01.05.2025 – Einweihung eines Gedenkorts zu den Bauernkriegen & Freiheitsrechten 1525 in Niederdorf
Titel
Beschreibung
Am 1. Mai 2025 wurde im Ortsteil Niederdorf der Gemeinde Wolfertschwenden an der östlichen Verlängerung der Mühlstraße ein „Gedenk-, Ruhe- und Kraftort“ eingeweiht, ca. 120 Besucher*innen nahmen teil. Die Initiative ging vom Heimatverein Wolfertschwenden aus, dessen Vorsitzender Matthias Bestle die Veranstaltung moderierte. Das Denkmal wurde vom Künstler Reinhard Blank gestaltet, der Heimatbund Allgäu war durch Karl Milz vertreten. Die erste Bürgermeisterin Beate Ullrich sprach ein Grußwort, für die musikalische Umrahmung sorgten die Ottobeurer Alphornbläser, Pfarrer Klemens Geiger nahm die Segnung vor.
Die Redebeiträge wurden tranksribiert und stehen unten zum Nachlesen zur Verfügung. Reinhard Blank erläuterte ausführlich, wie im Herbst 2023 die Idee an ihn herangetragen wurde, welche Überlegungen er sich dazu machte, er erklärte außerdem die Symbolik seines Kunstwerks.
Einen ausführlichen Redebeitrag leistete daneben Karl Milz, der Vorsitzende des Heimatbundes Allgäu. Der Verein beteiligte sich am Fördervorhaben eines Interreg-Projekts zu den Bauernkriegen („Courage“), die Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr 2025 begannen bereits in 2018.
Ein Stahlmast mit vier Metallfahnen, die in die vier Himmelsrichtungen weisen, bilden das Herzstück des Denkmals. Der Gedenkort wurde an einer wunderbaren Stelle gebaut, an der zudem eine Sitzgelegenheit zum Verweilen und Nachdenken einlädt, von der aus man einen schönen Blick über das Illertal hat.
Wolfertschwenden war mehrfach von den Ereignissen in 1525 berührt. Der Bauer Bernhart Claus aus Ober-Wolfertschwenden war beim Verfassen der Zwölf Artikel in der Memminger Kramerzunft maßgeblich beteiligt. Auf dem Weg Richtung Kempten schlug das Bauernheer südlich von Wolfertschwenden sein Lager auf – woran sein Herbst 2024 ein weiteres Kunstwerk erinnert.
Hier nun die Reden im Wortlaut:
Reinhard Blank:
Zunächst einen herzlichen Dank an Reinhard Bestle samt Team, einfach super, was ihr hier gemacht habt. Ihr habt nämlich selber mitgestaltet. Es ist einfach schön, wenn man sieht, dass eine Gemeinde noch so funktioniert, mit so einem Heimatverein. Also ganz vielen Dank! Jetzt wird’s aber ernst:
Freiheit und Gerechtigkeit – keine Frage des Windes. Eine Ortsmarkierung in Niederdorf.
Im Herbst 2023 überraschte mich Josef Kofler mit seinem Besuch in meinem Atelier. Wir sprachen eine Weile über sein Anliegen eines Gedenkortes zum Bauernaufstand 1525 und machten kurzfristig einen Ortstermin in Niederdorf aus. Ein paar Tage später unternahmen wir einen gemeinsamen Spaziergang, bei dem nun auch Herr Bestle mit dabei waren.
Unsere Wahl fiel auf diesen Ort, der am Jakobsweg liegt und ein weites Panorama bietet. Irgendwo unterhalb des Falkens – wo genau ist nicht festgehalten – sammelten sich die Söldner, um gegen die aufständischen Bauern in Richtung Kempten weiterzuziehen. Es sollte etwas entstehen, das wahrgenommen wird. Und auf die Geschichte der „Freiheitsartikel“ aufmerksam macht. Beiläufig erwähnte Herr Kofler, dass er sich eine Art „Ortsmarkierung“ vorstelle. „Ortsmarkierung“ ist auch ein guter Arbeitsbegriff, da er mit Orientierung zu tun hat.
