03.09.1898 – Einweihung des Kneipp-Denkmals in Stephansried

Titel

03.09.1898 – Einweihung des Kneipp-Denkmals in Stephansried

Beschreibung

Zweimal war die Einweihung des Obelisken in Stephansried verschoben worden:
Zitat aus Reile-Biographie: alter Narr
Reile (gest. 12.01.1951), S. 30 (Kapitel "Ausflüge nach Stephansried"):
Bis zur Fertigstellung der Bahn mußte man nach Türkheim hin und zurück gehen. Kneipp war nicht immer dabei, nur die ersten Jahre nach Entstehen der Ausflüge. Ich war nur ein einziges Mal mit und half in Stephansried mit einer Sängerin das Amt verschönern. In Stephansried steht ein Obelisk, den man zu Ehren Kneipps noch zu seinen Lebzeiten setzen wollte. Dr. Baumgarten veranstaltete eine Geldsammlung, die in kurzer Zeit die notwendige Summe hiefür ergab. Im "Bayer. Vaterland", Organ des Dr. Sigl, erschien daraufhin ein Artikel, in dem betont wurde: "Nun läßt der alte Narr [= Kneipp] sich zu Lebzeiten schon ein Denkmal setzen; er kann es nicht einmal erwarten, bis er gestorben." Ich gab Kneipp den Artikel zu lesen, worauf er befahl, die Aufstellung des Obelisken bis nach seinem Tode zu verschieben. Nachdem schon alles zubereitet und fertiggestellt war, konnte dies nach seinem Ableben ohne weiteres geschehen. Man brauchte ohnedies nicht mehr allzulange zu warten.
Zitat aus:
Reile, Max Bonifaz: Meine Erinnerungen an Hochwürden Herrn Pfarrer Kneipp. Verfaßt von Max (Bonifaz) Reile im Juli - August 1942, Johann von Gott-Verlag, Regensburg, 1951, 40 S.

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Kneipp-Blätter Nr. 19 vom 22.09.1898, (fortlaufende) S. 289 - 293 (pdf 293 - 297)

Die Enthüllung des Kneipp-Denkmals in Stephansried.
Vom schönsten Wetter begünstigt, fand am 3. September l. Jrs. die feierliche Enthüllung des Kneipp-Denkmals in Stephansried unter außerordentlich großer Beteiligung seitens der hiesigen Kurgäste, Bewohner und Vereine statt. Es mochten wohl über 250 Personen gewesen sein, die am Samstag um 7 Uhr früh den Extrazug von Wörishofen nach Türkheim und von dort nach Sontheim benutzten. Nach einer kurzen Fahrt gelangte man in Sontheim an, allwo ein Teil der Ausflügler die schon bereitstehenden Wagen bestieg, auf denen sie nach einer schnellen, nicht besonders angenehmen Fahrt zu dem Endziele Stephansried gebracht wurden, während der andere Teil den eine schwache Stunde betragenden Weg zu Fuß dahin zurücklegte. Hier wurde schnell ein kleines Frühstück eingenommen, meist bestehend aus Malzkaffee und „Küchle“, und hurtig ging es dann zur kleinen Kapelle, die der selige Prälat auf seine eigenen Kosten restaurieren ließ, wo der hochwürdige Pfarrer von Ottobeuren, Wilhelm Obermaier [Obermayr], eine heilige Messe für das Seelenheil des seligen Prälaten las.
Vor Beginn der Messe nahm der Herr Pfarrer Veranlassung, ergreifende, von tiefstem Herzen kommende und zu Herzen gehende Worte an die Versammelten zu richten. Vor allem hob er die großen Verdienste hervor, die Kneipp sich um das leibliche Wohl der Menschheit erworben; aber auch um das geistige Wohl seiner Pfarrkinder habe der Verstorbene sich derart angenommen, daß er als Muster eines idealen Priesters hingestellt werden könne. Seine in jeder Beziehung äußerst interessante Predigt schloß der hochwürdige Herr Pfarrer, indem er den Versammelten den innigsten und herzlichsten Dank der Stephansrieder Gemeinde ausdrückte, die in großen Scharen herbeigeströmt war, um ihren großen Sohn würdig zu feiern. Der Eindruck, den diese Predigt auf die Zuhörer machte, war ein tiefer und wohl niemand wird sich der noch zum Schlusse angebrachten Bitte des Herrn Pfarrers verschlossen haben, mit ihm in der heilige Messe innige Bittgebete zu Gott emporsteigen zu lassen für das Seelenheil des seligen guten Kneipp, und falls er dasselbe schon erlangt haben sollte, für all die armen Seelen, die desselben noch nicht teilhaftig sind. Gleichzeitig wollen wir hier noch erwähnen, daß den Kirchengesang der Wörishofener Gesangverein unter der umsichtigen Leitung des Herrn Lehrer Mader in präciser Weise besorgte.

