1266 - Rudolf von Habsburg, Schutzvogt der Abtei Ottobeuren, auf einem Bild von Arnulf Rüber

Titel

1266 - Rudolf von Habsburg, Schutzvogt der Abtei Ottobeuren, auf einem Bild von Arnulf Rüber

Beschreibung

Die hier abgebildeten Szene geht in ihrer Bedeutung weit über die hier vordergründig sichtbare, allgemein christliche Darstellung hinaus. Arnulf Rüben malte sie für die Weltausstellung 1873 in Wien im Stile der Nazarener. Das Gemälde steht symbolhaft gleichermaßen als Statement für den gottesfürchtigen Herrscher, für seinen Werdegang als zukünftiger römisch-deutscher König, es steht allerdings auch für den Bedeutungsanspruch der Habsburger, die nur zwei Jahre nach der kleindeutschen Lösung politisch im Abseits standen.

Im zweiten seiner vier Bände zur Geschichte Ottobeurens erzählt Pater Maurus Feyerabend 1814 (Seiten 420 - 450) vom Aufstieg des Grafen Rudolf von Habsburg zum römisch-deutschen König und Begründer der Habsburger Dynastie. Wer die hier transkribierten Seiten lesen möchte, dem sei vorab die Lektüre des umfangreichen Textes auf Wikipedia empfohlen, denn erst dann lässt sich der Beitrag Feyerabends inhaltlich richtig einordnen. Rudolf von Habsburg (1218 - 1291) war mit seiner Krönung in Aachen 1273 bis zu seinem Tod 1291 gleichzeitig Schutzvogt der Abtei Ottobeuren.

Die Zeit des sogenannten Interregnums (auch „Zwischenkönigszeit“ genannt), die mit dem Tode von Konrad IV. 1254 begann, wird häufig auch als „die kaiserlose, die schreckliche Zeit“ bezeichnet. Feyerabend spricht von den „Zeiten des verworrenen Zwischenreiches“, die mit der Krönung des einstimmig gewählten neuen Herrschers zu Ende ging. Der Beginn der Herrschaft Rudolfs von Habsburg wird gleichzeitig als Beginn des Spätmittelalters angesehen.

Zur Szene auf dem Gemälde:
Nach der Legende, die 1803 eine dichterische Fassung von Friedrich von Schiller („Der Graf von Habsburg“) erhielt, hat Rudolf von Habsburg einem auf einem Versehgang befindlichen Priester sein Pferd geliehen. Der Priester, der später Kaplan beim Kurfürsten von Mainz geworden sein soll und diesen bei der Königswahl angeblich auf Rudolf aufmerksam machte, wollte das Pferd am nächsten Tag zurückbringen, doch Rudolf lehnte ab: Er könne das Pferd, das seinen Erlöser getragen habe, nicht mehr zurücknehmen, es bleibe dem göttlichen Dienst gewidmet. Daraufhin prophezeite der Priester dem Grafen sechs Kronen für sein Haus und den zukünftigen Glanz der Nachkommenschaft.

Das Bild wurde 1873 für die Weltausstellung in Wien gemalt (neuer Link: hier). Über den Maler Arnulf Rüber ist wenig bekannt. Er dürfte um 1840 geboren worden sein, lebte lt. Adressbuch von 1874 in der Türkenstraße 70 in München und war Mitglied im 1860 gegründeten „Verein für Christliche Kunst in München“, der in seinem 1865 erschienenen Rechenschaftsbericht für das Jahr 1864 angab, Rübers Ölgemälde Maria und Martha angekauft zu haben. Zur Vereinsgeschichte heißt es auf der Homepage 2015:

Anliegen ist es, vor allem die bildende Kunst zu fördern. Dies geschieht durch Ausstellungen mit Werken der Mitglieder sowie Ankauf von deren Werken, welche dann vereinsintern zur Verlosung kommen. Zu Beginn entstammt die Mehrzahl der Mitglieder der Künstlerschaft. Erster Vorsitzender ist Johann Schraudolph.
Nach hohen Mitgliederzahlen in den ersten Jahren schwindet bald das Interesse für den Verein, so dass ab 1877 aus finanziellen Gründen keine Ausstellungen mehr gezeigt werden können. Der Verein verlegt sich nun darauf, regelmäßig Vorträge vor allem zu Themen der bayerischen Kunstgeschichte zu veranstalten. Der anfängliche Künstlerverein wandelt sich zu einem Verein für Kunsthistoriker und kunsthistorisch interessierte Laien.

Dieser Abschnitt enthält somit einen Hinweis auf die schwindende Popularität christlicher Kunst. Eine Wikipedia-Liste nazarenischer Künstler bestätigt allein schon durch ihre Lebensdaten, dass diese christlich geprägte Kunstrichtung mit Beginn des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts zu Ende ging.
Der in dieser Liste geführte Franz Pforr (1788 - 1812) hat ebenfalls die Szene („Rudolf von Habsburg und der Priester“) mit Rudolf von Habsburg 1809/10 gemalt. Es hängt im Städelsche Kunstinstitut und Städtische Galerie (Eigenbezeichnung Städel Museum) in Frankfurt.

Im Buch
Pecht, Friedrich: Kunst und Kunstindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873, Verlag der Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart, 1873,
findet sich kein Hinweis auf Rübens Werk, aber ebenfalls auf eine thematische Krise:
Im Kapitel „Die österreichische Kunst“ heißt es zum Thema christliche Thematik auf S. 79:

Es möchte schwer sein, irgendwo in der Welt schlagendere Belege als in der Ausstellung dafür zu finden, wie sehr das Christenthum sich im Bewußtsein der gebildeten Klassen, ganz speziell aber in Deutschland und Österreich, vielleicht noch mehr als in den Ländern romanischer Zunge ausgelebt hat. - Und diese Erscheinung steigert sich mit unerbittlicher Consequenz von Jahr zu Jahr, von einer Weltausstellung zu andern. - Nicht nur daß unter diesen tausenden von Bildern die Zahl der religiösen überhaupt so ganz außerordentlich klein ist, so nimmt auch die Lebenskraft in denselben noch entschiedener ab. Man sieht fast immer noch weit mehr als bei dem Canon'schen die totale Gleichgültigkeit und Abneigung, mit der die Künstler diesem Stoffkreis gegenüberstehen. Die religiöse Kunst ist Handwerk, ihre Typen sind Schablonen geworden. Außer ein paar kleinen, sehr alten Bildchen des achtzigjährigen Führich, und seinen noch ältern herrlichen Cartons ist in sämmtlichen deutschen Sälen fast nichts von christlicher Kunst, das eigentliche Lebenskraft zeigte, was dem innern Drange einer gläubigen Gemüths und nicht dem Raisonnement, den Zweckmäßigkeits- und Verstandesgründen oder gar handwerksmäßiger frommer Heuchelei seinen Ursprung verdankte. Man kann das beklagenswerth finden, wie ich es thue, oder sich darüber freuen, ändern wird man an der Thatsache gewiß nichts.
Dagegen welche Fülle von Bildern, in denen die Entartung und Herrschsucht, die unersättliche Gier oder der Eigennutz, die Heuchelei, die Gemüthshärte und freche Undudsamkeit, die Lüsternheit und Schlemmerei der Geistlichkeit aller Confessionen, die katholische natürlich vorauf mit aller Schärfe des glühenden Hasses, mit dem schonungslostst
en vernichtendsten Spotte, wie mit drolligem Humor, aber fast immer mit Talent geschildert werden! Sieh zählen geradezu nach Hunderten, der Pfaffe kommt überhaupt fast nie gut weg und ich wüßte absolut gar keinen Stand und kein Handwerk, das von der Kunst so unaufhörliche und vernichtende Angriffe erführe. Und das in München und Wien weitaus am meisten! Wer sich daraus keine Lehren ziehen kann, den braucht man fürwahr nicht um seinen Scharffsinn zu beneiden.