Meine Gedanken zu dem, was jetzt entstanden ist, fasse ich in drei kurzen Abschnitten zusammen. Erstens: Die Frage nach der Moral und ihre Rechtfertigung als zeitloser Kern der Bauernartikel
Zweitens, die verwendete Symbolsprache
Und drittens ein Wort zum Schluss
Der erste Punkt: Was gibt einer Gesellschaft moralische Orientierung und wer oder was bestimmt die Koordinaten der Moral? Das Mittelalter definierte sich selbst als das Zeitalter der Mitte zwischen der Welt-Erschaffung durch Gott und ihrem Ende durch Gottes jüngstes Gericht. Für diese Zeit gilt: die Erde unter mir und das moralische Gesetz über mir. Heute sagen wir mit Immanuel Kant: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.
Die Not der Menschen führte dazu, die Machtansprüche von Adel und Klerus zu hinterfragen. Grundlage war die Autorität der Bibel. Das Ergebnis waren die Bauernartikel mit ihrer gesellschaftlichen Einforderung von Freiheit und Gerechtigkeit. Von hier aus wanderten 5.000 Söldner Richtung Kempten, um dieser Bewegung ein blutiges Ende zu bereiten. Die Verhältnisse in unserer Gesellschaft haben sich für die meisten Menschen zum Positiven gewandelt. Und nun können wir beobachten, dass wir jetzt selbst „unsere Burg und Kirche des Wohlstandes und der Freiheit“ vor denen schützen und abschotten möchten, die die Lasten unseres Wohlstandes tragen.
Die Entwicklung von eigenem Wohlstand verändert eben auch den perspektivischen Standpunkt und die eigene Stellung zu den ethischen Werten von Gerechtigkeit und Freiheit.
Für die Gestaltung dieses Ortes haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Aspekt der Vergangenheit – dem einstigen Eintreten und Kämpfen für Gerechtigkeit und Freiheit – einen Moment der Gegenwart zukommen lassen wollen. So ist hier die Gestaltung zu verstehen als eine Brücke zur Vergangenheit.
Ich komme zum zweiten Punkt: Die verwendete Bild- und Symbolsprache reicht in die Antike zurück und war im Mittelalter geläufig. Ihre Anordnung in meiner Spielart thematisiert das Kernproblem der Ethik, dass es zu einem Widerstreit zwischen persönlichen Freiheitsvorstellungen und Gerechtigkeit kommen kann. Doch nur beide zusammen – Freiheit und Gerechtigkeit – können die ethischen Koordinaten und Grundlagen unserer Gesellschaftsform bilden. Es ist nicht allein die Idee der Freiheit. Sie als einzige Orientierungskoordinate wäre das freie Spiel und die Macht des Stärkeren. Eine offene und demokratische Gesellschaft versucht, ein Gleichgewicht herzustellen oder zu halten zwischen dem Freiheitswunsch und der Selbstverwirklichung von Individuen und dem Freiheits- und Entfaltungsinteressen der anderen Menschen und Lebewesen.
Für die Freiheit stehen die Fahnen der Ost-West-Achse, mit zwei Vögeln. Der Begriff „vogelfrei“ ist uns bekannt. Der Vogel auf der Ostseite ist ein Falke, ein Raubvogel, die Westseite zeigt eine ahnungslose Taube. Die Ost-West-Richtung steht – wie im alten Sakralbau – auch symbolisch für den Lauf unseres Lebens, des Kommens und Gehens.
Das Symbol für Gerechtigkeit und Gerichtsbarkeit – die Waage – zeigt nach Norden. Der Norden stand im Sakralbau des Mittelalters für alles mögliche Böse, wo es etwas zu richten galt. Deswegen wurden unreine Personen und Straftäter auf alten Friedhöfen oft auf der Nordseite der Kirche bestattet. Die Bauern und Leibeigenen wollten über Gerechtigkeit reden und verhandeln.