Mittlerweile waren die Comitémitglieder, an ihrer Spitze der stets rührige Gymnasialdirektor Dr. M. Koch aus Budweis, beschäftigt, die letzten Vorbereitungen zur Enthüllung zu treffen. Das Denkmal steht an der Stelle des Geburtshauses Kneipps. Es besteht in einem einfachen Obelisk aus Granit. Der Sockel trägt auf einer Seite das Bildnis Kneipps in Bronze, auf der gegenüberliegenden eine bronzene Gießkanne. Oberhalb stehen nur die Worte: „Monsignore Sebastian Kneipp“, in der einen Mittelfläche: „Hier stand das Geburtshaus Seb. Kneipps. * 1821. † 1897“, in der andern die Worte: „Errichtet von seinen Verehrern. 1898.“

Eingeleitet wurde die Feier mit der Absingung des weihevollen Liedes: „Das ist der Tag des Herrn“ seitens des hiesigen Gesangvereines. Als die letzten Töne verklungen waren und nachdem sich noch vorher die Teilnehmer und die sehr zahlreich er-

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schienenen Kneipp- und hiesigen Vereine um das Denkmal gruppiert hatten, trat Dr. M. Koch, der Vorsitzende des Comités, vor, um die Festrede zu halten, die wir in nachstehen dem bringen.
Hochverehrte Versammelte! Werte Festgäste! Wir stehen heute hier auf einem schönen Flecken Erde, der trunkene Blick schweift weit in die schöne Landschaft und das Auge findet angenehme Haltpunkte an den Ortschaften mit ihren hellen Häusern, spitzen Türmen und hügelbegrenzten Bergen; sie wirken in ihrer plastischen Ruhe besänftigend auf das menschliche Gemüt. Und dieses Stückchen Erde mit seinem kleinen Orte Stephansried, es ist auch geschichtlich denkwürdig, ein für jeden Anhänger Kneipps geheiligter Ort. Denn gerade hier, wo wir jetzt stehen, auf diesem Orte stand das Geburtshaus Kneipps, jenes Mannes, der in allen Weltteilen mit Liebe und Verehrung genannt wird. – Sebastian Kneipp wurde am 17. Mai 1821 geboren. Sein Vater war eine geistige Größe in Stephansried, der, in seinem Fache ein Weber, doch häufig dem Schulmeister unter die Arme greifen mußte. Er war das ausgleichende Prinzip im Hause. Die Mutter war sehr strenge, sie hatte ihre Kinder zwar religiös erzogen, aber sehr kurz gehalten. Der kleine Bastl besuchte fleißig die Schule, mußte aber schon im 14. Lebensjahre fleißig als Weber in der Werkstätte seines Vaters mithelfen. Eine schöne, eine goldene Jugendzeit hatte Kneipp nicht. Seine Nahrung war einfach: Brot, Milch, Kartoffeln und dabei gab es noch für den borschtigen Buben gewaltige Hiebe. Der heißeste Wunsch des jungen Bastl war, Geistlicher zu werden. Er bat seinen Vater, ihn studieren zu lassen. Aber die kargen Mittel reichten nicht aus und so mußte der kleine Bastl wohl oder übel weiter Weber sein. Aber zu Hause hielt es ihn einmal nicht. Einige Male verließ er das väterliche Haus, in der Meinung, irgend einen Wohlthäter zu finden, aber alles vergebens. Aber der kleine Bastl ließ sich durch nichts beirren, er gab nicht nach, und so begann er zu sparen. Er sparte und hatte endlich 70 fl. [Gulden] zusammengebracht. Eine Feuersbrunst verzehrte [am 17.05.1841] aber das väterliche Haus und damit auch die 70 fl. Wie mag der arme Kleine diesen Unglücksfall wohl ertragen haben! Ein neues Haus wurde nun gebaut. Bei diesem Baue half der kleine Bastl [er war bereits über 20] fleißig mit als Arbeiter. Mit welchen Gefühlen mußte er