, sind doch Sorglosigkeit und Lebenslust das Vorrecht der Jugend. Des Lebens Ernst und Leid treten noch früh genug an Euch heran, Ihr werdet mehr der Dornen finden, als es der Rosen zu pflücken gibt.
Wir kommen vom Gotteshause und haben in Gesang und Gebet Gott gegeben, was Gottes ist. Euer Seelsorger hat Euch mit eindringlichen Worten eingeprägt, was Richtschnur für das ganze Leben sein soll.
Unser Führer ruft uns zu: „Gott und Volk!“ Wir haben den ersten Teil erfüllt. Warum wir jetzt hieher gezogen sind? Ernst blickt mit ehernen Zügen des Reiches Präsident auf uns hernieder. Was sprichst dieses Bildnis zu uns? Halte fest, deutsches Volk, was nach schwerem Kampfe errungen, baue aus, was in jahrelangem Ringen des Reiches Kanzler Adolf Hitler geschaffen, nie lasse es Dir entwinden — nicht von äußeren, nicht von inneren Feinden! Du Knabe, Du Mädchen, ihr fragt Euch wohl: „Ja was können wir Kinder dazu tun?“
Vor kurzem, am denkwürdigen Tage von Potsdam, habe ich zu Euch in diesem Sinne gesprochen und es kann Euch das nicht oft genug eingeprägt werden.
So jung Ihr seid, so könnt Ihr doch schon Bausteine sammeln, damit sich, wenn Ihr zu Männern und Frauen herangereift seid, unser aller Wünschen und Streben erfülle: „Deutschland hat sich wieder stolz und mächtig erhoben, es nimmt in der Welt wieder den Platz ein, der ihm gebührt“.
Siehe Kind, sei brav, folgsam, unterstütze Deine Eltern bei der Arbeit, pflege ein gesittetes Betragen, sei fleißig in der Schule, lasse dir den Kirchenbesuch angelegen sein: betätigest Du Dich in diesem Sinne, so hast Du schon Dein Scherflein beigetragen, daß sich in absehbarer Zeit das Schicksal unseres teuren Vaterlandes immer besser gestalte, und Du werdest, was uns not tut, „ein guter, deutscher Mensch“.
Herr 1. Bürgermeister Fickler, der Marktgemeinderat, Freunde der Kinder, nicht zu vergessen Herren Gehring haben sich bemüht, Euch diesen Freudentag zu bereiten. Gebt, liebe Kinder, dem Gefühle der Dankbarkeit breitesten Raum und faßt den festen Vorsatz, was Ihr heute Gott vor dem Altare, vor dem Bildnisse des ehrwürdig. Präsidenten im Stillen gelobt, getreu zu erfüllen.
Fassen wir das, was uns alle an Freude, Dank und Vorsatz bewegt in einem dreifachen „Sieg Heil“ auf den Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg und des Reiches getreuen Kanzler Adolf Hitler zusammen“.
Der Ansprache des Schulleiters und dem mit Begeisterung aufgenommenen dreifachen Sieg-Heil folgte, von der Musikkapelle intoniert, das Deutschlandlied.
(Fortsetzung des Berichtes in morgiger Nummer.)

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Forstsetzung des Berichts zum Kinderfest, Ausgabe 170 vom 26.07.1933, S. 7: (Datei S. 193)

(Fortsetzung und Schluß des Berichtes).
Ottobeuren, 26. Juli 1933.
Nachdem das Lied der Deutschen verklungen war, folgten bei dem Festakt auf dem Hindenburgplatz einige sinnige Sprechchöre der Knaben und Mädchen, die wir nachstehend folgen lassen:
Fürs Vaterland (Sprechchor der Knaben):
Fragt ihr mich, warum ich's liebe, unser deutsches Vaterland:
Weil ich es in schwerer Stunde höchster Liebe würdig fand!
Daß es rein und stark und edel einer Welt entgegenstand,
Einte mich mit ihm noch fester —  als der Kindschaft trautes Band.