Die spiegelnde Edelstahlfahne steht einerseits für das Reden – Reden ist Silber –, andererseits verweist sie als Spiegel den Betrachter auch auf sich selbst, mit Kant, auf das moralische Gesetz in mir. Die südliche goldene Fahne steht für die Wahrheit. Das Schwert war das Symbol der Philosophie in ihrem Kampf um die Wahrheit.
Der Satz „Schweigen ist Gold“ drückt die Unbestimmbarkeit von Wahrheit aus. Die Farbe Gold und das Schwert kann aber auch für den Adel und für die Fürstäbte stehen, denn sie erhoben für sich den Anspruch, von der Wahrheit begünstigt zu sein. Es galt deshalb die Regel, dass man den Adel für eine Frage um Erlaubnis bitten musste und sein Recht nicht in Frage stellen durfte. Der Platz selbst hat einen quadratischen Grundriss, das Quadrat steht symbolisch für die Erde. In den romanischen und gotischen Kirchen stand der Altar in der quadratischen Vierung. Es war der Ort der Vermittlung zwischen Himmel und Erde. Zu ihm gelangte man über vier Stufen, die für die vier platonischen Kardinaltugenden – Tapferkeit, Gerechtigkeit, Besonnenheit und Weisheit – standen. All diese symbolischen Formen und Bilder sind Bestandteil unseres kulturellen Erbes. Dadurch, dass sie uns zum Teil immer noch vertraut sind, regen sie – ohne Vermittlung – zu Gedankenspielen an.
Ich komme zum Schluss: Die Gefangenschaft im Zeitgeist. Sokrates macht in seinem berühmten Höhlengleichnis, das uns durch Platon überliefert ist, darauf aufmerksam, dass wir Menschen Gefangene in einer Höhle von Symbolen sind. Und diese Schattenwelt von Symbolen, die unseren Alltag wie auch die Kunstformen bestimmt und die unsere ganze Aufmerksamkeit an sich bindet, verstellt uns den Blick auf das wirkliche Leben. In dem Gleichnis lässt Sokrates einem Gefangenen die Fesseln abnehmen, um ihn aus dieser Schattenwelt von Symbolen zu führen, und schleppt ihn – trotz seines heftigen Widerstandes – zum Ausgang der Höhle, um ihm die wirkliche Natur, den Kreislauf der Sonne, die Schönheit des Lebens und ihre Zeitlichkeit zu zeigen. Die Symbole auf den Fahnen sind ausgeschnitten, damit wir durch sie hindurchblicken auf das reale Leben und die Unendlichkeit der Schöpfung, die etwas anderes ist als unsere Symbolwelt und ihr Schein von Bedeutung und Wichtigkeit.
Für das gläubige Mittelalter war es ein aus der Not geborener mutiger Schritt, als Bauern und Handwerkern mit den „12 Artikeln“ die Symbole irdischer Macht und von Kirche und Adel hinterfragten. Wie schwer es ist, ohne Not die Leitsymbole des eigenen Lebensstils zu hinterfragen, obwohl vieles davon für das Leben auf der Erde toxisch ist, das wissen wir alle. Auch in der Architektur und in der Kunst lassen wir uns vom Wind des Zeitgeistes in die Höhle ziehen und suchen hier individuelle Besonderheit, Geltung und Anerkennung. Wir können in dieser Schattenwelt von Symbolen keine Ruhe finden und unter den Konsequenzen leidet die Welt.
Es wäre doch schön, wenn sich viele Menschen losbinden lassen und hier auf der Bank verweilen, den Blick auf die Natur und den bestimmten Himmel richten. Wenn wir mit Abstand das Leben betrachten, kommen wir ihrer Realität näher und lassen dann vielleicht auch die Fragen nach Freiheit und Gerechtigkeit aufkommen. Denn Freiheit und Gerechtigkeit ist keine Frage des Windes! Vielen Dank.