wohl da mitgeschafft haben! Als es fertig war, verschwand er aus einmal, ohne etwas mit sich zu nehmen und siehe diesmal fand er wohlthätige Freunde und zwar zunächst den Kaplan Merkle, und so gelang es ihm, im Jahre 1848 das Gymnasium zu Dillingen zu absolvieren. Aber zur Erfüllung seines Herzenswunsches fehlte noch viel. Noch zwei böse Jahre hatte der kleine Bastl durchzumachen. Endlich erhielt er eine Freistelle im Georgianum zu München, wo es für ihn – wie er selbst in spätem Jahren noch oft erzählte – alle Tage Kirchweih gab. Nach zwei weitern Jahren wurde er 1852 zum Priester geweiht. Der kleine, „borschtige“ Bastl, der ehemalige Knecht und Webergeselle, er wurde im 31. Lebensjahre zum Priester geweiht und hatte das Glück, daß er am 26. August [24. August!] desselben Jahres in Ottobeuren seine Primiz feiern konnte. Die Kirche war dicht gefüllt. Aber niemand konnte damals ahnen, daß dieser Mann sich einen Namen machen werde in der ganzen Welt, daß er Bücher schreiben werde, die in alle Sprachen der Welt übersetzt würden, daß er nicht nur die Seele der Menschen, sondern auch die körperlich kranke Menschheit heilen werde. Er hat gestritten, gelitten, gestrebt und hat das Glück gehabt, auch zu erreichen, wofür er gestritten und was er erstrebt. Sebastian Kneipps Name ist mit ehernem Griffel eingetragen im Geschichtsbuche der Menschheit. Tausende von Geheilten nennen diesen Namen mit Dankbarkeit; Sebastian Kneipps Name ruht tief im Herzen von tausenden und abertausenden Armen, denen er ein Heim zu ihrer Gesundung gebaut. Wie er uns selbst erzählt, so war er als Weber wohl kräftig, aber als Student ging es ihm mit der Gesundheit sehr schlecht. Er wurde kränklich, durch und durch schadhaft und eine Schwindsucht war im Zuge. Durch das Wasser hat er sich kuriert und wurde eine derbe, kraftstrotzende, wetterfeste Gestalt. Es war ein Vergnügen, ihn zu sehen, wenn er vor seinen Zuhörern stand, seine Muskulatur zeigte, seine Hand wuchtig auf die Rednerbühne fallen ließ und sagte: „Dabei bin ich 73 Jahre alt und Ihr Jungen seid alle nix.“ Kneipp lebte sehr einfach. Im Sommer stand er um 4 Uhr, im Winter um 5 Uhr auf. Zuerst las er die heilige Messe, dann frühstückte er, Malzkaffee und Brot, und arbeitete dann den ganzen Tag unermüdlich, aber nicht für sich, sondern alles für die leidende Menschheit.

Seinem Charakter nach war Sebastian Kneipp mitunter im Verkehre ziemlich borschtig, und von einer göttlichen Grobheit. Ebenso einfach wie seine Nahrung und Kleidung, ebenso warmherzig und uneigennützig war er, ebenso goldig war sein Herz. Alles, was er sich erworben, gab er den Armen. Er war auch ehrgeizig, dieser sein Ehrgeiz bestand aber darin, daß die Wasserheilmethode in den Herzen der Anhänger und Ärzte Wurzel fasse. Wer ihn als Redner hörte, muß sagen, er hatte einen köstlichen Humor gehabt. Er wußte schön zu schildern und durch packende Beispiele seinen Zuhörern alles klar und begreiflich zu machen. Sein Humor war geradezu einzig dastehend und sein Witz so beißend, daß er oft alles mit sich riß. Und wenn einmal einer seiner Witze bei seinen Zuhörern ordentlich einschlug, was sehr oft geschah, dann stemmte er seinen Oberkörper in die beiden verkreuzten Arme, lehnte sich an die Tribüne und lächelte stillvergnügt seine Hörer an.