Fragt ihr mich, warum ich bete  —  für das deutsche Vaterland:  
Daß es neu verjüngt sich hebe —  aus dem düstern Weltenbrand,
Daß wie lautres Gold es leuchte —  unter bald verblaßtem Tand,
Daß es immer deutscher werde, unser deutsches Vaterland!

An Deutschlands Jugend (Sprechchor der Mädchen):
Wachs' empor mit frohem Mut —  nach der Väter Weise;
Zeige, daß ihr tapfres Blut —  warm in dir auch kreise!

Denke immer wahr zu sein, offen, treu und bieder;
Pflege auch die Sprache dein —  und die alten Lieder!
Acht auf jeden Geistesschatz, der dich kann erhellen;
Lerne steh'n auf deinem Platz, drauf dich Gott wird stellen!

Den Sprechchören folgte eine Ansprache von Hrn. Bürgermeister Fickler, der eingangs betonte, wie infolge Verordnung durch die Staatsaufsichtsbehörde die Abhaltung des Kinderfestes durch Streichung der gemeindl. Mittel gefährdet erschien; doch Gemeinde und Bürgerschaft zeigte sich in diesem Punkte erfreulicher Weise einig und wurden hauptsächlich durch freiwillige Spenden und einen Zuschuß der Gemeinde die Durchführung des Festes ermöglicht. Bei dieser Gelegenheit fügte Herr Bürgermeister den Wunsch an, die Gemeindeangehörigen möchten sich wie in der Frage des Kinderfestes auch sonst allenthalben in Einigkeit finden, damit wieder Friede einziehe in der Gemeinde nach Wochen betrüblicher Vorkommnisse[*]. Sich an die Kinder selbst wendend, ermahnte der Redner dieselben, stets ihren Eltern u. Erziehern treu zu folgen, die nur ihr Bestes wollen. Seine weiteren Ausführungen war der Sinn des Deutschlandliedes zugrunde gelegt unter Betonung brüderlichen Zusammenhaltens und dem Text der 3. Strophe „Einigkeit und Recht und Freiheit, sind des Glückes Unterpfand!“ Herr Bürgermeister Fickler ließ seine Rede ausklingen mit einem Hinweis auf Reichspräsident von Hindenburg u. Reichskanzler Adolf Hitler, welch beide Männer stets nach dem Leitgedanken handelten: Ich diene dem Volke, ich diene dem Vaterlande. Einem 3-fachen Sieg-Heil auf die beiden Führer folgte das Horst-Wessellied, womit der Festakt seinen Abschluß fand.
Nach der Feier auf dem Hindenburgplach bewegte sich der Zug zum Festplatz auf dem Rosenkeller, nachdem Herr Gg. Gehring namens der Kinderschar allen edlen Spendern, ferner der Gemeinde für die Zuwendungen und der Lehrerschaft für die vorbereitenden Arbeiten herzlichen Dank zum Ausdruck gebracht hatte. Auf dem Festplatz wurden an die Kinder (insgesamt 420) Lose abgegeben, gegen welche nun die verschiedensten Spielsachen und Gebrauchsartikel in Empfang genommen werden konnten.
Am Nachmittag fand das Fest seine Fortsetzung. Den Auftakt bildete
der Festzug,
der sich nachm. 1 Uhr vom Hofe des Arbeitsdienstlagers aus in Bewegung setzte. Freudig flatterten von den Häusern die Fahnen, als die frohe Schar durch die Straßen des Marktes zog, Straßen und Plätze waren umsäumt von Zuschauern, die alle sich freuten mit den Kleinen. Durch die heuer erstmals im Zuge eingegliederten Trachten und Kostüme, Märchen usw. darstellend, durch die zahllosen Fahnen und Wimpel, bot der Zug noch ein farbenprächtigeres Bild als in früheren Jahren. Dem Trommlerkorps an der Spitze folgten die verschiedenen Gruppen in gelungener Zusammenstellung, so das Heer der Zwerge, Zigeunerinnen, Schnitterinnen, Holländerinnen usw. und die große Schar der Mädels und Buben, die Hitlerjugend, das Ganze im strammen Schritt unter den Klängen der Blechmusikgesellschaft. Auf dem Festplatz entwickelte sich nach Ankunft des Zuges ein fröhliches Leben, wie es eben nur ein Kinderfest bieten kann. Nachdem mit den sonst üblichen Spielen heuer auch
die Wettkämpfe
verbunden waren, die seinerzeit am Tage der Sonnwendfeier verschoben wurden, ging es besonders bei den Buben manchmal heiß zu. Wettlaufen und Ballwerfen wechselten ab mit Fuchsschlupfen, den Anstrengungen am Kletterbaum und dergl., während die Mädchen mit ihren Reigen u. Spielen die zahlreichen Zuschauer ergötzten. Dazwischen ging die Bewirtung der munteren Schar vor sich, welcher Programmpunkt als ein sehr wesentlicher Bestandteil des Festes begrüßt wurde. Nach fröhlichem Spiel nahte der Abend allzufrüh und die Buben durften ihre Preise in Empfang nehmen, die sie sich in den Wettkämpfen errungen hatten. Für die Gruppe 4 begann um 7 Uhr der Dreikampf und der Armeegepäckmarsch.
Die
Preisverteilung,
die von Herrn Bürgermeister Fickler vorgenommen wurde, erbrachte folgende Resultate:

1. Gruppe:
(6. und 7. Klasse, 75 m Lauf, Weitsprung, Ballweitwurf, Leitung Herr Oberlehrer Strobl)
1. Preis Hief Johann. 2. Wagner Adolf, 3. Gottfried Heinr., 4. Kretzinger Johann, 5. Hartmann Franz, 5. Leiprecht Karl, 5. Klee Johann, 6. Ostler Josef, 6. Bernschneider Karl, 7. Bernschneider Rudolf, 7. Kugelmann Friedrich, 8. Braxmaier Alfons, 9. Schwarz Ernst (bis hierher erhielten die Preisträger Diplome, dis nachfolgenden Eichenlaubzweige) 10. Arnold Franz, Branz Anton, Demmeler Johann, Villinger Josef, Jakob Johann, Loderbauer Josef, Ness Josef, 11. Nägele Franz, Neumaier Alfred, 12. Dröber Ludwig, 13. Keidler Alex, 14. Krug Josef, Lechner Franz, 15. Grimm Johann, Riedele Martin.

2. Gruppe:
(1. Fortbildungsschuljahr, 75 m Lauf, Weitsprung, Ballweitwurf, Leitung Herr Lehrer Wiedemann.)
1. Preis Rösch Willy, 2. Köpf Georg, 3. Bechteler Georg, 4. Weiß Johann, 5. Petrich Stefan, 6. Reich Franz, 7. Schaupp Johann, 8. Gehring Georg, 8a. Breitenlehner Georg (bis hierher Ehrenurkunden, nachfolgend Eichenlaubzweig), 9. Riedele Andreas, 10. Fleschutz Karl, 10. Steiner Franz.

3. Gruppe:
(14 — 18. Lebensjahr, 75 m Lauf, Weitsprung, Ballweitwurf, Leitung Herr Hauptlehrer Herz.)
1. Preis Merk Otto, 2. Högg Josef, 3. Albrecht Theodor, 3. Kiechle Gottfried (bis hierher Ehrenurkunden), 4. Peppel Josef, 5. Mayer Peter, 6. Wagner Alfons.

4. Gruppe:
(3 Kampf für Arbeitsdienst, SA., SS., Stahlhelm und Turn- und Sportverein. 190 Meter Lauf, Weitsprung, Kugelstoßen, Leitung: Lagerführer Weinberger.)
1. Preis Wiesheu Eugen (Turnverein), 1. Dorr Hans (TV. und SS.), 2. Kederer Josef (TV.), 8. Krumm Josef (TV.), 4. Hagen Hans (TV. und SS.), 4. Brixle Leonhard (TV.), 5. Merk Andreas (TV. und Stahlhelm), 6. Kasper August (TV. und Stahlhelm), 7. Ganser Otto (Freiw. Arbeitsd.) 8. Weinberger Fritz (F.A.), 8. Steiner Georg (SS.), 9. Schmid Josef (TV.), 9. Frisch Georg (F.A.), 10. Kudermann Albert (TV.), 11. Siegl [Sigl] Franz (TV.).

