24.09.2023 – Sir Simon Rattle dirigiert die „Schöpfung“ in der Basilika Ottobeuren

Titel

24.09.2023 – Sir Simon Rattle dirigiert die „Schöpfung“ in der Basilika Ottobeuren

Beschreibung

Ein Star ohne Starallüren. Mit Simon Rattle kam einer der bekanntesten Dirigenten unserer Zeit nach Ottobeuren, um mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Basilika Ottobeuren das Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn auzuführen. Allein sieben Artikel waren in der Memminger Zeitung dazu abgedruckt, immer mit Foto des 68-jährigen Deutsch-Briten und ausführlichen Informationen und Interviews. Trotzdem gab sich Rattle nahbar, erfüllte bereitwillig alle Autogrammwünsche und scherzte mit seinen Fans. Gerade war seine Stelle beim London Symphony Orchestra ausgelaufen. Am 3. Januar 2021 hat er zugunsten seines neuen Engagements den seit September 2023 gültigen Fünfjahres-Vertrag unterschrieben. Mit überwältigender Mehrheit hatten sich die Musikerinnen und Musiker für ihn ausgesprochen. Damit wurde einer der begehrtesten Dirigenten der Welt Nachfolger von Mariss Jansons.

Die Aufführung am 24. September 2023 sollte zu einer musikalischen Sternstunde werden. Erstmals wurde ein Basilikakonzert live übertragen, aus produktionstechnischen und Timing-Gründen war das 110-minütige Konzert lediglich um 30 Minuten auf 3sat versetzt zu sehen. Wer nicht zu den 1816 Kartenbesitzern gehörte, kann es sich in der Mediathek noch bis zum 23. März 2024 abrufen. Und das lohnt sich: Anders als die Konzertbesucher zeigten die acht Kameras die Mimik und Gestik des Dirigenten, der Solisten und einiger Musiker in Nahaufnahme. Die Akustik in der Basilika ist live durchaus etwas hallig, für Aufnahmen jedoch perfekt geeignet. Schon drei Tage zuvor reisten fast 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks an, um ab Freitagfrüh Gerüste für die Kameras zu bauen, Mikrofone zu positionieren oder Kabel zu verlegen. Die Bildregie unter Elisabeth Malzer nutzte die wunderbaren Deckenfresken der Abteikirche thematisch passend aus und präsentierte sie in Nahaufnahmen. Für Ottobeuren war Rattles Besuch nicht nur eine besondere Ehre, sondern stellte freilich auch einen unbezahlbaren Werbeeffekt dar.

Viele große Dirigenten kam seit 1949 nach Ottobeuren, da wollte auch „Sir Simon“ nicht nachstehen. Er hatte erst acht Tage zuvor seinen Dienst in München angetreten und im Herkulessaal die Schöpfung zweimal aufgeführt; sein erstes auswärtiges Gastspiel fand auf Rattles Wunsch hin in Ottobeuren statt. Bereits in seiner Zeit als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker (1999 - 2018) hätte er bei uns fast schon ein Gastkonzert gegeben, hätte der Hauptsponsor des weltberühmten Orchesters damals nicht ganze 500 Freikarten verlangt. Zum Thema Starallüren erklärte der Leiter des Touristikamts Ottobeuren, Peter Kraus: „Ich nehme an, dass Rattle wie alle wirklich Großen zufrieden ist mit dem, was wir ihm hinstellen. Es sind eher die Möchtegerns, die Sonderwünsche haben und etwa nur bestimmte Wasser- oder Schokoladenmarken akzeptieren.“ Die kleine Bilderserie nach dem Konzert an der Klosterpforte mit Peter Kraus und Florian Seitz bei der Überreichung einer Präsent-Schachtel mit „Ottobeurer Sekt“ (mit der Basilika auf dem Etikett) spricht für sich.

Warum der neue Chefdirigent ausgerechnet Haydns Schöpfung auswählte, stellte Rattle in der Saisonbroschüre des Orchesters so dar: „In der Schöpfung steckt alles, die ganze Welt. Sie ist ein Blick zurück und weit in die Zukunft dessen, was Musik alles sein kann. Sie ist Gleichgewicht und Revolution zur selben Zeit, ein Stück Aufklärung eben.“ Joseph Haydns Bericht von den ersten Tagen des Himmels und der Erde, wie es in der Bibel erzählt wird, ist eine Geschichte voller Dramatik mit all den Zutaten, die die Partitur musikalisch und textlich hergibt. Starke Kontraste, spannungsgeladene Erzählungen, Lautmalereien und viele Zuspitzungen: Simon Rattle zog mit den 60 Instrumentalisten, den ebenfalls 60 Sängern und den drei stimmstarken Solisten Lucy Crowe (Sopran), Benjamin Bruns (Tenor) und Christian Gerhaher (Bariton) so ziemlich alle Register der musikalischen Gestaltung.

Rattle erwies sich auch in den Wochen nach der Aufführung in Ottobeuren als „Mann des Volkes“. Das führte ihn nur eine Woche später erneut ins Unterallgäu, nach Benningen zu einer Probe der „Brass Band Unterallgäu“. Diese war unter 100 Bewerberinnen für das Projekt „Symphonischer Hoagascht“ des BR-Symphonieorchesters ausgewählt worden. Im Laufe eines Jahres gibt es dann immer wieder Begegnungen und Workshops mit den Laien und Profis bis hin zu einem gemeinsamen Abschlusskonzert unter Rattles Leitung im Juli 2024.

Fotos und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 10/2023

Urheber

Helmut Scharpf

Quelle

Helmut Scharpf und Zeitungsmedien

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2023-09-24

Rechte

gemeinfrei