06.04.1787 - Grabmusik zum Karfreitag in der Abteikirche Ottobeuren

Titel

06.04.1787 - Grabmusik zum Karfreitag in der Abteikirche Ottobeuren

Beschreibung

Ein „frommer Verehrer des leidenden Heilandes“ hat den Druck der Schrift mit den Gesangstexten der Grabmusik für den Karfreitag 1787 veranlasst, vermutlich Abt Honorat Göhl (Abt von 1767 - 1802).

Literaturzitat:
Anonymus: Der Tod Jesu in einer dem Geiste Christi wohlanständigen Heiligen Grab Musik, Ottobeuren, Karl Joseph Wankenmiller, 1787, 12 S.

Auf dem Cover finden sich einige wenige Informationen zum Anlass:
„Vorgestellt von einem frommen Verehrer des leidenden Heilandes in Druck befördert. In der Pfarrkirche zu Ottobeuren abgesungen am Heil. Karfreytag, und Heil. Karsamstag Abends im 7 Uhr. Im Jahre nach der Geburt Christi. 1787.“
Abgedruckt sind allerdings lediglich die Texte, nicht jedoch die Musik als solche. Gesungen haben vermutlich Solisten (Aria und Rezitative), die sich mit einem Chor (für die Choräle, z.B. die Mönchs-Schola) und den Gottesdienstbesuchern (Alle) abwechselten.

Ein weiteres Dokument zum Karfreitag findet sich im Klosterarchiv für das Jahr 1781.

Hier die Texte der Schrift von 1787 (ab Seite 2):
Mitleidige Seele!
Öffne Aug ≈ Ohr ≈ Herz und Gemüth ≈ die blutige Trauerbühne, welche deine Sünden dem Heiland bereitet, ist von so viel schmerzhaft ≈ als Marter vollen Auftritten schrökbar, daß es dem Felsen schaudert, – und weilen Felsen nicht weinen können, so zerbersten sie vor Mitleid. Sündige Seele! höre, was der große – der bußfertige Liebhaber Jesu – dir zuruft: „Siehe! sagt der H. Augustin, die Heiligkeit wird gegeißelt für den Gottlosen. Die Wahrheit wird getödtet für den Lügenhaften, die Gerechtigkeit wird verutheilt für den Ungerechten. Die Barmherzigkeit wird gestraft für den Grausamen. Die Süßigkeit wird mit Galle getränkt. Die Unschuld wird verworfen für den Schuldigen. Das Leben stirbt für den Todten. Eben so wehmütig ruft staundend auf ein H. Bernard .. O gutes Jesus! was thust du? wir haben gesündiget, und du büßest .. dies ist ein Werk ohne Beyspiel, eine Gnad ohne Verdienst, ein Liebe ohne Maaß ..“

Dieses herzlich erwögend bedenken wir - ja vielmehr befolgen wir die ernstliche Lehre des Weltpredigers: Christus ist für uns alle gestorben, (spricht der H. Paulus) auf das diejenigen, die leben nicht für sich selbst leben, sondern für den jenigen, der für sie gestorben. 1. Kor. 5. V. 15.

[Seite 3]

Choral.
Die, dessen Augen flossen,
So bald sie Zion sah'n,
Zur Frevelthat entschlossen,
Sich seinem Falle Nah'n;
Wo ist das Thal, die Höhle,
Die, Jesu! dich verbirgt?
Verfolger seiner Seele,
Habt ihr ihn schon erwürgt?

Alle.
Sein Odem ist schwach, Seine Tage sind abgekürzet, Seine Seele ist voll Jammer, Sein Leben ist nach bey der Hölle.

Recit.[atitv]
Gethsemane! wen hören deine Mauren
So bange, so verlassen trauren?
Wer ist der peinlich langsam Sterbende?
Ist das mein Jesus? Bester aller Menschenkinder,
Du zagst, du zitterst gleich dem Sünder,
Dem man sein Todesurtheil fällt?
Ach seht! er sinkt, belastet mit den Missethaten
Von einer ganzen Welt.
Sein Herz in Arbeit fliegt aus seiner Höhle,
Sein Schweiß rollt Purpur roth
Die Schläf herab: Er ruft: Betrübt ist meine Seele,
Bis in den Tod!