10 km Gepäckmarsch (mit 20 Pfd. Belastung):
1. Preis Gunzinger (F.A. 1 Stunde 12 einv. Min.), 2. Regler (F.A., 1.13), 3. Wiedemann (F.A. 1.14), 4. Filgis Georg (SS. 1.14½), 5. Specht Walter (St., 1.15), 5. Bauer Albert (1.15), 6. Kast (F.A. 1.15 einv.), 6. Franzesko (F.A. 1.15, einv.), 7. Schafroth (F.A. 1.15½), 8. Thomas (F.A. 1.15 einv.), 9. Sailer (St. 1.16), 9. Unglert (SS. 1.16), 9. Dreyer (SS. 1.18), 9. Holzhai (SS. 1.16), 9. Bittel (SS. 1.16).
Die Preisträger in Gruppe 4 erhielten Diplome. Wie aus den angegebenen Zeiten hervorgeht, waren die Leistungen beim Armee-Gepäckmarsch wie insbesondere auch beim Dreikampf durchwegs gute. Die Bewertung für den Gepäckmarsch oblag den Herren Nett Christ., Schmittle Georg und Ganser. Letzteren wie auch sämtlichen übrigen Mitgliedern der Bewertungskommission bezw. Preisrichtern, der Lehrerschaft und insbesondere dem Vorstand des Turn- und Sportvereins, Herrn Direktor Bauer, gebührt für die geleistete große Arbeit die verdiente Anerkennung. — Nachdem das Kinderfest insbesondere auch durch diese Wettkämpfe eine vielgestaltige Bereicherung im Programm erfuhr, wäre zu erwägen, ob etwa die Wettkämpfe nicht auch in den kommenden Jahren beibehalten werden könnten. Nach der Preiseverteilung für die Gruppe 4 fand das Fest in gemütlicher Unterhaltung seine Fortsetzung und die Blechmusikgesellschaft unter Direktion von Herrn Chorregent Köbele war unermüdlich tätig bis zum schönen Ausklang des Tages. Die Erinnerung an das Kinderfest 1933 wird für alle Teilnehmer eine angenehme Erinnerung bleiben.

[*] Gemeint war die Unruhe nach der Verhaftungswelle im Zusammenhang mit dem „Baumfrevel“ an der beim Ämtergebäude gepflanzten „Hitler-Eiche“. In Ausgabe Nr. 166 vom 21.07.1933 erschien auf Seite 8 folgendes Inserat der Marktgemeinde:

Öffentliche Warnung.
Von zuständigen Stellen wird uns mitgeteilt, daß in Ottobeuren wiederholt gegen die SA- und SS-Leute, die im Auftrage ihrer politischen Führung an der Festnahme der ehemaligen Bayernwachtangehörigen mitgewirkt haben, gehetzt, über sie geschimpft oder geschäftlich boykottiert werden sollen.
Die Bevölkerung wird vor einem derartig gewissenlosen Vorgehen nachdrücklich gewarnt, da sonst mit rücksichtslosem Vorgehen gegen die Beteiligten zu rechnen ist.
Ottobeuren, den 19. Juli 1933.
Marktgemeinderat.
Fickler, 1. Bürgermeister
(Diese Vorgänge tauchen auch in den Protokollen des Gemeinderats aus dieser Zeit auf.)

Das wunderbare Bild wurde von Günter Wagner dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.
(Abschriften und Bildbearbeitung: Helmut Scharpf, 04/2016)

Urheber

unbekannt

Quelle

Günter Wagner (Foto) / Stadtarchiv Memmingen (Zeitungen)

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1933-07-25

Rechte

gemeinfrei