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Karl Milz:
Danke, Matthias; ein herzliches „Grüß Gott“ an alle. Heimatpflege ist unsere Berufung und wenn man hier steht und in die Landschaft guckt: Was gibt es Schöneres als Heimatpflege? Es ist mir eine große Ehre und Freude, hier in Wolfertschwendenn ein Grußwort zu sprechen, zu euch und dem rührigen Verein und all denen, die hier mitschaffen. Wir befinden uns in 2025 in einem denkwürdigen Jahr: Vor 500 Jahren waren die Verhältnisse hier im Allgäu und weit darüber hinaus komplex. Die Entdeckung von Amerika war erst kürzlich – damit begann der weltweite Handel. Die Erfindung des Buchdrucks war erst kurz vorher – damit begann die erste Medienrevolution. Die Übersetzung der Bibel in deutscher Sprache rüttelte an den Fundamenten der Kirche – und es begann die Spaltung der Gläubigen.
Der Beginn der Territorialisierung der Herrschaften in unserer Region hat sich langsam durchgesetzt. Wie zu allen Zeiten, in denen sich gesellschaftliche Veränderungen abzeichnen, geht es um das Zusammenleben von Menschen. Dies führte nach Peter Blickle zur größten Revolution in unserer Region. Jeder Haushalt, jedes Haus war betroffen und beteiligt.
Der „Heimatbund Allgäu“ als Dachverband der Geschichts- und Heimatvereine des ganzen Allgäus hat in seiner Versammlung 2018 darüber gesprochen, was das nächste Jubiläum wäre, das uns alle betreffen würde. Das war bei einer Versammlung im Schulmuseum Daxberg – also vor über sechs Jahren. Und es war eindeutig der Bauernkrieg, der sich 2025 zum 500. Mal jährt. Wir starteten ein Vorprojekt. Damals war ich im Vorstand Kassier. Da haben wir uns im Prinzip zunächst um Fördermittel bemüht, im Vorprojekt einen Projektantrag zusammengestellt und die EU-Fördergremien davon überzeugt. Das Projekt „Courage“ hat ein Gesamtvolumen von 1,5 Millionen Euro, wovon 60 Prozent gefördert werden. Wenn man glaubt, da müsste jetzt „ein Haufen Geld“ da sein: Das Geld ist für Projekte in Voralberg, in Oberschwaben und im Allgäu, mit vielen Beteiligten. Wir vom Heimatbund sind mit 200.000 Euro dabei. Und dafür machen wir viele Projekte und Dinge. Auch hier für Wolfertschwenden sind also keine übrigen Geldmittel da, sondern es geht nur durch viel Ehrenamt, das hier der Heimatverein Wolfertschwenden einbringt. Auch wir vom Heimatbund schaffen überwiegend ehrenamtlich.
Die Suche nach dem großen Ganzen für das Projekt bezog sich immer auf Freiheit und Teilhabe an der Macht. Der Bezug von der Zeit 1525 zu 2025 waren in vielen Vorgesprächen immer wieder das Thema. Wie lässt es sich vergleichen, wie kann man Vergleiche ziehen? Dabei war unser Motto schnell definiert: „Freiheit braucht Courage“. Eine spannende Sicht, wie sich die Freiheit und der Gedanke zur Freiheit verändert hat. Vor 500 Jahren war die Sicht auf Freiheit klar. Man will sich von der Obrigkeit befreien und das Leben in der dörflichen oder städtischen Gemeinschaft mit gewählten Vertretern selber organisieren. Das Wort „selber“ möchte ich hier betonen.
Wie sieht die Sicht auf Freiheit heute aus? Wie sieht der satte Wohlstandsbürger unsere Freiheit? Es ist der Ruf nach dem Staat. Bei allen Problemen haben wir uns das Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung in den letzten 60 Jahren abgewöhnt. Die Kommunen tragen laut bayerischer Statistik ca. 25% der Staatsaufgaben und haben nur 14% des Steueraufkommens zur Verfügung. Damit wurden die Kommunen zu „Zuschuss-Junkies“. Auch unsere Projekte gehen dann nur noch über Zuschüsse. Wie schön wäre die Heimatpflege, wenn die Kommune einfach mit so viel Geld ausgestattet wäre, dass man diese Heimatpflege zu Hause einfach selber machen könnte – dann wäre damit weniger Bürokratie verbunden.