(Im Namensverzeichnis wird Rüber nicht erwähnt; auf S. 337 stehen sehr „Anschluss-verdächtige“ Anmerkungen zur künstlichen Trennung zwischen Österreich und Deutschland!)

Das großformatige Gemälde taucht im amtlichen Katalog des Deutschen Reiches zur Weltausstellung auf:

[Deutsches Reich, Hrsg.:] Wiener Weltausstellung. Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches, Berlin, 1873, Druck der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei Rudolf Ludwig von Decker, 672 S.

In der Gruppe „XXV (Bildende Kunst der Gegenwart, 3. Section Malerei)“ ist es dort auf Seite 588 gelistet:
Arnulf Rüber in München.
804. Kaiser Rudolph von Habsburg.

Ob es extra aus Anlass der Weltausstellung gemalt wurde oder schon früher, geht daraus nicht hervor. Aufgrund der Stilistik ist die kunsthistorische Zuordnung lt. Dr. Walter Geis aber für die 1870er Jahre möglich.

Im Zusammenhang mit Schillers Gedicht „Rudolf von Habsburg“ schrieb Jürgen Kühnle auf einer Internetseite (Zitat):
Als seine Quelle führt er [Friedrich Schiller] selbst in einer Anmerkung Tschudi an, welcher die Begebenheit in seinem „Chronicon helveticum“ unter dem Jahre 1266 mittheilt, wo Rudolf von Habsburg mit dem Abt Berchtold von St. Gallen um einiger Lehngüter willen in Streit lag. Als nämlich der Graf sich auf der Jagd befand, traf er einen Priester, der zu einem Kranken gehen wollte, um ihm das Sacrament zu reichen. Da der Bach aber angeschwollen und der Steg fortgerissen worden war, so überließ Rudolf ihm sein Pferd, welches der Priester am nächsten Morgen zurückbrachte, wo er es von dem Grafen zum Geschenk erhielt. Mit frommen Segenswünschen verließ ihn der Priester, die auch am nächsten Tage von einer Klosterfrau wiederholt wurden, welcher der Graf zufällig begegnete. Der Priester wurde später Kaplan bei dem Erzbischof von Mainz, dem er den Vorfall mittheilte. Ebenso erfuhren ihn mehrere andere vornehme Herren, so daß die Sache bald allgemein bekannt wurde. Auch weiß man, daß der Erzbischof von Mainz bei der Kaiserwahl seinen ganzen Einfluß geltend machte, um die Aufmerksamkeit der Fürsten auf Rudolf von Habsburg zu lenken.

Oswald Redlich gibt 1918 treffende Hinweise, wie wir die Legende interpretieren sollen:
Der Kern der Erzählung von der frommen Tat des Grafen ist wohl sicherlich wahr, aber er genügte nicht der Phantasie des Volkes. Die Tat mußte unmittelbar ihren Lohn erhalten und eine Prophezeiung ex eventu tritt da vermittelnd ein. Das unvergessliche Walten des Königs Rudolf für Recht und Gerechtigkeit wird im verklärenden Lichte der volkstümlichen Überlieferung auch der Typus für den Grafen Rudolf. Er ist und bleibt der fromme Graf von Habsburg. So bedeutet diese Typisierung des Volksmundes einerseits zwar eine Idealisierung, anderseits aber auch eine gewisse Schablonisierung der wirklichen historischen Gestalt Rudolfs von Habsburg.
Rudolf war ja sicherlich fromm, wie es sein Stand und seine Zeit eben war. Es ist doch eine gewisse äußerliche Religiosität, der gewohnte Glaube, die gewohnte Kirchlichkeit. Daneben war Graf Rudolf der echte Sohn der kampferfüllten Zeit des Interregnums, der rücksichtslos aufstrebende und um sich greifende Dynast, der auch vor Gewalttaten nicht zurückscheute, Klöster niederbrannte, der treue Anhänger der von der Kirche verfluchten Staufer, selber jahrelang im Kirchenbann. Der Historiker kann nur von Heiligen das volle Zusammenstimmen von Glauben und Leben verlangen und erwarten, am wenigsten von den Menschen einer naiv gläubigen und ebenso naiv begehrenden und handelnden Zeit. Aber gerade von Rudolf von Habsburg gilt das Wort des Dichters: es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken. Die königliche Würde, die hohe Pflicht, für Frieden und Recht zu sorgen, sie hat ihn emporgehoben zu einer höheren, sittlichen Auffassung und Führung. Das Wort, das er in den ersten Tagen seines Königtums vor versammeltem Volke sprach, gibt dafür ein beredtes Zeugnis: Heute will ich allen denen jegliche Schuld nachsehen, die mir geschadet haben, alle Gefangenen sollen frei sein, die in meinen Kerkern schmachten, ich gelobe, von nun an Schirmer des Friedens zu sein, wie ich bisher ein unersättlicher Kriegsmann gewesen. Wie ein Wort vom Himmel erschien dies dem Volke und diesen Rudolf von Habsburg hat die Überlieferung des Volkes festgehalten.
Jenes Ereignis in der Regierung König Rudolfs, das im ganzen Abendlande den lautesten Widerhall fand und den Ruhm des Königs erst festigte und verbreitete, das auch von den dauerndsten geschichtlichen Folgen begleitet war, das war sein Sieg über den mächtigen, glänzenden Ottokar von Böhmen. Es ist kein Wunder, daß sich an diese Ereignisse mannigfache sagenhafte Geschichten ansetzten. Es ist mehr gelehrte Kombination, wenn im XIV. Jahrhundert beim böhmischen Chronisten Pulkawa die Erzählung auftritt, Rudolf habe als Graf längere Zeit am Hofe Ottokars gelebt, er habe daselbst ein Hofamt bekleidet und an dem Kriege gegen Ungarn im Jahre 1260 rühmlich teilgenommen. Wir haben hier wohl die Tendenz zu erblicken, den berühmten Habsburger schon in frühere Beziehungen zu den Gestalten der eigenen Geschichte zu bringen, um diese dabei eine gewisse superiore Rolle spielen zu lassen. Ganz ähnlich ist es bei der später in Spanien auftauchenden Geschichte, Rudolf habe dem König Alfons von Castilien die Nachricht von dessen Wahl zum deutschen König im Jahre 1257 überbracht und sei von ihm zum Ritter geschlagen worden; oder bei der schon Ende des XIII. Jahrhunderts in Frankreich entstandenen Erzählung, Rudolf habe 1268 mit Konradin in der Schlacht von Tagliacozzo mitgefochten, sei von Karl von Anjou gefangen genommen worden und nur durch Zufall und Verrat entkommen. All diese Geschichten besitzen keine tatsächliche historische Grundlage. Dagegen ist es eine echt volkstümliche Erzählung, wenn schon bald nach der Belehnung Ottokars im Jahre 1276 ein das schlicht überlegene Wesen König Rudolfs sehr gut charakterisierender Bericht auftritt. Ottokar habe sich zur Belehnung mit größtem Prunk gerüstet, König Rudolf aber empfängt ihn im unscheinbarsten grauen Kleid; wie der Böhmenkönig, so sagte er, gar oft mein graues Wams verspottete, so soll dieses Kleid ihn verlachen. Natürlich spielen auch bei diesen Ereignissen, namentlich vor der Schlacht bei Dürnkrut, mannigfache Prophezeiungen des Sieges und verheißungsvolle Träume eine Rolle. Eine Geschichte aber, die sich ebenfalls an die Belehnung knüpft, ist bemerkenswert. Wir treffen sie erst in der Geschichte Böhmens von dem berühmten Aeneas Silvius Piccolomini, also um die Mitte des XV. Jahrhunderts. Ottokar hat gebeten, es möge seine Belehnung im geschlossenen königlichen Zelte geschehen, um seiner Würde zu schonen. Rudolf gewährt es, aber während Ottokar vor ihm kniet, fallen die absichtlich durchschnittenen Zeltwände auseinander und die beiden Heere erblicken den stolzen Böhmenkönig in dieser demütigenden Stellung. Die Geschichte entbehrt jeder historischen Grundlage, sie mag in Österreich oder in Böhmen entstanden sein, in der Suche nach einem handgreiflichen Motiv dafür, dass Ottokar den zweiten Krieg gegen Rudolf begann. Die Erzählung hat weite Verbreitung gefunden, sie wirft aber zweifellos einen Schatten auf Rudolf, er täuscht und demütigt seinen Gegner in nicht edler Weise. Es ist ein feiner Zug Grillparzers, dass er in seinem Drama den verräterischen Zawisch von Rosenberg es sein lässt, der auf eigene Faust die Wände des Zeltes auseinanderreißt.*)