[Seite 4]

Aria.
Du Held! auf den die Köcher
Des Todes ausgeleert,
Du Hörest den, der schwächer
Am Grabe Trost begehrt,
Du willst, du kannst sein Schutzgott seyn.
Wenn ich am Rande dieses Lebens
Abgründe sehe, wo vergebens
Mein Geist zurücke strebt,
Wenn ich den Richter kommen höre,
Mit Waag' und Donner, und die Sphäre
Von seinem Fußtritt bebt,
Wer wird allda mein Schutzgott seyn?
                                                   Von Anfang.

Choral.
Wen hab' ich sonst als dich allein
Der mir in meiner letzten Pein
Mit Trost und Rath weis beizuspringen?
Wer nimmt sich meiner Seele an,
Wenn nun mein Leben nichts mehr kann,
Und ich muß mit dem Tode ringen.
Wenn allen Sinnen Kraft gebricht?
Bist du es GOtt, mein Heiland nicht?

Recit.[atitv]
Ach mein Imanuel! da liegt er, tief gebückt
Im Staube, ringt dem Tod entgegen, blickt
Gen Himmel, kammert laut: Laß Vater dies Stunde,
Laß sie vorüber gehn,
Nimm weg den bittern Kelch von meinem Munde,
Du nimmst ihn nicht? Wohland, dein Wille soll geschehen.
Erheitert steht er auf von der erstaunten Erde,
Gestärkt durch eines Engels Hand.
Und seht! die Jünger hat ein Schlummer übermannt;
Hier liegen sie gestützt, mit trauriger Geberde.
Betrachtend steht der Menschenfreund und spricht
Mit über sie gehängten holden Angesicht:

[Seite 5]

Der Geist ist willig, nur der Leib ist schwach;
Und bückt sich, Petrus Hand sanft anzurühren nieder:
Auch du bist nicht mehr wach?
O wacht und bethet meine Brüder!

Aria.
Ein Gebeth um neue Stärke
Zu Vollendung edler Werke,
Theilt die Wolken, dringt zum Herrn,
Und der Herr erhört es gern.
Klimm ich zu der Tugend Tempel
matt den steilen Pfad hinauf:
O, so sporn ich meinen Lauf,
Nach der Wanderer Exempel,
Durch die Hoffnung jender schönen
Uber mit erhabenen Scenen,
Und erleichtre meinen Gang,
Mit Gebeth und mit Gesang.
                                  Von Anfang.

Recit.[atitv]
Nun klingen Waffen, Lanzen blinken bey dem Schein
Der Fackeln, Mörder dringen ein:
Ich sehe Mörder: auch es ist um ihn geschehen!
Es aber unerschrocken nahet sich
Den Feinden selbst; großmüthig spricht er: Such ihr mich?
So lasset meine Freunde gehen.
Die schüchternen Gefährten flieh'n auf diese Wort,
Ihn bindet man, ihn führt man fort.
Sein Petrus folgt, der einzige von allen,
Er folgt, zur Hülfe schwach, von fern;
Mitleidig folgt er seinem Herrn
Zum Caiphas. Was hör ich hier für Worte schallen!
Ach ist es Petrus, der itzt spricht:
Ich kenne diesen Menschen nicht.
Wie tief bist du von deinem Edelmutz gefallen!
Doch siehe! Jesus wendet sich:
Und blickt ihn an: er fühlt den Blick,
Er geht zurück,
Er weinet bitterlich.

[Seite 6]

Aria.
Ihr weich geschaffnen Seelen,
Ihr könnt nicht lange fehlen;
Bald höret euer Ohr
das strafende Gewissen,
Bald weint aus euch der Schmerz.
Ihr Thränen ≈ lose Sünder bebet!
Einst mitten unter Rosen hebet
Die Reu den Schlangenkamm empor,
Und fällt mit unheilbaren Bissen
Dem Frevler an das Herz.
                                  Von Anfang.

Alle.
Unsre Seele ist gebeugt zu der Erden.
O wehe! daß wir so gesündiget haben.

Choral.
Ich will von meiner Missethat
Zum Herren mich bekehren,
Du wollest selbst mit Hülf' und rath
Hierzu, o Gott! bescheren.
Und deines guten Geistes Kraft,
Der neue Herzen in uns schafft,
Aus Gnaden wir gewähren.