Uns muss bewusst sein, dass der Staat nur durch Regeln Probleme lösen kann. Und Regeln bedeuten Bürokratie. Weiter sollten wir uns klar machen, dass der Staat nur das Geld ausgeben kann, was wir als Steuerzahler bereit sind zu geben. Gerade wir Allgäuer haben in unserer Geschichte erfahren müssen, dass wir nie die Gewinner waren, wenn wir andere Organisationen unsere Probleme lösen lassen. Unsere Demokratie braucht den Mut, die Courage, uns selber darum zu kümmern. Die Familien, die Gemeinden mit den Vereinen müssen wieder höhere Verantwortung in das eigene Leben und die eigene Gemeinschaft übernehmen und einen neuen Pragmatismus im Umgang mit Gleichheit und Problemen entwickeln. Wir müssen lernen, dass manche Probleme – oder sind es vielleicht doch nur Wünsche – nur dann gelöst werden können, wenn wir auch die nötigen Ressourcen haben!
Mit viel Hoffnung und Zuversicht gehe ich in das Gedenkjahr 2025, weil ich überzeugt bin, dass wir auch zu der nötigen Demut und Gelassenheit finden und uns glücklich schätzen, in unserer heutigen Zeit Leben zu dürfen. In unserem Projekt „Courage“ sind viele Erinnerungsorte und Ausstellungen im ganzen Projektgebiet entstanden. Es gibt eine Karte, in der die über 70 Erinnerungsorte eingetragen sind – auch dieser hier in Niederdorf. Man kann damit im Sommer durchaus mal eine Fahrradtour von Erinnerungsort zu Erinnerungsort unternehmen. Es werden Bücher zu Regionalgeschichte im Bauernkrieg erscheinen, von uns im Heimatbund z.B. die über „Die Ritter im Allgäu“ und den „Bauernkrieg im Ostallgäu“.
Der Dokumentarfilm, den wir für den Verein in Wolfertschwenden schon gezeigt haben, wird an vielen weiteren Orten öffentlich gezeigt werden. Ausstellungen und Vortragsreihen finden im ganzen Projektgebiet statt. Die Sonderbeilage in der Allgäuer Zeitung, „AZ Courage“ ist im bayerischen Gebiet verteilt worden. Bei all den Veranstaltungen und Treffen wird es noch viele Gelegenheiten geben, über Freiheit und Demokratie zu diskutieren.
Demokratie und Heimatpflege hat eines gemeinsam: Man kann Heimat nicht kaufen, man muss sie sich selber arbeiten. Denn Heimat sind in erster Linie die Menschen, welche mit uns die Heimat gestalten, der moralische Umgang mit unserer Umwelt, unserer Geschichte und dem Glauben. Die zwölf Artikel, die wesentlich in unserer Regionen entstanden sind, haben diese Aspekte dokumentiert.
Deshalb haben sie heute noch vollen Bestand. Ich hoffe sehr – auch das ist eine Aufgabe unserer Heimatpflege –, dass die 12 Artikel wieder in den Lehrpläne der Schulen kommen, denn die „Zwölf Artikel“ sind 250 Jahre vor der französischen Revolution gewesen und sie haben alle Menschenrechte, den Umgang mit unserer Natur, unserer Freiheit und Teilhabe und auch die sozialen Einstellungen schon dokumentiert, die bis heute Gültigkeit haben. Wir wollen in erster Linie über die 12 Artikel sprechen, nicht über die Schlachten des Bauernkriegs. Wir werden darüber reden, was die Menschen getrieben hat, was sie alles für ein Stückchen Freiheit riskiert haben. Vieles ist damals gar nicht aufgegangen, sondern hat sich erst über einen Prozess von 500 Jahren entwickelt.