Kneipp war barmherzig, und diese Werke seiner Barmherzigkeit sehen wir wohl in Wörishofen, als: Kinderasyl, Kneippianum, Sebastianeum, an der Kaplanstiftung usw. Diese Bauten und Stiftungen geben ein beredtes Zeugnis ab, daß er nur für die leidende Menschheit alles gethan. Arm war er geboren, viel hat er erworben, arm an irdischen Gütern, reich aber an Verdienst ist er gestorben.

Kneipp war ebenso fleißig als Mensch, wie auch als Priester. In der Katechese war er ein pädagogisch durchgebildeter Mann. Er verstand es, in die Herzen der Kleinen wie der Großen, Frömmigkeit und religiösen Sinn einzupflanzen.

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Kneipp kam im Jahre 1855 als Beichtvater zu den Dominikanerinnen und 1880 wurde er Pfarrer von Wörishofen. Mit seinen Pflichten als Geistlicher nahm er es sehr ernst. Alle Beichten, Taufen, Kopulationen seiner Pfarrkinder nahm er selbst vor. Er war ein Muster eines strengen Priesters. Besondere Verdienste hat er sich auch durch die Predigten erworben. Oftmals predigte er an einem Tage zweimal. Und wenn irgendwo ein Priester verhindert war, die Predigt zu halten, so sprang er immer gerne und bereitwillig ein. Kneipp hat aber auch schön gepredigt. Seine Worte waren einfach, leicht verständlich, ungekünstelt, aber auch so gewaltig, so wuchtig, so überzeugend, daß man einfach mitgerissen wurde.

Wie der Priester Kneipp Arzt geworden, hat er oft schon uns selbst erzählt. Als Webergeselle war er kräftig und von Gesundheit strotzend, dann aber haben ihn Not und Entbehrungen jeglicher Art arg heruntergebracht. Dazu kam noch die ungewöhnlich große, geistige Anstrengung. Geholfen hat ihm von seinem Leiden die Wasserkur. Er bekam einst das Büchlein von Hahn in die Hände, las eifrig darin und begann dasselbe praktisch an sich selbst zu verwenden. Und siehe, es hat geholfen. In München kurierte er zwei Alumnen und wurde dort seiner Wasserliebe wegen „Der Eisbär“ genannt; seines bereits sehr fortgeschrittenen Alters wegen nannte man ihn aber auch allgemein „Vater Kneipp“. Als er nun Priester wurde, vergrößerte sich das Feld seiner Thätigkeit. Er kam zu den Kranken, um Beicht zu hören, er erteilte dabei auch Ratschläge, hatte Glück und seine Freude daran wurde immer größer. So wurde er bald, namentlich in Augsburg, als „Wundermandl“ bekannt. Wiederholt äußerte sich Kneipp, er werde nichts mehr thun, da man ihm schon damals Schwierigkeiten in den Weg zu legen suchte. So oft aber ein Leidender kam, so konnte es Kneipp nicht über sein Herz bringen, ihn wegzuschicken, und er half wieder. Sein ganzes Gerät bestand in Wörishofen in einer Gießkanne und einer Wasserwanne
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So wurde aus dem „Eisbären“ und „Wundermanndl“ nach und nach der Wunderdoktor von
Wörishofen. Die Zahl seiner Anhänger wurde immer größer und endlich drängte man ihn, er solle seine Erfahrungen schriftlich hinterlassen. Lange, lange hat es dazu gebraucht, endlich that er es doch, aber mit einem Hintergedanken. Er dachte nämlich sich dadurch Ruhe zu verschaffen. Aber weit gefehlt! In alle Sprachen der Welt wurden seine Werke übersetzt und jetzt pilgerte alles nach Wörishofen. Wörishofen wurde ein Wallfahrtsort. Kneipp war der Gesundheitsapostel. Er selbst hat nie den Anspruch gemacht, ein medizinisch gebildeter Mann zu sein, er hat den Ärzten immer den Vorrang gelassen; er wollte nur die leidende Menschheit heilen. So kam es, daß so viele Ärzte hierher kamen, ihm zuhörten, ihn unterstützten. Kneipp war dabei ein guter Diagnostiker. Er hatte einen scharfen Blick, schaute den Menschen von oben bis unten an und diktierte.

Kneipp ist und bleibt eine Autorität in der Wasserheilmethode. Und diesem Manne, der als
Mensch groß geworden, diesem Manne, der als Priester ein Beispiel für jeden andern ist, diesem Manne, der als Arzt bahnbrechend in der Wasserheilmethode seine eigenen Pfade wandelte, diesem Manne haben wir ein Denkmal gesetzt, das wir zu enthüllen im Begriffe sind.

