12/1905 - Satzung der Burschenschaft „Concordia Ottobura“

Titel

12/1905 - Satzung der Burschenschaft „Concordia Ottobura“

Beschreibung

Eine handschriftlich verfasste Satzung einer Burschenschaft in Ottobeuren gibt Rätsel auf. Sie ist nicht datiert, es werden auch keine Namen genannt.

Es könnte sich um einen ähnlichen Scherz gehandelt haben, wie bei der sogenannten Ottobeurer „Negus-Bande“.
Aus dem bürgerlichen Ottobeuren sind natürlich auch einige Studenten in die Städte geschickt worden. Sinn und Zweck des „Vereins“ war „die Unterhaltung unserer Studenten“ während ihres Urlaubs in der Heimat („Decembri“ – im Dezember – geg. bezogen auf die Winterferien). Die Höhe des Mitgliedsbeitrags wäre für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit fünf Mark exorbitant gewesen, ebenso die möglichen Strafgebühren. Insofern könnte es sich auch um die Zeit in den frühen 1920er Jahren gehandelt haben – zu Beginn der Inflationszeit.

Um sich abzugrenzen, wählte man einige lateinische Bezeichnungen: Praecepta (Gebote, Vorschriften) / obligatione (Bindung, Verpflichtung, Satzung) / „Concordia“ (Eintracht, Harmonie)
Hinweise auf die Urheberschaft mag das rot-blau unterlegte Signet auf dem Cover geben. Die meisten Burschenschaften führten als Burschenschafterzirkel die in sich verschlungenen drei Buchstaben E, F und V, die für den Wahlspruch der Urburschenschaft Ehre, Freiheit, Vaterland stehen. In unserem Fall kann man die Buchstaben U, R und V (eigentlich ein S) herauslesen.
Bei Wikipedia finden sich etliche Seiten, die sich im Detail mit den Themen Burschenschaft oder auch Corps auseinandersetzen.

Bei einem Bild, das Radfahrer auf dem Weg von der Ulrich- in die Alexanderstraße zeigt (ca. 1905-1910), könnte es sich um einen Beleg für Mitglieder einer studentischen Verbindung handeln. Das zweite Bild wurde vor allem wegen der gleichen Perspektive hier mit eingepflegt, es handelt sich wahrscheinlich um einen Umzug des Gesellenvereins. Die Bilder stammen auf jeden Fall nach dem Mai 1904, denn dann hat das Maleratelier Haugg hier eröffnet. Zur Orientierung: An der Stelle des Ateliers wurde am 26.09.2016 das neue Wohn- und Geschäftshaus (Sparkasse, Rupertus-Apotheke) von Robert Plersch eröffnet.

Hier nun die komplette Abschrift des achtseitigen Heftchens (Download des Originals hier):

Praecepta pro obligatione „Concordia“ Ottobura, Decembri.
§. 1.
Zweck des Vereins ist gefellige [gefällige] Unterhaltung unserer Studenten während der Vakanz.

§. 2.
Vorstand ist das älteste Mitglied des Vereines.

§. 3.
Der Kassier wird in widerruflicher Weise von sämtlichen Mitgliedern durch einfache Stimmenmehrheit gewählt.

§. 4.
Die Mitglieder verpflichten sich, die Proben und Versammlungen nach Möglichkeit u. Bedürfnis zu besuchen.

§. 5.
Außer den gewöhnlichen Versammlungen findet jährlich eine Hauptversammlung statt.

§. 6.
Sollte sich der Verein aus irgend einem Grunde auflösen, so wird der Gesamtbesitz an die Mitglieder verteilt.

§. 7.
Jedes Mitglied hat monatl. eine Gebühr von 5 M [Mark] an die Vereinskasse zu bezahlen.

§. 8.
Begegnen sich die Mitglieder auf dem Wege, so hat der Ältere den Jüngern mit den Worten „vivat obligatio“ zu begrüßen, worauf der andere „Concordia“ antwortet.

§. 9.
Wenn der Vorsitzende bei der Versammlung Stillschweigen gebietet, hat sich jedes Mitglied ruhig zu verhalten.

§.11. [eigentlich §.10!]
Glaubt sich ein Mitglied in irgend einer Weise von einem andern beleidigt, so hat es sich an den Präses zu wenden. Jede Selbsthilfe ist mit Strafe von 5 M belegt.

§.11.
Bei einer solchen Klage hat der Präses eine Versammlung der Mitglieder einzuberufen.

§.12.
Jede Beschädigung des Lokals [etc.] pp ist mit Geldstrafe belegt.

§.13.
Widersetzt sich ein Mitglied allen diesen Anordnungen, so wird es entweder aus dem Verein ausgeschlossen, oder es muß 10 M. bezahlen.
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Wer etwas zum Thema bzw. zur Aufklärung beitragen kann, bitte melden!
Die Satzung stammt aus der Sammlung von Helmut Scharpf (auch: Recherche, Bildbearbeitung der Satzung, Abschrift; 11/2016; die Bildbearbeitung der beiden Fotos hat Franz Reitmeier dankenswerterweise übernommen; 08/2016)

Urheber

unbekannt

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1905-12-01

Rechte

gemeinfrei