*) Ähnlich lässt schon F. A. C. Werthes in seinem 1785 erschienenen Drama „Rudolf von Habsburg“ die Ottokar feindlichen Ritter die Zeltwände herabreißen. Vgl. Max Vancsa, Rudolf von Habsburg in der Dichtung (Österr. Rundschau 1918, 1. Mai).
Doch die Persönlichkeit Rudolfs von Habsburg war zu originell, zu individuell, als dass selbst die Überlieferung des Volkes mit der einfachen Schablone „fromm, gut, edel“ sich begnügt hätte. Manche Züge seines Wesens zogen die Aufmerksamkeit und Sympathie des Volksempfindens unwillkürlich an. Rudolf besaß die Schlichtheit eines überlegenen Geistes und den unverzagten Frohmut einer willenskräftigen Natur. Er liebte nicht den Prunk, war mäßig in Speise und Trank, von ungeheuchelter Leutseligkeit, ohne sich gemein zu machen, machte gerne einen Scherz und verstand einen Spaß, ohne sich etwas zu vergeben. Eine Menge von ernsten und heiteren Geschichten liefen schon zu Lebzeiten Rudolfs von ihm um, die zum Teile gewiss einen wahren Kern bergen und die ein gutes Bild davon geben, was im Volke von dem großen König lebendig blieb und weiterlebte. Die Geschichte von dem grauen Kleid bei Ottokars Belehnung erwähnten wir schon. Der König, so erzählen andere, flickte auf einer Heerfahrt selber sein zerrissenes Wams, er wärmte sich einmal in Mainz beim nächsten Bäcker die Hände. Er lässt sich bei Lebzeiten seinen Grabstein meißeln und als die Ärzte ihm verkünden, dass seine Tage gezählt seien, da sprach der greise Held: „Wohlauf, nach Speyer, wo mehr meiner Vorfahren sind, die auch Könige waren; dass niemand mich hinzuführen braucht, will ich selbst zu ihnen reiten.“ Dies sind Geschichten, die die schlichte Größe in Rudolfs Wesen richtig erfassen und kennzeichnen.
Aber er war auch der kluge Mann. Er gibt dem Kaufmann von Strassburg einen ausgezeichneten Rat: In Strassburg gab es einmal gerade viele Fische und wenig Wein, in Köln aber wenig Fische und vielen Wein. Das wusste der König. Diese Konjunktur soll der Kaufmann ausnützen, Fische nach Köln liefern und dafür Wein nach Strassburg bringen. So geschah es und der Kaufmann machte reichen Gewinn. Hier werden wir in das bürgerliche Milieu geführt und gerade in diesem spielt noch eine Reihe anderer Geschichten. In Nürnberg oder in Erfurt war es, wo der König den schändlichen Betrug eines Wirtes an seinem Gaste mit kluger List aufdeckte und streng bestrafte. In Erfurt ritt er einmal durch die Straßen, kostete von einem Humpen Bier, den ihm ein Ratsherr, aus seinem Hause tretend, reichte, kostete noch einen zweiten, denn Kranke und Schwache fragt man, Gesunden aber gibt man immer noch eins, ritt die Straße auf und ab und rief: Herein, herein, ein köstlich Erfurtisch Bier hat Siegfried von Buttstädt aufgetan.
Das war Rudolfs Weise. Das erwarb ihm die Sympathien des Volkes. So entstand und festigte sich aus solchen Zügen das Bild des leutseligen, klugen und gerechten Königs. Es war ein gewissermaßen ins Bürgerliche übersetztes Bild. Die geschichtliche Größe des Habsburgers, der Ottokar schlug und Österreich erwarb, der mit den Päpsten um den Romzug verhandelte, mit den Königen von Neapel und Ungarn, von Frankreich und England europäische Politik betrieb, sie verschwindet in dieser volkstümlichen Überlieferung hinter der populären, dem Volke sympathischen und verständlichen Gestalt des einfachen, jedermann zugänglichen, humorvollen Herrn, des klugen Geschäftsmannes, des gerechten Richters in Streit und Schuld des täglichen Lebens.
Diese bürgerlich populäre Auffassung macht sich nun auch geltend gegenüber einer der wichtigsten Fragen von Rudolfs Regierung, der Frage des Römerzuges und des Erwerbes der Kaiserkrone. Rudolf ist nicht nach Italien gezogen und hat die Kaiserwürde nicht erlangt. Wollte er dies nicht? Die allgemeine öffentliche Meinung schon der nächsten Folgezeit hat diese Frage bejaht. Kein geringerer als Dante hat in seiner verzehrenden Sehnsucht nach einem großen Kaiser, der das zerrissene Italien befriede und eine, Rudolf von Habsburg und seinen Sohn Albrecht eben wegen ihrer vermeintlichen Lässigkeit in seiner Divina commedia ins Fegefeuer versetzt und ruft ihnen die bitteren Worte zu:
Wie konntet Ihr, Du und Dein Vater, dulden,
Nur weil die Habsucht Euch dort jenseits festhielt,
Dass Eures Reiches Garten gar verwildre?
Erfährt hier Rudolf den herben Tadel des großen Dichters und Patrioten, so spendet ihm die beschränktere Volksmeinung das Lob besonderer Klugheit und Vorsicht. In der um 1320 in Bayern geschriebenen Fortsetzung der sächsischen Weltchronik finden wir zum ersten Male folgende Erzählung. Die Fürsten drängten den König Rudolf, dass er nach Rom fahre und Kaiser werde. Aber Rudolf erwiderte mit dem Gleichnis der alten Fabel: Es wurden viele Tiere geladen, in einen hohlen Berg zu gehen. Alle Tiere gingen in den Berg, nur der Fuchs blieb heraußen und wartete. Da kam keines der Tiere wieder. So sind viele Könige über das Gebirge nach Wälschland gezogen, die nicht mehr wiederkamen. Darum wollte König Rudolf nicht nach Rom. Diese Geschichte ist immer wieder in den folgenden Jahrhunderten nacherzählt worden, und gelegentlich wurde statt der klugen Vorsicht als Motiv bezeichnenderweise Rudolfs Demut eingefügt, die nicht den Glanz der Kaiserkrone begehrt habe. Auch die gelehrten Historiographen der neueren Zeiten bis in die erste Hälfte des XIX. Jahrhunderts sind von dieser Ansicht beeinflusst und befangen geblieben. Erst seit Joh. Friedr. Böhmer hat die Forschung Schritt für Schritt enthüllt, welch großer Irrtum diese Ansicht war. Heute können wir sagen, gerade das Gegenteil davon ist richtig. Vom Beginn seiner Regierung bis in seine letzten Tage hat Rudolf von Habsburg mit heißem Bemühen und unermüdlicher Beharrlichkeit danach gestrebt, die Kaiserkrone zu erringen, und nicht seine Schuld ist es gewesen, wenn es ihm nicht gelang. Die Kaiserwürde sollte ja die notwendige Grundlage sein, um einem Sohne und damit seinem Hause die Nachfolge im Reiche zu sichern. Aber die Zeugnisse dafür lagen nicht zutage und die Zeitgenossen wie die Nachwelt sahen nur die Tatsache, dass Rudolf nicht nach Italien zog und nicht zum Kaiser gekrönt ward.
Auch nach einer anderen Seite hat erst die moderne Forschung einen alten Irrtum über Rudolf von Habsburg beseitigt, die Meinung nämlich, dass Rudolf ein armer Graf gewesen. Der Ursprung dieser Ansicht lag nicht so sehr in eigentlich volkstümlicher Überlieferung, als in der Rückwirkung des Kampfes zwischen Rudolf und Ottokar auf die öffentliche Meinung. Gegenüber dem reichen und mächtigen Böhmenkönig, der die weiten Länder vom Erzgebirge bis zum Karst beherrschte, war allerdings der Graf von Habsburg ein Dynast von weit geringerer Macht. Dieser bedeutende Unterschied ward nun von Ottokar und seinen Anhängern mit offenbarer Absicht noch übertrieben. Man schrieb vom kleinen Grafen, den der Bettelsack drücke, vom kleinen Lichtlein aus Schwaben, vom armen König, der es wage, gegen den gewaltigen Böhmen aufzutreten. Bei den Chronisten Südwestdeutschlands, wo man die Habsburger und ihre Bedeutung gar wohl kannte, finden sich solche Urteile keineswegs. Aber sie haben bei den Geschichtsschreibern der Folgezeit nachgewirkt und erst die neuere Forschung hat die wirklichen Verhältnisse klargelegt.
Es ist ein helles Bild fast ohne Schatten, das die volkstümliche Überlieferung von Rudolf von Habsburg gestaltet hat. Ein helles Bild, doch ein etwas, man könnte sagen, allzu bescheidenes und idyllisches und ein engbeschränktes Bild, ohne weite Horizonte des historischen Geschehens und großer politischer Ziele, auch ohne die Härten und ohne die Mißerfolge der geschichtlichen Wirklichkeit. Dass politische Gedanken sich im Volksmunde verewigen, geschieht nur bei ganz großen und einfachen Dingen und bei Hoffnungen, die die Volksseele ergreifen, so in der deutschen Kaisersage von dem im Berge verborgenen schlafenden Kaiser Karl oder Kaiser Friedrich, der einmal erwachen und wiederkommen wird, um die Herrlichkeit des Reiches neu aufzurichten. Auch bei den volkstümlichen Geschichten über Rudolf von Habsburg schimmern doch die zwei großen Dinge durch, die ihm auch im Gedächtnis des Volkes unvergessen blieben: er war der Wiederhersteller und Schirmer von Recht und Frieden, er war der Sieger von Dürnkrut. Aber auch diese Erinnerungen werden gestützt und lebendig erhalten durch ein drittes Element, das so recht einen Antrieb volkstümlicher Geschichtsbildung ausmacht, die Wirkung der Persönlichkeit. Rudolfs originelle und kräftig ausgeprägte Persönlichkeit haftete im Gedächtnis der Menschen. Ja, dieser Zauber war so stark, dass er alle Widerstände überwand. Denn man darf nicht glauben, dass König Rudolf während seiner Regierung ein immer und überall beliebter und populärer Herrscher war. Seine scharfen Steuerforderungen an die Städte erregten ihm im Bürgertume heftige Opposition, die Fürsten sahen mit Mißbehagen und offenem Widerstreben das überraschende Aufsteigen der habsburgischen Macht, in Schwaben und in den schweizerischen Waldstätten erregte die von König Rudolf in seinen letzten Jahren geradezu leidenschaftlich und überhastet betriebene Erwerbs- und Vergrößerungspolitik eine schwere Gärung, welche unmittelbar nach dem Tode des gefürchteten Königs zu gefährlichem Ausbruch kam. Und dennoch! Selbst im Schweizer Volksmunde überwog dann wieder das Andenken an den frommen Grafen, an den leutseligen, humorvollen König alle anderen Erinnerungen. Und aller Ingrimm über die der Freiheit der Schweizer Bauern drohende, drückende habsburgische landesfürstliche Gewalt sammelte und entlud sich in der Volksüberlieferung und in der sich bildenden Schweizer Sage auf das Haupt König Albrechts, des Sohnes Rudolfs von Habsburg. Albrecht war seinem Vater ebenbürtig an Tatkraft, an kriegerischer und staatsmännischer Begabung, aber er war hart, schroff und unzugänglich, ohne jenen Einschlag überlegenen Humors und einer persönlich gewinnenden Natur, den sein Vater besaß.
Wir sehen, die volkstümliche Überlieferung erschöpft bei weitem nicht und kann ihrer Natur nach nicht erschöpfen das viel bedeutendere und mannigfaltigere geschichtliche Wesen und Wirken Rudolfs von Habsburg. Aber sie hat das Andenken an ihn getreulich weitergeleitet durch die Jahrhunderte, bis die ernstere Frau Historia der treuherzig lieblichen Schwester den Griffel aus der Hand nahm und die Gestalt des ersten großen Habsburgers in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit zeichnete. Und wenn wir heute, nach sieben Jahrhunderten, fragen, was der dauernde Erfolg von Rudolfs tatenreichem Leben gewesen, so berührt die Antwort uns deutsche Österreicher am meisten: es war der Erwerb der österreichischen Länder für das Haus Habsburg. Was Rudolf von Habsburg mit dem Schwerte und mit meisterhafter Staatskunst geschaffen, das wollen wir auch heute, da außen und innen der Sturm tobt, mit dem Schwerte und in Treue wahren und verteidigen.
(Quelle: Redlich, Oswald: Rudolf von Habsburg in der volkstümlichen Überlieferung, Sonderdruck aus dem „Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich“, 1918, S. 1-11.)