So falle denn, du neidische Hülle, die du uns das Antlitz dessen verhüllt hast, den wir in Dankbarkeit und Verehrung schätzen. Du, Vater Kneipp, der du uns zu früh gestorben, der du von jenen lichten Höhen auf uns herabschaust, wir geloben dir, daß wir an dem, was du uns gelehrt, festhalten wollen, daß wir deine Lehren verbreiten wollen, dir zum Ruhme und zur Ehre und uns und der ganzen leidenden Menschheit zu Nutz und Frommen. Mögen unsere Nachkommen deine Verdienste noch höher schätzen, dann wird es besser werden mit der Menschheit. Wenn wir deine Lehren befolgen, wenn wir mäßig und einfach leben, dann wird das Heer der Unzufriedenen sich vermindern, dann wird es keine körperlichen und geistigen Schwächlinge geben. Möge bald der versöhnende Tag kommen, wo auch du als glänzender Stern unter den Autoritäten der Medizin anerkannt wirst. Das walte Gott!

Rauschender Beifall seitens der Zuhörer lohnte die ebenso trefflichen als schwungvoll stilisierten Ausführungen des Herrn Dr. M. Koch und der Jubel wollte kein Ende nehmen, als [der] Redner schloß. Hierauf folgte nun die Huldigung der Kinder, wobei ein Knabe aus dem Kinderasyl und das Töchterchen des Herrn Oberingenieur Eckl aus Linz folgende Gedichte schwungvoll zum Vortrage brachten und je einen Kranz niederlegten.

Was soll das festliche Gepränge
Im stillen Dorf im Schwabenland,
Wo eine froh gestimmte Menge
Zum Feste sich zusammenfand?

Ein Denkmal gilt es zu enthüllen
Für einen großen, edlen Mann,
Den Kindeswort und Kindesstimme
Gebührend nimmer preisen kann.

Doch wehrt es nicht uns armen Kindern,
Schenkt Anteil uns an eurer Lust,
Denn sind auch schwach noch uns're Kräfte
So wohnt doch Dank in uns'rer Brust.

O hohe Lust, ein Fest zu feiern,
Zu dem der Dank, die Liebe eilt!
O traurige Lust, denn unser Vater
Nicht mehr in uns'rer Mitte weilt!

In nimmer müder Liebe hat er
Ein traulich' Heim für uns erbaut,
Nachdem der armen Kinder Leiden,
Der Eltern Kummer er geschaut.

Drum, Vater Kneipp, wo man dich lobet,
Die Güte preist des Herzens dein,
Da dürfen des Asyles Kinder
Wohl sicher nicht die letzten sein.

Nimm, Vater Kneipp, den Zoll des Dankes,
Den schwacher Kinder Mund dir beut,
Und dieser Kranz an deinem Denkmal,
Er sprech' von uns'rer Liebe heut'!
Nik. Jungl.

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Unserm Vater Kneipp!
So lasset jetzt uns, die Kinder, heran,
Uns Kleinen sei es beschieden,
In herzlichen Worten zu feiern den Mann,
Der unsere Herzen im Sturme gewann
Durch sein unendliches Lieben!

Ein Schalk in der Lust, ein Freund in der Not,
Das Kinderherz hat er verstanden;
Er hat sich gefreut, wenn die Wängelein rot,
Stand ernst am Bettlein und wehrte dem Tod
Und hielt ihn in ehernen Banden.

Er schrieb uns auch Bücher und gab darin
Den Eltern viel goldene Lehren,
Wie sie mit Vernunft und rechtem Sinn
Zu uns'rem und künftiger Enkel Gewinn
Uns pflegen sollten und nähren.

Wie treulich uns Kinder er nahm in Hut,
Hat auch seine Stiftung bewiesen;
Im „Kinderasyl“ eine Fülle ruht
Von Herzensgüte und Edelmut,
Von Eltern und Kindern gepriesen.

Und was er sinnend und prüfend fand,
Sein ‚Testament‛ ließ er uns erblich.
Wie sehr es auch leuchte durch hellen Verstand
Und Licht verbreite durch Meere und Land:
Die Liebe macht ihn unsterblich.

