1850 - 59 – Die Jahrgangsbände des „Ottobeurer Wochenblatts“

Titel

1850 - 59 – Die Jahrgangsbände des „Ottobeurer Wochenblatts“

Thema

Ottobeurer Wochenblatt, Zeitung

Beschreibung

DasOttobeurer Wochenblatt der 1850er Jahre in textdurchsuchbaren Scans zum Download. Die Zeitung war – wie in den Jahrzehnten davor – mehr oder weniger ein Amtsblatt, aus dem bei genauem Hinsehen dennoch auch das Leben vor Ort erfahrbar wird. Die Ausgaben waren i.d.R. vierseitig, manchmal gab es Beilagen (anders als z.B. die Ausgaben der 1840er Jahre). Die Zeitung dieses Jahrzehnts dürfte vollständig vorliegen.

Einige wenige Beobachtungen:
Über das sog. „Carrington-Ereignis“, dem von Richard Carrington beschriebenen Sonnensturm Ende August / Anfang September 1859, wurde im Ottobeurer Wochenblatt nicht berichtet. Polarlichter waren bis Rom sichtbar, auf der Nordhalbkugel wurden wegen der hohen Spannungen Papierstreifen in den Empfängern von Telegrafenleitungen in Brand gesetzt.

Ab 1859 wird als Monatsbezeichnung nicht mehr der – heute noch in Österreich übliche – Begriff „Jänner“ verwendet, sondern „Januar“. Kurioserweise auch schon im Januar 1857.

Die Titelseite dieses Eintrags im virtuellen Museum zeigt eine Statistik zu den Sparkassen-Einlagen – ein Blick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten, ebenso wie die wöchentliche Angabe der Schrannenpreise.

11.02.1858: Verzeichnis der im Jahre 1858 von den Gemeinden gewählten Distriktsraths-Mitglieder, was heute dem „Kreisrat“ entsprechen würde. Darunter: Mahler Georg, Marktgemeindevorsteher und Uhrmacher in Ottobeuren, für Ottobeuren. Mahler war gleichzeitig unser Bürgermeister.

Vieles lohnt den genaueren Blick: Todesanzeigen, Danksagungen, Geburten, Trauunungen, kurioses Themen wie in der Ausgabe vom 29.07.1858 das „Verzeichniß der Impfkosten im Polizeibezirke Ottobeuren pro 1857/58“ mit der Zahl der „gelungenen Impfungen“ pro Ort. (Es ging um die Pockenimpfung; pdf S. 126.)

Wer meint, wir hätten heute zu viel Bürokratie, der schaut am besten mal die Titelseite der Ausgabe vom 05.08.1858 an „Herstellung eines Verzeichnisses sämmtlicher Jagdpächter betreffend“. Oder in Ausgabe Nr. 35 vom 02.09.1858 folgende königliche Verordnung:
Königlich Allerhöchste Verordnung, das Cursverhältniß der im Conventionsfuße ausgeprägten Zwanzig- und Zehnkreuzerstücke betreffend.
Maximilian II. von Gottes Gnaden König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und in Schwaben etc. etc.
Wir finden Uns bewogen, in Hinblick auf die mit den übrigen Regierungen des süddeutschen Münzvereines gepflogenen Verhandlungen bezüglich des ferneren Umlaufes sowohl der Zwanzig- und Zehnkreuzerstücke österreichischen, als der gleichen Münzstücke süddeutschen Gepräges zu bestimmen und zu verordnen, was folgt: (…) Es folgt ein lange Liste an Bestimmungen, die kaum zu durchblicken ist!
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Die Bauernproteste 2024 richteten sich gegen die Vielzahl von Regelungen und Berichtspflichten (insb. durch die EU und die Bundesregierung). Die Ollarzrieder Weideordnung macht deutlich, dass schon 1859 die Landwirtschaft bis ins Kleinste reglementiert war:
Ottobeurer Wochenblatt, 9.12.1859, S. 2:

Die Einführung von Weide-Ordnungen betr.
Unter Bezugnahme auf das landgerichtliche Ausschreiben vom 23. Oktober vorigen Jahres wird im nachstehenden Abdrucke die von der Gemeinde Ollarzried beschlossene und nach vorgenommener Revision von der unterfertigten Distriktopolizeibehörde festgesetzte Weide-Ordnung zur Darnachachtung öffentlich bekannt gemacht.
Ottobeuren, den 27. Novbr. 1859.
Königliches Landgericht.
Gruner, Landrichter.