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Der folgende, lange Textabschnitt von Pater Maurus Feyerabend ist hier nachfolgend eingepflegt (s. demnächst auch als separate Word-Datei). Rudolf von Habsburg wird am Ende von Band 2 als Schutzvogt aufgeführt. Feyerabend nennt auch ansonsten weniger bekannte Details, so die Belagerung Stuttgarts oder den Kampf gegen diverse lokale Raubritter (Babenhausen und Stephansried). Ob König Rudolf von Habsburg jemals in Ottobeuren war oder ob er bei den Kämpfen gegen die Raubritter selbst beteiligt war, geht nicht hervor. Genannt wird zumindest der Hoftag in Augsburg am 27. Dezember 1282. Interessant sind die erwähnten Ablässe, die Verhandlungen mit Heinrich von Mindelberg über die Rechte an der Kirche in Sontheim. Feyerabend erzählt auf S. 448 f. daneben von der Nachfolge auf Abt Heinrich III. von Bregenz (1266 - 1296), Abt Konrad II. (1296 - 1312), unter dessen Regentschaft in der Abtei Ottobeuren die Moral anscheinend ziemlich zusammenbrach:
„Auf Heinrich den III folgte sogleich am zweiten Tage der einstimmig gewählte Konrad der II, ein Mann, der in vielen Stücken eine sehr schwache Seite zeigte, und in die Fußtritte seines würdigen Vorfahrs nicht eintrat. (…) Zu Hause ließ der allzunachsichtige Abt die Klosterordnung in vielen Stücken zerfallen ; die Mönche fiengen an, als Herren vom Adel zu leben, maßten sich inner und ausser den Mauern eines Privateigenthums an, schwärmeten der einsamen Zelle überdrüssig von aussen umher, setzten sich über den Geist ihres Berufes hinweg, und gewöhnten sich, nachdem ihre Vorgänger länger, als fünfhundert, und dreißig Jahre die erbaulichsten und schönsten Beispiele eines sehr vollkommenen Tugendlebens aufgestellt hatten, an eine leichtfertige Weltsitte, die ihrem Berufe Unehre zuzog, den Segen Gottes entfernte, manche Aergernisse veranlasste, und die Quelle von vielem Unheile ward.“
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Hinweise zur Abschrift: Die ursprüngliche Orthografie wurde beibehalten, wenige Male wurden in eckigen Klammern Verebesserungen oder aktuelle Hinweise eingefügt. Der Zeilenumbruch wurde verändert.