Recit.[ativ].
Jerusalem voll Mordlust ruft mit willden Ton:
Sein Blut komm über uns und unser Söhn' und Töchter!
Du siegest Jerusalem, und Jesus blutet schon;
In Purpur ist er schon des Volkes Hohngelächter:
Damit er ohne Trost in seiner Marter sey,
Damit die Schmach sein Herz ihn breche.
Voll Liebe steht er da, von Gram und Unmuth frey,
Und trägt sein dornen Diadem.
Und eine freche,
Verworfne Mörderhand faßt seinen Stab,
Und schlägt sein Haupt: Ein Strom quillt Stirn' und Wang' herab

[Seite 7]

Seht welch ein Mensch!
Des Mitleids Stimme, vom Richterstuhl des Tyrannen, spricht:
Seht, welch ein Mensch! und Juda hört sie nicht,
Und legt dem blutenden mit unerhörtem Grimme
den Balken auf, woran er langsam sterben soll.
Er trägt ihn willig und sinkt Ohnmachtsvoll.
Nun kan kein edles Herz die Wehmuth mehr verschließen,
Die lang verhaltenen Thränen fließen.
Es aber sieht sicht tröstend um und spricht:
Ihr Töchter Zions weinet nicht.

Aria.
So stehet ein Berg Gottes
Den Fuß in Ungewittern,
Das Haupt in Sonnenstrahlen,
So steht der Held aus Kanaan.
Der Tod mag auf den Blitzen eilen,
Es mag aus hohlen Fluthen heulen,
er mag der Erde Rand zersplittern,
Der Weise sieht ihn heiter an.
                                     Von Anfang.
Alle.
Christus hat uns ein Vorbild gelassen, auf daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen.

Choral.
Ich werde dir zu ehren alles wagen,
Kein Kreuz nicht achten keine Schmach und Plagen;
Nichts von Verfolgung, nichts von Todesschmerzen
Nehmen zu Herzen.

Recit.
Da steht der traurige, Verhängniß ≈ volle Pfahl:
Unschuldiger, Gerechter! hauche doch einmal
Die matt gequälte Seele von dir!
Wehe! nicht Ketten, Bande nicht,
Ich sehe gespitzte Keile!

[Seite 8]

Jesus reicht die Hände dar,
Die theuren Hände, deren Arbeit Wohlthun war.
Auf jedem wiederholtem Schlag,
Durchschneidet die Spitze, Nerv' und Ader und Gebein.
Er leidet es mit Geduld, bleibt heiter, und hängt da,
Zur Schach erhöh't voll Blut in Todesschmerzen
Am Golgatha.
Ihr Männer Israels, o ruft in eure Herzen,
Erbarmung! Laßt die Rach im Tode ruh'n!
Umsonst: die Väter höhnen ihn;
Ihr Hohn ist bitter, grausam fröhlich ihre Minen.
Und Jesus ruft: Mein Vater! ach vergieb es ihnen:
Sie thun unwissend, was sie thun.

Aria.
Feinde, die ihr mich betrübt,
Seht, wie sehr mein Herz euch liebt:
Euch verzeih'n, ist meine Rache.
Die ihr mich um Unglück schmäht,
Hört mein ernstliches Gebeth:
Daß euch Gott beglückter mache,
Solche Tugend lernt ein Christ.
Gott! Jehova, Heiligster!
Du verzeihst dem Übertreter alle Schuld.
Gott! Jehova, Gütigster!
Du erzeigst dem Missethäter,
Tausend Huld.
Selig, wer dir ähnlich ist.
                                    Von Anfang.

Recit.
Wer ist der Heilige, zum Muster uns verlieh'hn,
Und unter diesen Missethätern aufgehenket?
An seiner Tugend kennt ihr ihn.
Schmach, Folter, Todesangst vergißt er, und bedenket
Maria, dein verlaßnes Alter, und ertheilt
Dem Freunde seines Herens diesen letzten Willen:
O Jüngling! das ist deine Mutter! dieser eilt,

[Seite 9]

Ein Schüler Jesu, sein Vermächtniß zu erföllen:
Und Jesus sieht es an; und wird noch mehr entzückt
Und Fühlet keine Wunden,
Weil er itzt einen Straht von Trost den trüben Stunden
Noch eines Reu erüllten Sünders schenken kann:
Er kehr sein Antlitz hin zu dem an seiner Seite
Gekreutzigten Verbrecher, ihm zu prophezeyh'n:
Ich sage dir, du wirst noch heute
Mit mir ihm Paradiese seyn!

Aria.
Singt dem göttlichen Propheten,
Der den Trost vom Himmel bringet:
Daß der Geist sich aufwärts schwinget;
Erdensöhne singt ihm Dank.
Die du von dem Staube fliehest
Und die rollenden Gestirne unter deinen Füßen siehest,
Nun geniesse deiner Tugend!
Steig' auf der Geschöpfe Leiter
Bis zum Seraph! steige weiter
Seele, Gott sey dein Gesang.
                                       Von Anfang.
Alle.
Freuer euch alle ihr Frommen, denn des Herren Wort ist wahrhaftig, und was er zugesaget, das hält er gewiß.