Weide-Ordnung für die Gemeinde Ollarzried.
Die Fluren der Gemeinde Ollarzried sind seit Jahren ganz arrondirt, und wird das Einzelnhüten unter folgenden Bestimmungen gestattet:
1. Jedem Guts- und Grundbesitzer steht es frei, seine eigene Weide zu benützen oder nicht.
Weide auf fremden Boden ist verboten. Jeder Austreibende hält sich seinen eigenen Hirten, zu welchen jedoch nur verläßige den gesetzt. Vorschriften angemessene Personen genommen werden dürfen.
2. Das Auslaßen der Viehstücke ohne Hirten, das Nachtweiden, das Abfretzen der Feldraine zwischen angesäeten Äckern, das Austreiben während des sonn- und festtäglichen Hauptgottesdienstes ist unbedingt verboten. Ebenso darf krankes Vieh nicht auf die Weide geschickt werden.
3. Über den Beginn der Weidebenützung kann eine gewiße Bestimmung deshalb nicht getroffen werden, weil die bergigte Lage der Gemeindeflur bezüglich der Vegetation-Linie zu verschieden ist, und auch nicht selten das Futter recht frühe zu Ende geht.
Die Weide darf Tag für Tag nicht länger als bis zur Abendglocke ausgeübt werden.
Die polizeilichen Aufsichtsorgane sind angewiesen, die durch das königl. Landgericht festgesetzte Weideorduung strenge zu überwachen, und Dagegenhandelnde unnachsichtlich zur Anzeige zu bringen.
Beschloßen, Ollarzried den 17. Jänner 1859.
Die Landgemeinde-Verwaltung.
Schwank, Vorsteher.
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Die Regelungswut betraf auch das Heiraten:
Ottobeurer Wochenblatt vom 1. September 1859
Auszug aus der allerhöchsten Verordnung vom 12. Juli 1808 „die Beförderung der Heirathen auf dem Lande betreffend.“ (Regierungs-Blatt vom Jahr 1808 S. 1505 f.)
Ziff. 16. „Da wir durch gegenwärtige Verordnung alle zulässigen Verheirathungen im Lande möglichst begünstigen, so bleibt es den Unterthanen streng verboten, Ehen außer Landes einzugehen.“
„Alle außer Landes geschlossenen Ehen sollen als ungiltig [ungültig] angesehen werden.“
Ziff. 17. „Wer sich des Verbotes ungeachtet außer Landes trauen läßt, soll bei seiner Rückkehr neben den Wirkungen der Ungiltigkeit seiner eingegangenen Ehe, noch mit einer Gefängnißstrafe von einem Monat belegt werden, wovon er die Kosten zu bezahlen oder abzudienen hat."

Auszug aus dem Gesetze über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825 §. 8 Ziff. 4, welche nach der Gesetzes-Revision vom Jahre 1834 in Gesetzes-Kraft geblieben ist.
(Gesetzblatt vom Jahre 1825 S. 120.)
Die Verbote unerlaubter Verehelichung außer Landes bleiben fortan in Wirksamkeit, jedoch mit der Abänderung, daß an die Stelle der bisher ausgesprochenen Gesängnißstrafe bloßer Polizei-Arrest treten soll.“
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Nochmals Ottobeurer Wochenblatt vom 1. September 1859:
Blei-Intoxikation durch Schnupftabak betreffend
Immerhin gab sich der Staat im Sinne des Verbraucherschutzes auch fürsorglich. Das Bayerische Innenministerium war 1859 der Frage nachgegangen, ob die in Blei oder in verzinntem Blei verpackten Schnupftabake Blei enthalten und ob dieser Bleigehalt durch das Verpackungsmaterial in den Tabak gelange und damit eine Blevergiftung verurschen könne, haben „zur bestimmtesten Bejahung dieser beiden Fragen geführt“.
Daraufhin verbot man bleihaltige Verpackungen.