(420)
(…)
§. XIX.

J. 1271. Nach der schimpflichen Hinrichtung des unglücklichen Konradins, und seiner ergebensten Freunde sah es mit Deutschland schlimmer, als jemals aus. Man achtete auf keine Gesetze, und die Reichsversammlungen waren bei der allgemeinen Verwirrung beinahe ganz unmöglich geworden; das Recht des Stärkern, oder das so genante Faustrecht veranlaßte aller Orten grosse Verheerungen; Schwaben war in kleine Theile zerstückelt, in Schwaben, und Franken zugleich die herzoglichen Stämme erloschen. Alphons von Kastilien, welchen einige Fürsten schon vor mehrern Jahren als König gewählt hatten, betrat, so lange er den königlichen Titel führte, den deutschen Boden mit keinem Fusse, und den andern König
Rich-

* Chronologia Ottenb. Archivarii nostri Galli Sandholzer pag. 26. Albertus Kretz & alii Scriptodom estici tres.


(421)
J. 1272. Richard von Kornwall, nachdem er die ungeheueren Schätze des englischen Geldes erschöpft, und zersplittert hatte, verliessen die deutschen Fürsten von selbst, spotteten desselben, und sagten : Sie hätten ihn nicht seiner schönen Augen, sondern seiner Sterlinge wegen geliebt. *
Ueberhaupt bei dem anarchischen Zustande des zerrütteten Reichs suchte jeder einzelne Stand
einzig für sich, und von den andern unabhängig zu seyn, welches auch bei diesen Zeitumständen der Reichsritterschaft, und den einzelnen Städten meistens gelang. So stund es mit Deutschland am Ende des grossen Zwischenreiches, welches nach einigen vier und zwanzig, nach andern neunzehn Jahre, und wieder nach andern, wie die Ansichten der Gelehrten verschieden sind, eine noch kürzere
Zeit andauerte. Im Ganzen ward die Macht der Kaiser allmälig beschränkter, die Rechte der Stände vergrössert; die Lehen wurden
bei

* Eine äusserst seltene, um das J. 1474 ohne Kustos und Seitenzahl zu Straßburg gedruckte deutsche Chronik drückt sich so aus :
„ Do der Kenig Reichhart bis gen Basel kam,
„ do het er nicht me auß ze geben, do schie-
„ dent die fursten und herrn von im, und
„ liessen in, sprachent, er solt nit wenen, das
„ sy in anders lieb hettend gehept, denn um
„ sein Gelt, do Zoch er wider in sein lant,
„ und ward sein darnach nit me gedacht.


(422)
J. 1272. beinahe ohne alle Ausnahm erblich, und giengen auf die Familien über. In den Reichsversammlungen wählten die Stände den Kaiser, oder setzten ihn ab ; sie beschlossen Krie-
ge, machten Bündnisse, oder schlossen den Frieden ; in den eigenen Landen hatten sie das Recht Kriege zu führen, Gesandte zu schicken, Festungen anzulegen, Messen zu errichten, Münzen zu prägen, Zölle einzunehmen, Erbbeamte nach dem Beispiele der hohen Reichsbeamten, welche um diese Zeit anfiengen als Churfürsten zu erscheinen, und allen übrigen Reichsadel von dem Rechte der Kaiserwahl auszuschliessen, an ihren Höfen zu haben, alle bürgerliche, und peinliche Rechts-
fälle der Privaten sowohl, als ihrer Landstände zu entscheiden, und zu vollziehen ; kurz, man sah während des grossen Zwischenreiches bald eine ziemliche Menge der kleinen Monarchen, welche jedoch zu manchen Opfern ihrer Unabhängigkeitsrechte genöthiget wurden, als das Reich mit einem neuen rechtmäßig gewählten, und allgemein anerkannten Oberhaupte beglücket wurde.
Drit-

(423)
….................................................
Dritter Zeitraum oder Epoche:
Von Rudolph Habspurg, dem ersten Oesterreichischen Kaiser
Im J. 1273 bis auf den Tod Karl des vierten im J. 1378.

§. I.

J. 1273. Nun war es nach einer so langen und allgemeinen Verwirrung der allgemeine Wunsch
der deutschen Nation, daß Deutschland mit einem klugen, tapfern, und allgemein anerkannten Reichsoberhaupte versorgt werden möchte ; selbst der friedfertige, und rechtschaffene Pabst Gregor der X. betrieb es mit Ernste, und drohete so gar, im widrigen Falle sich des Reiches selbst anzunehmen. Wirklich ward der Wahltag nach Frankfurt ausgeschrieben, und Friedrich der Burggraf von
Nürn-

(424)
J. 1273. Nürnberg war der erste, welcher den Rudolph von Habsburg in Vorschlag brachte ; Werner
der Erzbischof zu Mainz unterstützte den Burggrafen, und rühmte so viel Gutes von ihm, daß die gesammten Grossen des Reichs für ihn eingenommen wurden. Man war auch schon vor dem Wahltage überein gekommen, keinen andern für einen König zu erkennen, als welcher von dem Grossen des Reichs einstimmig gewählt seyn würde. Damit nun bei den Grossen aller Mißhelligkeit vorgebeugt würde, so kompromittirten sich alle auf ihren Kollegen, den Pfaltzgrafen Ludwig, welcher sodann den feierlichen Ausspruch für Rudolph that. * Rudolph, ein Sohn Albrechts des Weisen, Graf von Habsburg, und Kiburg nebst dem Titel eines Landgrafen von Elsaß, sieben und fünfzig Jahre alt, besaß zwar damals im Elsaß, in der Schweitz, und in Schwaben beträchtliche Güter, und stellte im Reiche einen angesehenen Herrn vor ; war aber doch nicht so mächtig, daß die Stände des Reichs wegen ihrer Freiheit vieles zu sorgen, oder zu fürchten hatten. Ein damaliger Bischof sagte
von

*Struvius corp. Hist. germ. Period. IX. pag. 516. Hiemit stimmt auch unser Calendarium ms. überein, wo es heißt : Anno Domini MCCL XXIII Ruodolfos comes in regem apud Franchin-
fwrt eligitur, fol. 16.


(425)
J. 1273. von ihm, “ Rudolph hätte die Weisheit des Sohns, und die Liebe des Geistes, nur fehlte ihm die Macht des Vaters. “

Rudolph, welcher nichts weniger erwartete, als daß er zum Kaiserthume erhoben werden sollte, lag zu jener Zeit eben vor Basel, als Friedrich der Burggraf von Nürnberg ihm die Nachricht von seiner Wahl überbrachte. Die feierliche Krönung zu Aachen gieng noch im nämlichen Jahre am letzten Tage des Weinmonats [am 24. Oktober 1273] vor sich, und sogleich nach der Vollbringung der feierlichen Krönung geschah es, daß der Kaiser, als es an einem Szepter fehlte, wodurch nach altem Herkommen sonst die Belehnung geschah, und die Fürsten deßwegen über den Lehenempfang einiges Bedenken äusserten, ein Kruzifix ergriff, und mit ,, lauter Stimme sagte : “ Sehet das Zeichen, wodurch wir, und die ganze Welt ist erlöset worden ; lasset uns dasselbe anstatt eines Szepters gebrauchen. “ Worauf Rudolph der Erste das Kreuz küßte, und nach ihm alle sowohl geistliche, als weltliche Fürsten, welche auf diese Weise die Lehen empfiengen, und dem neuen Reichsoberhaupte den Eid der Treue schwuren. * Diese Geistesge-
gen-