Choral.
Wie herrlich ist die neue Welt,
Die Gott den Frommen vorbehält,
Kein Mensch kann sie erwerben.
O Jesu, Herr der Herrlichkeit
Du hast die Stätt' auch mir bereit,
Hild sie mir auch ererben.
Einen kleinen Blick in jene Freuden-Scene.

[Seite 10]

Gib mir Schwachem
Mir den Abschied leicht zu machen.

Recit.
Auf einmal fällt der aufgehaltne Schmerz
Des Helden Seele wütend an: Sein Herz
Hebt die gespannte Brust. In jeder Ader wühlet
Ein Dolch. Sein ganzer Körper fliegt am Kreuz empor. er fühlet
Des Todes siebenfache Gräuel. Auf ihm liegt die Hölle ganz.
Er kann ihn nicht mehr fassen, den Schmerz, der ihn allmächtig drückt;
Er ruft: Mein Gott, mein Gott! wie hast du mich verlassen.
Und seht die finstre Stunde rückt vorbey.
Nun seufzet er: Mich dürstet! Ihn erfrischet
Sein Volk mit Wein, den es mit Galle mischet.
Nun steigt sein Leiden höher nicht;
Nun triumphirt er laut, und spricht:
Es ist vollbracht! Empfang o Vater meine Seele!
Und neigt sein Haupt auf seine Brust und stirbt.
„Es steigen Seraphim von allen Sternen nieder.
Und klagen laut: Er ist nicht mehr! Der Erde Tiefen, schallen wieder: Er ist nicht mehr! Erzittre Golgatha! Er starb auf deinen Höhen! Zerreisse Land, worauf die Mörder stehen! Ihr Gräber thut euch auf! ihr Väter steigt ans Licht! Das Erdreich das euch deckt ist ganz mit Blut befleckt. Er ist nicht mehr! so sage ein Tag dem andern Tage: Er ist nicht mehr! Der Ewigkeiten Nachhall klage: Er ist nicht mehr!“

Choral.
Ihr Augen weint!
Der Menschen Freund
Verläßt sein theures Leben,
Künftig wird sein Mund uns nicht
Lehren Gottes geben.

[Seite 11]

Arioso.
Weinet nicht! es hat überwunden der Löwe vom Stamm Juda.

Choral.
Ihr Augen weint!
Der Menschen Freund
Sinkt unter tausend Plagen;
Konnte seine sanfte Brust
So viel Schmerz ertragen?

Arioso.
Weinet nicht! es hat überwunden der Löwe vom Stamm Juda.

Choral.
Ihr Augen weint!
Der Menschen Freund
Der Edle, der Gerechte,
Wird verachtet, wird verschäht,
Stirbt den Tod der Knechte.

Arioso.
Weinet nicht! es hat überwunden der Löwe vom Stamm Juda.

Alle.
Hier liegen wir gerührte Sünder
O Jesu, tief gebückt,
Mit Thränen diesen Staub zu netzen,
Der deine Lebensbäche trank,
Nimm unser Opfer an!
Freund Gottes, und der Menschen Kinder,
Der seinen ewigen Gesetzen
Des Todes Siegel aufgedrückt,
Anbethung sey dem Dank,
Den opfre jedermann.
                              Von Anfang.

[Seite 12]

Sündige Seel bedenk:
Wie weit geht die Liebe ... so lieben ... so grausam aus Liebe leiden ... so viel und schröcklich aus Liebe des Lauen ... des Undankbaren ... des lasterhaften Menschen leiden, und aus Liebe des Jenigen sterben, der des größten Liebhabers Liebe nicht kennet, und seine Liebe verachtet.
Ist das Übermaß der Liebe so groß, wir furchtbar wird die Wag der schröcklichen Gerechtigkeit ausfallen.

Alles aus Liebe Jesu des Gekreuzigten.

[Ende der Abschrift, Helmut Scharpf, 07/2018]
Die Orthographie wurde beibehalten, nur einige wenige offensichtliche Fehler (z.B. unheibaren statt unheilbaren etc.) wurden korrigiert.
Die Seiten wurden aufwändig digital restauriert – was man an dem Vorher-/Nachher-Beispiel sehen kann.

Urheber

unbekannt

Quelle

Klosterarchiv Ottobeuren

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1787-04-06

Rechte

gemeinfrei