Wenn man sich das alles mal zu Gemüte geführt, in unserer heutigen Zeit, in der alles nicht schnell genug gehen kann, wie lange wir warten mussten: Die Abschaffung der Leibeigenschaft hat 300 Jahre gebraucht. Der Abschaffung vom „Totfall“ (der Artikel 8) 200 Jahre. Die Kirche ist jetzt auch nach 500 Jahren nocht nicht so weit gekommen, dass man die Pfarrer selbst wählen darf. In der Heimatpflege muss man in diesen Dimensionen rechnen und deshalb hoffe ich, dass wir alle die Geduld haben. Einen ganz besonderer Dank gilt Matthias Bestle und seine Team für alles, was ihr hier geschaffen habt und dass wir das Projekt in Niederdorf in das „Courage“-Projekt mit reinpacken konnten. Euch wünsche ich nun ein schönes Fest und ein gutes Gelingen. Dankeschön!
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Grußwort der ersten Bürgermeisterin, Frau Beate Ullrich:
Vielen Dank! Liebe Bürgerinnen, Bürger, liebe Gäste, ich darf alle recht herzlich heute hier begrüßen. Es ist ein wunderbarer Tag. Es ist ja besonderer Tag heute für uns. Wir werden heute hier einen Gedenkort einweihen. Ein Gedenkort, der was ganz Besonderes darstellt. Davon bin ich überzeugt. Der Künstler wird nachher näher darauf eingehen.
Ich möchte gar nicht so viel sagen, nur so viel: Wir als Gemeinde haben hier gerne unterstützt und auch den Platz bereitgestellt. Wir sind sehr begeistert, also noch mal, Herr Blank. Vielen Dank. Dieses Kunstwerk ist echt imposant und einzigartig, damit haben Sie was ganz Tolles für uns geschaffen. Vielen Dank!
Ja, es geht ja hier letztendlich um die Freiheit. Ich habe es auf dem Gedenkstein gesehen: Freiheit und Gerechtigkeit, das sind Themen, die ziehen sich durch die ganze Weltgeschichtet durch. Wir sehen es im Bauernaufstand, wir sehen es aber auch bei der Französischen Revolution. Da vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Denn da ging es ja um Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Und auch heute noch ist die Freiheit ein sehr wertvolles Gut. Ich will fast sagen: mit das Wertvollste, was wir als Menschen haben. Und wir sehen auch tagtäglich die Kämpfe, die es um die Freiheit gibt; dieser Gedenkort soll uns insofern immer wieder daran erinnern.
Ich bedanke mich bei den Alpornbläsern. Dass sie heute hier diese Einweihung so feierlich umrahmen. Ich bedanke mich auch bei allen, die hier mitgewirkt haben, insbesondere beim Vorstand des Heimatvereins Wolfertschwendenn und dessen Mitgliedern. Auch der Bauhof hat mit unterstützt; danke an alle, die einen Beitrag geleistet haben.
Dieser Denkort ist was ganz Besonderes, wir als Gemeinde haben das Vorhaben – wie gesagt – gerne unterstützt. Ich wünsche alle noch einen schönen Tag. Das Wetter spielt ja mit, danach gibt es unten im Bürger- und Schützenheim noch ein Feier. Dazu sind auch alle recht herzlich eingeladen. Herzlichen Dank.
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Pfarrer Clemens Geiger:
Die „Zwölf Artikel der Freiheitsrechte“. Sie beziehen sich in allem auf die biblische Botschaft. Zu einer Zeit, in der Kirche – muss man zugeben – ihre Macht sehr missbraucht hat. Ein Faktum, das es – bedauerlicherweise – leider bis in unsere Tage hinein in manchen Bereichen immer wieder gibt. Es heißt schon im ersten Buch der Bibel im Schöpfungsbericht: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild.“ Und es heißt weiter: „Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch.“ Heute würden wir sagen, „Verwaltet sie im Guten.“
Wenn Gott den Menschen die Erde übergibt, meint er alle Menschen – ohne Unterschied auf sozialen Stand oder Beruf. Im Lukas-Evangelium steht das „Gleichnis vom klugen Verwalter“. Und dieser ist jener, der seinem Gesinde zur rechten Zeit gibt, was sie brauchen. Heute würden wir von „sozialer Gerechtigkeit“ sprechen. Und der Galaterbrief unterstreicht noch einmal ganz deutlich: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft einspannen.