* Rudolfus statim exegit a pricipibus clericis & lacis fidei juramentum. Quod cum recusarent
prop-


(426)
J. 1273. genwart machte auf alle anwesende Fürsten einen sehr guten Eindruk ; was aber, ehe man noch den Krönungsort Aachen verließ, die Ruhe Deutschlands auf weitere Zeiten hin sicherte, und die Herzen der mächtigsten deutschen Fürsten mit dem neuen Kaiserhause sehr enge verband, waren die auf die Verwendung des Erz[b]ischofes zu Mainz neu abgeschlossenen Ehen. Die Töchter Rudolphs wurden an die ersten Fürsten, nämlich die Prinzessinn Mathild an den Pfalzgrafen Ludwig, die Prinzessinn Agnes an den Albert von Sachsen, die Prinzessinn Hedwig an den Otto von Brandenburg verehlichet ; auch Albert, der Sohn Rudolphs, vermählte sich mit Elisabeth, einer
Tochter des Tirolischen Grafen Meinhards, welcher nachmals Herzog in Kärnthen ward, und so waren es so gleich Anfangs nicht ungerechte Eroberungssucht, und Waffengewalt,
son-

propter sceptri absentiam, ipfe electus signum crucis accipiens talia dixisse fertur : Ecce signum, in quo nos, & totus mundus est redemptus ; & hoc figno utamur loco sceptri. Et deosculata cruce omnes principes tam spirituales, quam seculares ipfam crucem loco sceptri osculantes, recipientes feuda sibi fidelitatis juramentum praestiterunt. Heinricus Stero ad A. 1274. Eberhardus ad A. 1273. &c.


(427)
J. 1273. sondern Liebesverbindungen, welche die Macht des österreichischen Kaiserhauses gründeten, und ansehnlichst vergrösserten. *
Den ersten Reichstag [Hoftag; am 26. Oktober 1273] hielt Rudolph zu J. 1274. Nürnberg, wo über die Ruhe, und Sicherheit des Reiches gesprochen wurde, die sich das Reichsoberhaupt nahest angelegen seyn ließ. In den Zeiten des verworrenen Zwischenreiches hatten sich manche Grossen, manche Fürsten, und auch andere vom geringern Range nach einer verschiedenen Begünstigung
der Zeitumstände mit den Lehen des erloschenen Herzogthums Schwaben bereichert ; Rudolph drang auf die Zurückgabe derselben [Revindikation], und vereinte sie wieder mit dem Reiche. Alles
gieng bei dieser Reichsversammlung eines ruhigen Schrittes ; nur Ottokar der König von Böhmen, welcher sich wegen verweigerter Stimme bei der letzten Königswahl für beleidiget hielt, und dessen mächtiger Allirter, Herzog Heinrich von Niederbaiern, fanden sich auf Einladung, bei diesem, und auch bei andern folgenden Reichstagen nicht ein. Im J. 1275. starb der Herzog von Oesterreich ; nun fiel Ottokar, weil der Herzog keine Erben

* Struvius corp. hist. Germ. Period. IX. Pag. 517. Titel : Ausführungen zur deutschen Reichs-
geschichte. Seite 622. I. Band. Heinricus Stevo &c.


(428)
J. 1275. hinterlassen hatte, in das erledigte Herzogthum mit einer Armee ein, und suchte dasselbe ohne alle Rücksprach mit dem Kaiser und Reiche als ein ihm angefallenes Erbland mit Gewalt zu behaupten. Rudolph erfuhr es so gleich, brach mit einer Armee über Regenspurg und Passau nach Oesterreich auf, bediente sich das erstemal wider seinen Gegner zur Uebersetzung der Donau einer, nach heutiger Art zusammen gesetzten Schiffbrücke, rückte vor die Stadt Wien, die er belagerte, bemächtigte sich im folgenden Jahre so wohl derselben, als des ganzen Herzogthums Oster-
J. 1276. reich, und versetzte den Ottokar in eine so klemme Lage, daß er fußfällig um Verzeihung und Gnade bat. Der gute Rudolph, dessen Sache es nicht war, Rache zu üben, begnügte sich mit einigen Bedingnissen, und nothwendigen Forderungen, die er dem überwundenen Könige vorschrieb, setzte sich über alles andere großmüthig hinweg, und belehnte so gar den besiegten Fürsten mit Böhmen, und Mähren. *

Hiemit hätte sich Ottokar allerdings auf eine längere Zeit beruhigen können, und sollen ; allein die Königinn [Kunigunde], und die andern von seiner Familie lagen ihm stets in den Ohren,
und

* Trithemius ad A. 1274. & seqq. Struvius loc. Cit.


(429)
J. 1278. und schnaubten nach einem neuen Kriege, welcher auch im J. 1278 den 26 Oktober zu seinem Unglücke begann. An persönlicher Tapferkeit mangelte es nicht ; Ottokar, von seinen Jugendjahren an in den Waffen beßtens geübt, stritt als ein Held seiner Zeiten ; das Gefecht, welches Rudolph mit seinen Schwaben, Franken, und Rheinländern gegen ihn bestand, war hartnäckig und blutig ; erst nach langem Blutvergiessen fiel Ottokar, von den Seinigen verlassen, und überließ dem Sieger Rudolph das Feld, welcher sodann Böhmen eroberte, oder vielmehr Mähren, und Böhmen, die sich ergaben, in Schutz nahm, ohne sich eines, oder das andere Land sogleich eigenmächtig, und gegen die reichsgesetzliche Ordnung eigen zu machen ; denn als ein strenger Verfolger aller Gesetzlosigkeit erlaubte sich Rudolph selbst in keinem Falle einen gesetzwidrigen Schritt. *

J. 1279. Im nächstfolgenden Jahre genoß Ottenbeuren das Glück, auf einige Tage den Herrn Bischof von Brixen Bruno als Gast zuverehren. Der würdige Kirchenprälat beschenkte die hiesige Kirche auf die vorzüglich-
sten

* Staindelius in Chronico apud Oefelium rerum boicarum Tom. I. pag. 511.


(430)
J. 1279. sten Festtage des Jahrs mit einem Ablasse, und reisete vergnügt von dannen. *

§. II.

J. 1281. Nachdem der böhmische Krieg beendiget, Rudolph in die Stadt Wien als Sieger eingezogen, und in Steiermark alles in Ordnung gebracht war, besuchte er die Reichstage zu Frankfurt, und Nürnberg, wo schwere und scharfe Verordnungen wider die edlen Ritter in Deutschland erlassen wurden, die von ihren Burgen aus, als von eben so vielen Raubnestern, raubten, plünderten, und die öffentliche Sicherheit muthwilligst befährdeten. ** Rudoph selbst waffnete einen
Theil

* Cum in dedicatione, atque festivitatibus eorundem Patronorum, & aliarum praecipuarum Solennitatum - - - non modicus ibidem conveniat concursus fidelium, atque vos inceffanter pia charitatis opera supervenientibus studeatis erogare ; Nos de omnipotentis Dei misericordia - - concursus fili de injuncta poenitentia 40. dies criminalium, & 100 venialiom - - inibi confluentibus autoritate presentium vobis, vestrisque Successoribus indulgemus. Datum apud Uttinburen A. D. 1279. 6to Calend. Septembris. lndict. VII.
* Eodem anno octogesimo primo conventum Ru-
dol-


(431)
J. 1281. Theil seiner Krieger, und zog, um den Reichsverordungen allen Nachdruck zu geben, gegen diese Räuberbanden aus. In unserer Gegend befanden sich noch mehrere solche Raubnester, unter welchen Schönegg unweit Babenhausen namentlich angeführt wird. Ein gewisser Ritter Ulrich hatte damals diese feste Burg inne; * ohne Gnade zerstörte Rudolph dieselbe, ** und das nämliche mag auch zu gleicher Zeit der festen Burg zu Stephinsried [Stephansried], von welcher unsere Urkunden von dieser Zeit an mit keinem Worte mehr melden, und mehrern andern umher widerfahren seyn.
J. 1283. Nach so vielen Anstrengungen für die Herstellung der öffentlichen Ruhe, und nach so manchen Gefahren des eigenen Lebens war nun doch der gute Rudolph nicht zu verdenken, wenn er nun auch als ein guter Vater

dolfus ccleberrimum Francofurti habuit, in quo contra praedones, & grassatores, qui superiorum temporum licentia per Germaniam multi passim faeviebant, multa decrevit. Eorum post latibula, & arces plerasque evertit. Hartmanni annales eremi pag. 256.
* Dieser Ulrich de Schönegge kömmt weiter in einer ottenbeurischen Originalurkunde auf das J. 1288, als Zeuge vor.
** Soluto conventu Caesar, conscripto raptim milite, Raichenstainan, & Schoeneggiam, alias quoque non nullas arces latrocinantium expugnat. Struvii cerpus hist. Germ. Fol. 525.