Drum wollen wir Kinder in trautem Verein
Den Stein des Edlen bekränzen.
Die Blumen, die wir ihm liebend weih'n,
Sie sollen ein Bild des Verklärten sein:
Sie nützen ja, ohne zu glänzen.

Und wenn sie auch welken, die Kinder der Flur,
Er lebt in der Liebe Gedächtnis.
Wie welkend sie bergen die Kraft der Natur
So verwehet kein Sturm seines Schaffens Spur:
Er lebt durch des Geistes Vermächtnis.

Hierauf trat der Vertreter des Straßburger Kneipp-Vereines vor und sagte, er sei aus weiter Ferne gekommen, um die Liebe und Dankbarkeit seines Vereines durch Niederlegen eines Kranzes zu bezeigen und angesichts des Denkmales das Gelöbnis abzugeben, daß der Straßburger Kneipp-Verein immer und unentwegt ein treuer und nie ermüdender Anhänger der Lehren Kneipps sein werde, damit sie getragen werden in alle Welt hinaus. Nun folgte die Huldigung der Frauen durch Vortragen eines Gedichtes und Niederlegen eines Kranzes seitens einer Dame.

Im Namen des Kneipp-Vereins Stuttgart legte der Vertreter desselben am Denkmal einen schönen Kranz nieder, indem er sagte das Denkmal soll ein Ansporn sein zu frischer Thatkraft für die Verbreitung der Lehren des großen Wasserapostels. Ferner ließ noch der Kneipp-Verein Reutlingen einen schönen Kranz niederlegen. Nun trat der Vertreter des Kneipp-Vereines Feuerbach in Württemberg, Herr Sigle, vor und sagte, daß die Württemberger die ersten gewesen seien, die erkannten, was das Wasser helfe. Deshalb erfülle er nur eine Ehrenpflicht seines Vereines, wenn er in dessen Namen einen Kranz niederlege an die Stufen des Monumentes desjenigen Mannes, der die Wasserheil-Methode zu so großer Verbreitung gebracht.
Herr Oberingenieur Ekl legte nun im Namen des Linzer Kneipp-Vereines einen Kranz nieder und schloß seine Ausführungen mit den Versen:
Von hier, wo des Meisters Wiege stand,
Erklingt der Ruf von Land zu Land:
Der Kneipp'schen Sache dreimal Heil
Im Kampfe gegen Mißgunst und Urteil!

Den Schluß der Huldigungen bildeten noch einige Ausführungen des Herrn Pfarrers Stückle seitens des Stamm-Kneipp-Vereines Wörishofen. Redner sagte, daß er angesichts des schönen Monumentes einige Worte richten wolle an die Versammelten als Vorstand des Stamm-Kneipp-Vereines und als einer der ältesten Kurgäste, der schon im Jahre 1870 zu Kneipp Zuflucht genommen und Heilung gefunden habe. Da, wo wir stehen, ist die Heimat meines unvergeßlichen Meisters und Freundes gestanden. Feuerglut hat alles verzehrt. Das Denkmal (aere perennius [dauerhafter als Erz]) soll aber Jahrhunderte überdauern. Und wenn auch dasselbe im Laufe der Zeiten schadhaft oder gar zerstört werden sollte, die Liebe, die ich im Herzen trage, die soll und wird niemals enden, und seine Lehren sollen länger dauern, als dieser Stein.

Der hochwürdige Pfarrer von Ottobeuren [Pater Wilhelm Obermayr] drückte nun nochmals den tiefstgefühlten Dank seitens der Stephansrieder Gemeinde allen denen aus, die heute hergeeilt sind, um ihren großen Sohn zu feiern, aber auch allen denen, die ein Scherflein zur Errichtung dieses schönen Monumentes beigetragen haben.