Freiheit und Menschenrechte sind für uns alle ein sehr hohes Gut und so bitten wir Gott um seinen Segen, dass uns dies immer neu bewusst ist: Menschenfreundlicher Gott! Wir dürfen in unserem Land in Freiheit leben. Wir haben die Möglichkeit einer freien Religionsausübung. Wir haben Meinungsfreiheit, können uns Berufe auswählen, unseren eigenen Besitz verwalten und leben in einem Land, in dem sich immer neu um ein soziales Netzwerk gesorgt wird.
Hilf uns, dies als Geschenk zu sehen, für das wir alle auch Verantwortung tragen. Freiheit ist Geschenk und Verpflichtung zugleich, dass wir uns stets für die Freiheit der Menschen und die soziale Gerechtigkeit einsetzen. So segne diesen Gedenkort, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, Amen.
Gott, wir bitten dich für alle Menschen, die heute noch unterdrückt oder diskriminiert werden, deren Rechte man nicht anerkennt. Lass sie Hilfe erfahren! Wir bitten dich für alle, die in Kriegsgebieten unserer Erde leben, für die Menschen in der Ukraine, im Gazastreifen und so vielen anderen Ländern, in denen Krieg und Terror herrschen.
Gib, dass die Bemühungen um Frieden Früchte tragen. Wir bitten dich für uns alle um Toleranz, Respekt und Achtung vor anderen Kulturen. Das Zusammenleben ist dadurch nicht immer einfach. Aber es kann auch bereichernd werden, wenn wir unsere eigenen Werte wirklich Leben und andere akzeptieren und respektieren. Wir leben bei uns in einer Gesellschaft, in der viele auf ihre Rechte pochen, aber dabei ihre Pflichten oft nicht wahrnehmen.
Hilf uns beides – Rechte und Pflichten – im Blick zu haben. Ich lade ein, mit mir zusammen das Gebet des Herrn zu sprechen. Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen.
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Matthias Bestle:
Vielen Dank Herr Pfarrer Geiger.
Ja, zum Abschluss möchten wir natürlich noch einmal allen Danke sagen. Wir möchten uns bei der Gemeinde für die finanzielle Unterstützung bedanken, neim Bauhof, der uns geholfen hat und uns auch das Material zur Verfügung gestellt hat. Das möchten wir mal besonders erwähnen: Das sind lauter Restbestände, die man in der Kiesgrube zusammengeklaubt und gereinigt haben. Die sind zwar noch keine 500 Jahre alt, waren aber fast so vermoost. Qir konnten hier alles wieder errichten ohne dass man irgendwas dazu kaufen musste. Ich denke, das war echt toll, dass wir das bekommen haben. Eigentlich fertig mal schnell zu mir bitten.
[Überreichung eines Präsents an Bürgermeisterin Ullrich und weitere Sprecher / Ehregäste]
Als Dankeschön haben wir für Sie ein „Friedensbrot“. Auch die Bäckerinnung hat sich zum 500-jährigen Jubiläum Gedanken gemacht und hat extra ein Brot nach alter Rezeptur gebacken, das wir Ihnen als Dankeschön geben wollen. Bedanken möchten wir uns natürlich bei Karl Milz vom „Heimatbund Allgäu“, der uns im Projekt „Courage“ unterstützt hat, moralisch wie finanziell.
Karl, für dich auch ein Brot. Nicht zu vergessen unseren lokalen Künstler Reinhard Blank für die Gestaltung dieses tollen Kunstwerkes; vielen Dank Herr Blank. Herrn Pfarrer Geiger für die Segnung; es hat uns ganz toll gefreut, dass Sie die segnung übernehmen konnten. Und da haben wir uns auch Gedanken gemacht oder beziehungsweise gedacht, dass dieses Brot ja auch ein Symbol der Kirche sei. Ich darf es Ihnen mit einem herzlichen Dank übergeben!