(432)
J. 1283. für seine Familie sorgte. Oesterreich kam in diesem Jahre unter das Haus Habsburg, und
zwar mit voller Begnehmigung, und Uebereinstimmung des Reiches. Es wurde deßwegen auf dem Reichstage zu Augsburg Albrecht, der Sohn Rudolphs, mit Oesterreich, Steiermark, Krain, und der windischen Mark feierlich belehnt; Kärnthen aber gab Rudolph mit Vorbehaltung des Rückfalls an Österreich dem Grafen Meinhard von Tirol, welcher hiemit Herzog von Kärnthen ward. * Dieses war nun eine der ersten Vergrösserungen des hievon benannten österreichisch habspurgischen Hauses.

J. 1286. Wer sich nach so vielen Bemühungen des Kaisers für die allgemeine Ruhe und Sicherheit noch nicht zum Ziele legte, war der unruhige Graf Eberhard von Würtemberg, der seine Ehre darinn suchte, sich einen Freund Gottes, und aller Welt Feind zu nennen. Auch wider diesen zog Rudolph zu Felde, verheerte dessen Land, belagerte Stuttgart, und hob die Belagerung eher nicht auf, als bis der eingeschlossene Graf um Gnade
bat,

[https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_I._%28W%C3%BCrttemberg,_Graf%29]
* Poftmodum eundem ducatum eidem domino Alberto, & Rudolfo, filiis suis, contulit. Heinricas Stero ad A. 1281. Item confirmatio privilegiorum austriacorum Rbeinteldiae 11. mensis junii A. 1283.


(433)
J. 1286. bat, und Stuttgart zu übergeben, die Mauern der Stadt zu zerstören und alles Geraubte zurückzustellen versprach. * Damals wurden Eßlingn, Reutlingen, und Heilbronn aus Dörfern Städte ; denn Rudolph wollte diese Plätze wider fernere Anfälle gesichert wissen, und hieß dieselben mit Mauern umgeben.

Zu der obigen Aussöhnung des Grafen Eberhards mit dem Kaiser trug damals Heinrich der Erzbischof von Mainz nicht wenig bei, der sich zu Ulm aufhielt, und bei der bemeldten Geschichte das Amt eines Mittlers mit gutem Erfolge auf sich nahm. Auch unser Abt Heinrich III. scheint damals, vermuthlich wegen der Zurückstellung der von dem Grafen Eberhard schon früher geraubten, und in dem Wirtenbergischen gelegenen Klosterbe
J. II B. 28 si-

1283. facta apud Struvium pag. cit. Lambec. Comment. de Biblioth. Caes. Vindobon. p. 330.
* Ipfe etiam Dominus de Wirtenberk, cognatus regia, obsessus de castro descendit, & ad pedes advolutus se & sua tradidit in regiam potestatem. annales Colmarienses ad A. 1286.
** Rudolphus etiam superioris Sueviae loca quedam uti injuriae minus opportuna essent, Esslingam, Reutlingam, & Heilbrunnam maenibus cingi, & ex pagis oppida fieri jubet. Strnv. 1. cit, pag. 526.


(434)
J. 1286. sitzungen, sich in Ulm aufgehalten zu haben. Denn auf dessen Ansuchen begnadigte der Herr Erzbischof Heinrich von Mainz für den Grünendonnerstag, für die Tage der Bittwoche, für die Festage der heiligen Blutzeugen Alexander, und Theodor, der Himmelfahrt Mariens, des heiligen Erzengels Michael, und aller Heiligen die hiesige Stiftskirche mit einem Ablasse. * Vier Jahre vorher that das Nämliche auch Bischof Friedrich von Freisingen, welcher die eben ernannten Festtage noch mit jenem der heilige Alexander, Eventius und Theodulus vermehrte, den Festtag der Himmelfart Mariens aber mit jenem ihrer Geburt verwechselte. Uebrigens wird der Ablaß nicht,
wie ehedem, dem Abte, und seiner Dispense überlassen, sondern den Gläubigen, welche sich desselben durch eine wahre reumüthige Beicht, und Busse würdig machten, überhaupt mitgetheilt.
* * Die erste Formel von dieser Art für Ottenbeuren.
Nie-

* Am Ende des Gnadenbriefes heißt es : Et quia sigillum nostrum magnum habere non potuimus, presentes literas in veritatis testimonium secreto noftro sigillo duximus confirmandas. Datum Ulme A. D. MCCLXXXVI. Indict XIII. Calend. Julii.
** Omnibus christi fidelibus - - pure confessis & contritis, nec non his, qui dicto monasterio manum porrexerint adjutricem, 40 dies, dummo-


(435)
J. 1288. Niemals vorher ergossen sich aber auf einmal so viele Ablässe über die hiesige Kirche, als eben in dem laufenden Jahre. Zur Erlangung derselben gab unserm Abte Heinrich der nach Würzburg ausgeschriebene Reichstag Gelegenheit, welchem er neben mehrern höhern
Kirchenprälaten beiwohnte, und worauf ein dreijähriger allgemeiner Friede für das Reich in deutscher Sprache verkündiget wurde. * Unter den höhern Kirchenprälaten fanden sich damals zu Würzburg ein Rudolph der Erzbischof zu Salzburg, und Legat des apostolischen Stuhls, Tobias der Bischof zu Prag, Heinrich der Bischof zu Regenspurg, Friedrich der Bischof zu Chur, Konrad Bischof zu Tull in Lothringen, und Sinerid, oder Sifrid der Bischof zu Augspurg, welcher nicht
nur selbst für die hiesige Kirche einen geistlichen Gnadenbrief ausstellte, sondern auch die ertheilten Ablässe der ebenbemeldten Bischöfe von 28 *
Or-

do consensus episcopi ordinärii concesserit, de injuncta sibi poenitentia misericorditer relaxamus. Fortnulae indulgentiarum ad fidem original.
* Dirre (dieser) Lantfriede wart gemachet, und dirrer Brief wart gegeben ze dem offenen Hoffe in dem Concilien ze Würzebure an dem Palmtage, da man Zahlt von unsers Herrn Geburt tusend Zweihundert und siben und achzie Jar. Lehmann Lib. V. Cap. CVIII.


(436)
J. 1288. Ordinariatswegen bestättigte. * Alle diese einzelne Gnadenbriefe haben eine gleichlautende
Formel, sind auf die nämliche Festtage des Jahrs, wie jener des Mainzischen Herrn Metropoliten vom J. 1286, gestellt, drücken beinahe einen ganz gleichen Nachlaß der Kirchenstrafen aus, und sind alle, bloß mit Ausnahme des Schreibens von dem Bischöfe Heinrich von Regenspurg, an einem, und dem nämlichen Tage des 1287sten Jahres zu Würzburg gefertiget. ** Abt Heinrich, welcher solche Gnadenbezeugungen eifrigst suchte, kehrte deßwegen sehr vergnügt, und erfreuet nach Hause zurück.