Zur Aufrechthaltung dieser Anordnung sind die vorschriftsmäßigen zeitweisen Visitationen der Tabaks-Verkaufslokals auch auf die genaue Controle der Verpackungsweise des Schnupftabaks auszudehnen, und ist beim Vorfinden einer verbotwidrigen Verpackung unnachsichtlich gegen die betreffenden Handelsleute mit angemessener Strafe, und insbesondere auch in dem Falle, wenn bei der chemischen Untersuchung der Tabak bereits Bleigehalt zeigt, mit der Confiskation [Beschlagnahmung] vorzuschreiten. Hienach haben die köngl. Regierungen das Weitere zu verfügen.
München, den 14. August 1859.
Auf Seiner Königl. Majestät Allerhöchsten Befehl

In der Ausgabe des Ottobeurer Wochenblatts vom 29.12.1859 ging es zusätzlich auch um Kaffee-Verpackungen: „Verkauf von Kaffeesurrogaten in Blei und bleihaltigem Zinn betr.“
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Aus den vorhin erwähnten Mitteilungen der Pfarrei Ottobeuren sei auf die Beilage zum Ottobeurer Wochenblatt Nr. 42 vom 21.10.1858 hingewiesen. Sämtliche Verstorbenen waren Babys bzw. Kleinkinder!
Geburts= Trauungs= und Sterbe=Anzeigen der Pfarrei Ottobeuren im Monate September 1858.
Gestorbene: Am 3. Franziska, d[es]. V[aters]. Jos. Maurus, Sailer von hier 24 Wochen alt, Abzehrung. – Am 4. Josepha, d. V. Joseph Augstwurm, Weber von Ottobeuren 8 Monat alt, Abzehrung. – Am 7. Anton, d. V. Franz Sales Welte, Söldner von Stephansried, 17 Wochen alt,
Abzehrung. – Am 9. Magdalena, d. V. Johann Schindele, Maurer v. h. 17 Tage alt, Schwäche. – Am 16. Ein Knäblein, nothgetauft, d. V. Lorenz Huber, Weber von hier ½ Stunde alt, Schwäche. – Am 24. Thomas, d. V. Joseph, Schwank, Bauer von Reuthen, 18 Wochen alt, Diarrhöe.
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Eine Meldung aus dem Ottobeurer Wochenblatt, 29.12.1859, S. 2 f. (Gesamtseitenzahl 207 f.) sagt viel über das gesellschaftliche Leben der damaligen Zeit aus:
Das sogenannte Heimgartengehen der Dienstboten beiderlei Geschlechts auf dem Lande betr.
(Kreisamtsblatt 1858 S. 1524.)
An sämmtliche Gemeinde-Vorsteher.
Die Gemeindevorsteher erhalten den Auftrag, die der allerhöchsten Verordnung vom 21. Dezbr. 1858 entnommenene Bestimmung, welche unten beigedruckt ist — in ihren Gemeinden öffentlich bekannt zu machen, und sind allenfallsige Übertretungen dieses polizeilichen Verbotes sogleich zur weitern Einschreitung dahier zur Anzeige zu bringen.
Ottobeuren den 4. Dezbr. 1859.
Königliches Landgericht.
Gruner, Landrichter.

Nächtliches Schwärmen, sogenanntes Gäßl- oder Kammerfenstergehen, Besuch von Kunkelstuben, unanständiger Verkehr beider Geschlechter, Besuch von Wirthshäusern, Tanzplätzen und Belustigungsorten zu unerlaubten Stunden, Umgang mit böser oder verdächtiger Gesellschaft sind jedem Dienstboten untersagt, und an diesem nach Umständen mit Arreststrafe zu beahnden.

Wirthe, sonstige Gewerbtreibende und Private, welche die Übertretung dieser Anordnungen bei sich wißentlich gestatten, so wie Dienstherrschaften, welche dergleichen Unfug durch ungeeignete Nachsicht, und unterlaßener Anzeige bei der Obrigkeit begünstigen, unterliegen einer Geldstrafe anstatt welcher in besonders schweren, und in wiederholten Rückfällen nach Umständen auch auf Arrest erkannt werden kann.
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Ottobeurer Wochenblatt 1850 (pdf, 223 Seiten, 207 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1851 (pdf, 217 Seiten, 198 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1852 (pdf, 229 Seiten, 217 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1853 (pdf, 221 Seiten, 204 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1854 (pdf, 230 Seiten, 212 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1855 (pdf, 231 Seiten, 214 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1856 (pdf, 219 Seiten, 208 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1857 (pdf, 230 Seiten, 216 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1858 (pdf, 224 Seiten, 184 MB)
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Ottobeurer Wochenblatt 1859 (pdf, 224 Seiten, 195 MB)
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Die Originale wurden dankenswerterweise von Heidi und Hans Kraft zur Verfügung gestellt. Zusammenstellung / Scans: Helmut Scharpf, 02/2024

Urheber

Johann Baptist Ganser

Quelle

Heidi und Hans Kraft

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1850-01-03

Rechte

gemeinfrei