1934 - Negus-Bande-Ottobeuren

Titel

1934 - Negus-Bande-Ottobeuren

Beschreibung

Begriffe wie KGN (steht für „Kampfgruppe Negus“) bzw. „Negus-Bande-Ottobeuren“ klingen eher martialisch, zumal in der Zeit des Dritten Reichs. Harmloser wird es, wenn man bedenkt, dass der Bergiff „Bande“ damals eher dem entsprach, was man heute unter einer „Clique“ versteht. Bande also in der Bedeutung von „verbandelt“ - zusammen sein.

Ausnahmsweise steht bei dieser Ansichtskarte, die den Marktplatz zeigt (von 1933 - 45 „Hindenburgplatz“), einmal nicht die Bildseite im Vordergrund, sondern die Rückseite, prangt dort doch ein ungewöhnlicher Stempel, der auf die erwähnte „Negus-Bande-Ottobeuren“ verweist.

Googelt man den Begriff Negus, dann findet sich bei Wikipedia einen Eintrag, der ihn als äthiopischen Königstitel erklärt. Als letzter Negus wurde 1928 Ras Tafari Makonnen von Kaiserin Zauditu zum Negus gekrönt. Ras Tafari wurde 1930 als Haile Selassie I. selbst Kaiser von Äthiopien. Was das mit Ottobeuren zu tun haben könnte, erschließt sich erst, wenn man annimmt, dass der Begriff Negus mit dem Einmarsch faschistischer italienischer Truppen in Äthiopien (ab Oktober 1935) auch in unseren Zeitungen bekanntgemacht wurde. Erweitert man die Bedeutung von König auf „Chef“ oder „Leiter“, dann dürfte sich ein Zusammenhang herstellen lassen. In der Jubiläumsschrift der Bande zum fünfjährigen Bestehen heißt es lediglich, der Spitzname sei ihm „einer geringfügigen Sache wegen“ gegeben worden.

Ein solcher Anführer war nämlich Alfons Henkel. Er wurde mit Spitznamen „Negus“ genannt und gilt als Gründer der „Negus-Bande-Ottobeuren“, der vor allem Mitglieder der um 1922 geborenen Jahrgänge angehörten. Gründungsjahr war 1934. Ob es sich um Söhne (und einige Töchter) aus den gehobeneren Kreisen handelte oder um ein bewusstes Gegenangebot zur Hitlerjugend, ist noch unklar. Die Protokolle weisen die Mitglieder aus, als wären sie Teil einer militärisch straff organisierten Regierung. Die Hauptaufgaben waren Lausbubenstreiche und Raufereien in der Schule sowie ständige Kämpfe gegen die Klostermeggel - die Internatsschüler.

Gründer Alfons Henkel war ein Kaufmann, der bei Kraftfahrzeug Reuther in Memmingen arbeitete, einmal aber auch im Büro der Metzgerei Högg in Ottobeuren. Mit dabei waren auch Richard Fink, Carl Maier, Josef Maier, Bartholomäus Schneider (geb. 1922, vermisst 1943), Josef Ostler, Kuno Plersch, Otto Kinzer und Hans Branz (die beiden letztgenannten sind schon im 1. Jahr ausgeschieden).

Einige Namen von möglichen Mitgliedern: die Fink-Kinder aus der Memminger Straße, Sepp, Max und Maria Hailer, der Polizist Georg Strasser, Max Graf, der Fuhrunternehmer Link Schorsch (Egerländer Str.), die Frau von Zahnarzt Angel, Anton Müller („Textil Tone“). Laut Max Graf (Gespräch vom 21.02.2014) sollen auch Kolping-Mitglieder dabei gewesen sein.
Den Stempel soll der Grafiker und Maler Josef Jakob entworfen haben (der spätere Dombaumeister von Freiburg). Die Hälfte der Mitglieder hat den Krieg nicht überlebt, die Gruppe soll bis in die 1960er Jahre bestanden haben.

Stammlokal war der Ochsen (heute „Roma“), wo man sich jede Woche traf, trank, Karten spielte und sang. An Instrumenten war eine „Quetsche“ (Zieharmonika, Akkordeon) und/oder eine Gitarre im Einsatz. Es wurden auch reine Musikabende veranstaltet (Gruppe um Georg Strasser). Es gab ein „regelrechtes Orchester“, mit dem insb. klassiche Musik aufgeführt wurde.

1941 musste man sich umbenennen. Aus der Negus-Bande wurde ab 07.08.1941 der „Freitag-Stammtisch im Roten Ochsen“.
Die Jahresberichte enthalten einige Bilder, die hier bald auch einzeln eingepflegt werden. Nach dem Krieg ging es nicht mehr weiter. Georg Strasser am 25.10.2015: „Einige Mitglieder waren gefallen und es gab keinen Anlass dafür, weiterhin so ein Kindertheater aufzuziehen.“

Wer noch mehr zur Gruppe sagen kann, bitte melden!

Urheber

diverse

Quelle

Helmut Zißler / Digitale Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1934-04-25

Rechte

gemeinfrei