Als letzter Redner trat Dr. [Alfred] Baumgarten auf, indem er ungefähr folgendes sagte:
Wenn ich hier zwar keinen Kranz niederlege, so ist mein Herz doch mächtig bewegt, wenn ich der Tage gedenke, die hinter uns liegen. Eine sonderbare Fügung, es war am 24. August vor 5 Jahren, als wir zum ersten Male hierher pilgerten, um die Heimat des großen Kneipp kennen zu lernen. Zu meiner größten Freude ist dieser Ausflug entstanden auf meine Anregung hin. Kneipp wollte, als ich ihm diese Bitte vortrug, lang nicht nachgeben, endlich that er es und wählte als Tag dazu den 24. August, die Wiederkehr seiner Primiz. Es mochten wohl über 400 Kurgäste gewesen sein, die damals hinauszogen, um sich zum ersten Male die Heimat Kneipps anzusehen. Auch heute beschleicht einen ein Gefühl, man weiß nicht was und woher es kommt. Man kann es nicht in Worte kleiden. Es muß uns allen enge sein, denn er fehlt, er fehlt einem jeden von

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uns; das ist die Thräne der Trauer, die uns jetzt ins Auge tritt, die niemand unterdrücken kann. Selbst die Kinder des sprossenden Frühlings und des schwellenden Sommers, sie können uns nicht Hinwegtäuschen über das tiefe Leid. In seinen weiteren Ausführungen gedachte nun Redner der großen Verdienste, die sich Kneipp um die ganze Menschheit erworben, er gedachte ferner seiner ausgezeichneten Charaktereigenschaften und legte zum Schlüsse im Namen des internationalen Kneipp-Ärztevereins das Versprechen ab, an Kneipps Lehren festzuhalten immerdar und zur Verbreitung derselben alle seine Kräfte zu verwenden.

Nun übergab Dr. M. Koch in feierlicher Ansprache dem Gemeindevorsteher von Stephansried das Denkmal in die Obhut, worauf derselbe seitens Stephansried dankte. Außerdem hatten Deputationen geschickt: Das Kurhaus [Sebastianeum] die Brüder Richard und Liborius; das Kinderasyl die Schwestern Alipia und Wolfholda, den Hausgeistlichen Jungl und etwa 20 Kinder; das Kneippianum die Schwestern Leopoldine (Oberin) und Henedina.

Den Schluß dieser äußerst gelungen und würdig verlaufenen Feier, die gegen 12 Uhr endete, bildete der Vortrag eines Beethovenschen Liedes. Nach der Feier bestieg man wieder rasch die Wagen, um nach Ottobeuren zu fahren, wo das gemeinschaftliche Mittagsessen eingenommen wurde. Bei demselben toastierte Dr. Koch auf alle, die zur Errichtung des Denkmales beigetragen, und auf die Einigkeit in der Kneipp-Sache, Dr. Baumgarten auf die Comitémitglieder, besonders auf Präsidenten, Dr. M. Koch, u. a.
Die Rückreise nach Wörishofen vollzog sich in bester Ordnung.

[Ende der Abschrift, Helmut Scharpf, 09/2023]

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Baumgarten kam am 12.08.1892 von Koblenz nach Wörishofen. Er war an der Errichtung etlicher Kneippdenkmäler beteiligt. Im Buch
Betz, Isa-Maria: Wörishofen wird Weltbad. Dr. Alfred Baumgarten 1862 - 1924. Sebastian Kneipps Badearzt, Konrad-Verlag Weißenhorn, 2011, 261 S., ISBN 978-3-87437-476-7
schreibt Frau Betz über die Vorgeschichte auf S. 140:
Bereits im April 1895 hat sich unter Baumgartens Leitung ein Komitee gebildet, das die Kurgäste zu Spenden für ein Kneippdenkmal in Stephansried aufrief, Kneipp hatte sich damals aber widersetzt [1]. Am 3. September 1898 versammelten sich ca. 300 Personen zur Enthüllung des inzwischen fertiggestellten Denkmals an Kneipps Geburtsort. Nach der Festrede des Präsidenten des Denkmalskomitees spricht auch Baumgarten: Er selbst hat die Anregung zum ersten Ausflug nach Stephansried gegeben, als er Kneipp 1893 riet, den Kurgästen das Dorf zu zeigen [2]. Im Namen der Kneippärzte legt er an diesem Denkmal ein Versprechen ab: Zu seiner Ehre und ihn folgend, werde ich mich weiter bemühen, ruhig und zielbewußt fortzuarbeiten.[3]
[1] Wörishofer Blätter, Wörishofen – München, 6 Nr. 230, 12.05.1895, S. 149
[2] Wörishofer Kuranzeiger, Wörishofen, 9 Nr. 17 (219), 06.09.1898, S. 4
[3] dito, S. 5
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gebrochener Granit Tübingen
Pater Wilhelm Obermayr

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Der auf der Mehrbildkarte angegebene 24.8. ist kein Zufall: Die Ausflüge der Wörishofener fanden damals zum Primiztag, nicht zum Jahrestag der Enthüllung oder zum Geburtstag statt.
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Zeitungsberichte:
Ottobeurer Wochenblatt Nr. 35 vom 01.09.1898, S. 1:
Bekanntmachung. Am Samstag, den 3. September findet in Stephansried die feierliche Enthüllung des Kneipp-Denkmals statt. Um 8 Uhr ist dort Gottesdienst.