Jetzt brauche ich noch einen Stellvertreter der Ottobeurer Alphornbläser. Wir fanden das supertoll, dass die Alphornbläser hier spielen konnten, weil bei dieser Lage hier am Hang haben sich die Alphornbläser geradezu angeboten. Vielen Dank, dass ihr gespielt und die Veranstaltung musikalisch umrahmt habt. Und „ganz oben beim Herrgott“, dass es mit dem schönen Wetter zu gut geklappt hat.
Zu guter Letzt möchte ich mich bei allen ehrenamtlichen Helfern bedanken, die unzählige Stunden verbracht haben. Bei den Helfern gab es einen harten Kern, den es – sage ich jetzt einmal – wirklich schwer getroffen hat. Das ging durchaus ein bisschen an die Gesundheit, sprich, nach den Wochenenden hier im Einsatz hat es den ein oder anderen schon mal irgendwo „gezwickt“ bzw. es gab einen Muskelkater.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die hier mitgeholfen haben, um diesen Gedenkort zu schaffen, zu organisieren und zu gestalten. Stellvertretend möchte ich meinen zweiten Vorstand Josef Kofler erwähnen, der ganz viel Zeit in Organisationen und Umsetzung investiert hat. Vielen Dank, Josef!
Die Baustelle geht durchaus weit runter; wir haben ja schon ein bisschen runtergegraben und unter ordentliches Fundament gemacht. Manche meinten schon, wir würden ein Windrad aufstellen! Und da haben wir unseren Bau-Capo Wolfgang Holderried gehabt, der sich bautechnisch auskennt und uns gesagt hat, wie man es macht. Vielen Dank, Wolfgang!
Zu guter Letzt möchte ich mir dann nur bei meiner Familie – Steffi und den Kindern – bedanken, denn die mussten in letzter Zeit ziemlich viel mitmachen. Sei es jetzt, dass sie mich mental oder organisatorisch unterstützt haben. Ständig ist der Papa gekommen und hat gesagt, da müssen wir wieder was schaffen und dort müssen wir das organisieren und da könntest du nach das machen. Das war recht anstrengend und vielen Dank, dass ihr da so toll mitgezogen habt!
Gut! Jetzt darf ich Sie noch ganz herzlich ins Schützenheim Niederdorf einladen. Wir haben für Speis und Trank gesorgt. Die Weißwürste sind warm, das Bier ist gekühlt und danach gibt es noch Kaffee und Kuchen – wie es euch halt schmeckt! Seid unsere Gäste und seid herzlich willkommen. Herzlichen Dank!
„Mir wend frei sei!“
Als spontane Zugabe trug Marlies Weiss auf Schwäbisch ein Gedicht ihres Bruders John Grimm – alias Wolf R. Tschwender (Friedberg) – vor. Darin werden die Bedrückungen und Drangsale der damaligen Bauern beschrieben, die Entstehung der Bauerartikel, der einseitige Kampf gegen den Bauernjörg mit seinem Heer des schwäbischen Bundes. John Grimm endet mit dem allgemeingültigen Appell „Dia Freiheit fiar da Baurastand wend mitanand mir doila. Gerechtigkeit fordrat mir ei. Mir wöllet alle Zeit sei frei!“
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Am 3.5.2025 erschien in der Memminger Zeitung ein Bericht von Franz Kustermann (Falke, Taube, Schwert und Waage, Freiheit braucht Courage: Heimatverein eröffnet Gedenkort in Wolfertschwenden. Was Künstler Reinhard Blank dort zum Thema „500 Jahre Bauernkrieg“ geschaffen hat).
Hier geht es zur Beschreibung der Ereignisse von 1525 aus Sicht des Ottobeurer Ortschronisten Pater Maurus Feyerabend (im dritten Band seiner „Jahrbücher“, 1815).
Einige der Ausstellungen und Events in 2025 werden im virtuellen Museum noch aufbereitet (Buxheim, Memmingen und Ottobeuren).
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Trankriptionen, Zusammenstellung und Fotos: Helmut Scharpf, 05/2025