Dito, S. 4:
Wörishofen, 28. Aug. Am 3. September wird die feierliche Enthüllung des Kneipp-Denkmals in Stephansried stattfinden, an welchem Akte sich zahlreiche Curgäste und auswärtige Verehrer des verstorbenen Prälaten Kneipp betheiligen werden. Jenen, welche nicht gewillt sind dem Mittagsmahle in Ottobeuren beizuwohnen, ist Gelegenheit gegeben mittels Extrazug bereits 12 Uhr Mittags wieder in Wörishofen zu sein.

Ottobeurer Wochenblatt Nr. 36 vom 09.09.1898, S. 3:
Stephansried 3. September. Das kleine Dörflein Stephansried ist weit und breit bekannt geworden als Geburtsort des weltberühmten Pfarrers von Wörishofen, Sebastian Kneipp. Sein Geburtshaus steht nicht mehr, es wurde ein Opfer der Flammen. An demselben Platze, wo es gestanden, haben die Verehrer Kneipps nun ein prächtiges Denkmal setzen lassen. Es ist ein Obelisk aus Granit, der mit dem mächtigen Sockel etwa 8 Meter hoch sein mag. Die Vorderansicht trägt das gut getroffene Relief der Büste Kneipps und die Inschrift: „Monsignore Sebastian Kneipp“, die Rückseite eine Gießkanne mit Kräuterbüschel und die Inschrift: „Ihr Gewässer alle lobet den Herrn“. Die beiden anderen Seiten haben die Inschriften: „Hier stand das Geburtshaus Sebastian Kneipps 1821 - 1897“; „Errichtet von seinen Verehrern.“
Heute fand die feierliche Enthüllung des Denkmals statt. Auf den verschiedenartigsten Vehikeln und teils zu Fuß hatten sich die Freunde der Kneippsache und große Scharen aus Wörishofen in Stephansried eingefunden. Um ½ 10 Uhr zelebrierte der Pfarrer von Ottobeuren, Pater Wilhelm, eine hl. Messe und richtete einige herzliche Worte an die Anwesenden, erinnernd, wie Kneipp durch die Restaurierung dieses Kirchleins sich selbst ein Denkmal gesetzt und wie er stets bei seinen Kranken auch des Höhern, des Heiles der Seele, gedacht habe. Von der Kirche stieg man den Hügel hinan und sammelte sich am Denkmale. Nach dem Lied: „Das ist der Tag des Herrn“, hielt Gymnasialrektor Koch aus Budweis die Gedächtnisrede auf Kneipp, in welcher er ein herrliches Lebens- und Charakterbild Kneipps entwarf. Ja, so war Kneipp, wie ihn der Festredner in beredten Worten zu schildern verstand. Er schloß mit dem Wunsche: „Möge der Tag kommen, wo Du als hell glänzender Stern auf dem Gebiete der Medizin allgemein anerkannt wirst. Das walte Gott.“
Zwei Gedichte, von Kindern vorgetragen, sprachen dem Verewigten den Dank der Kinder aus für seine Liebe zur Kinderwelt und für das Heim, das er den kranken Kindern gestiftet. Sodann wurden viele Kränze und Bouquete am Denkmal niedergelegt. Dr. Baumgarten aus Wörishofen gab noch den Gefühlen der Verehrer Kneipps Ausdruck, legte vor dem Bilde Kneipps namens der Kneippärzte das Gelöbnis ab, stets im Sinne Keipps zu wirken und mahnte zur Einigkeit. In seinem Schlußwort übergab Gymnasialrektor Koch das Denkmal der Ortsgemeinde, die in ihrem Vater Kneipp stets ein Vorbild haben und durch Fleiß, Einfachheit und Gottesfurcht ihm nachstreben möge. Der Chor: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ schloß die Feier.

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Urheber

vermutlich Rudoph Zimbelius

Quelle

Michael Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1898-09-04