Dort bot sich ihm neuerdings eine so lange erwünschte Gelegenheit an, einen schon mehrere Jahre anhaltenden Rechtsstreit mit der
Nach-

* Sineridus D. G. Augustensis ecclesie episcopus electus, & confirmatus universis Christi fidelibus - - - Approbamus liquidem & confirmamus omnes indulgentias undecunque ipsi monasterio indultas, aut etiam indulgendas, decernentes presentium auctoritate ipsas robur & effectum joxta continentiam literarum super eisdem indulgentiis obtentarum obtinere. Datum anno Domini MCCL XXXVII. V. idus Martii Indict. XV. Ad fidem original.
** Datum Herbipolis A. D. MCCL XXXVII. V. idus Martii. Indict. XV.


(437)
J. 1288. Nachbarschaft auf gütlichen Wegen in's Reine zu bringen. Nicht nur der edle Ritter Heinrich von Mindelberg, sondern schon dessen Vorfahren, die edlen Schwiger von Mindelberg, Vater und Sohn, waren mit dem benachbarten Stifte Ottenbeuren [Ottobeuren] wegen des streitigen Patronatrechs [Patronatrechts] über die Pfarrkirche zu Suntheim [Sontheim] in einen Rechtsstreit verflochten. Nun näherte man sich von beiden Seiten ; Ottenbeuren machte nach geflogener Rücksprache mit seinen Freunden, und besonders mit den Rechtsgelehrten desselbigen Zeitalters, worunter damals die von dem Dekret des Mönchs Grarian so genannten Dekretisten, und die voll der Sammlung der päbstlichen Dekretalen sogenannten Dekretalisten bei geistlichen Gegenständen verstanden wurden, den ersten Schritt zu einem Vergleiche * Abt
Hein-

* Die Urkunde ist folgende : In Nomine Domini Amen. Nos Heinricus divina permissione Abbas, totusque conventus monasterii in Uttinbiren, & Heinricus de Mindelberg universis, ad quos presentes pervenerint, salutem, & sinceram in Domino chariratem. Ad eternam rei memoriam expedit, ut facta hominum roborentur testibus & seriptura. Eapropter noverit discretio vestra singulorum, quod quoniam inter nos Abbattem & conventum ex una, & Heinricum de Mindel-
berg & antecessores meos ex altera parte contro
ver-


(438)
J. 1288. Heinrich leistete volle Verzicht zu Gunsten des Heinrichs von Mindelberg, und dessen Erben auf alle Rechte über die Kirche zu Suntheim ; der edle Heinrich von Mindelberg hingegen
übertrug an Ottenbeuren für ewige Zeiten das ihm, und dessen Vorfahren ganz eigen zugehörige Patronatrecht über die Kirche zu Erisried, und hielt sich bloß das von altersher inne gehabte Schutzrecht über dieselbe bevor.
Sin-

verfia, seu questio super jure Patronatus ecelesie in Suntheim aliquamdia verteretur, tandem concordati nos Abbas & conventus communicato consilio dominorum, & amicorum nostrorum prudentiam, & juris peritorum omni jure, quod nobis Sa predicta ecclesia Suntheim competiit, & competere videbatur, prefato Heinrico de Mindelberg & heredibus suis libere duximus renunciandum. Ego vero Heinricus de Mindelberg jus patronatus ecclesie in Erisried, quod titulo
proprietatis mihi & antecessoribus meis pertinebat, in ipsum D. Abbatem & conventum in Utinpüren transtuli pleno jure pro me, & heredibus meis creatis & procreandis, per ipsos Abbatem & conventum tenendum perpetim, & possidendum, salvo tamen jure advocaticio ejusdem ecclesie Erisried, ab antiquo debito mihi, & heredibus meis universis.
Nos vero Sineridus D. G. ecclesie Augustensis episcopus, prospicientes commodum, & utilitatem partium earumdem, & presertim monasterii
pre-


(439)
J. 1288. Sinerid, oder Siegefried der Bischof zu Augspurg [Augsburg] bestätigte mit Begnehmigung des Domkapitels in Gegenwart vieler Zeugen diesen Vergleich, worüber die rechtsförmliche Urkunde im J. 1288 den 5ten Jänner [Januar] zu Augspurg ausgefertiget wurde.
§. III.

predicti, renunciationi, & translationi hujusmodi de voluntate capituli nostri consensum nostrum duximus adhibendum.

In quorum omniura sufficiens testimonium & plenam firmitatem presentes nos Sineridos episcopus nostro, Dni M. solastici, & magistri, B. plebani ecclesie augustensis, & Heinrici de Mindelberg rogati sigillis a partibus dedimus communitas.

Testes sunt F. Abbas de Elchingen, Wernherus de Sevvelt. Heinricus Sturm archidiaconus ecclesie nostre. Dnus Udalricus de Schönegge. D. Heinricus de Munster, D. Wielinus miles. D. B. de Riedin miles. B. & H, filii ejusdem. H. dictus Gunzer (Flusser) Heinricus de lngenried. Conradus minister de Pfaffenhusen. R. minister de Uttinpuren, & alii quam plures. Datum & actum Auguste A. D. MCCL XXXVIII. Nonis Januarii. Ad fid. Origin. Wielinus, & ejus frater erant militer de Redenbenc. Cfr documentum apud Stadelhofer de a. 1278. chron. Roth pag. 135.


(440)

§. III.

J. 1291. So lange Kaiser Rudolph, von einigen mit Recht der zweite Schöpfer des deutschen Reiches genannt, am Leben war, und das Reichsszepter führte, genoß Deutschland einer beharrlichen Ruhe; allein die letzten Jahre seines theuersten Lebens näherten sich. Auf einer Reise nach Elsaß fühlte Rudolph eine schwere Entkräftung, den nahen Verbothen seines Endes ; er wünschte zu Speier, dem alten Begräbnisorte der Kaiser, zu sterben, ließ sich auch deßwegen zu Schiffe den Rhein herab führen ; kam aber weiter nicht, als bis Germersheim, wo er vom Tode übereilt nach einer achtzehnjährigen ruhmvollesten Regierung den 15ten des Heumonats [Juli] starb. * Rudolph war der Erste, welcher das so genannte Recht der ersten Bitte (Primaium precum ** ) in
Aus-

* Struvii corp. hist. germ. pag. 532. Schmidt deutsche Geschichte V. Band VII. Buch. S. 79.
** Von Wöllstadt Chronologischer Abriß der deutschen Geschichte IX. Zeitraum Seite 41. Dieses Recht der ersten Bitte bestand darinn, daß sich ein jeweiliger Kaiser befugt hielt, in jedem geistlichen Stifte in Deutschland ein Kanonikat, oder sonst eine Freipräbende zu vergeben, und biezu ein ihm gefälliges Subjekt zu ernennen. Man hieß
ein


(441)
J. 1291. Ausübung brachte, und das erste Reichsoberhaupt aus dem österreichisch habspurgischen
Kaiserhause ; unter ihm erhielt das Reich neuerdings eine dauerhafte Verfassung, und das Haus Brandenburg in der Person des Friedrichs von Hohenzollern, welchem Rudolph die Burggrafschaft Nürnberg, als ein Erblehen, verliehen hatte, die erste Anlage zu seiner spatern Vergrößerung. Im letzten Jahre seines um das Reich verdientesten Lebens wollte der gute Kaiser seinen Sohn Albrecht als römischen König noch gewählt, und gekrönt sehen ; erreichte aber auf dem nach Frankfurt ausgeschriebenen Reichstage seine gerechteste Absicht nicht ; indem die Churfürsten des Reichs
einerseits besorgten, hiedurch der Eigenschaft eines Wahlreiches in Deutschland zu nahe zutreten;
andererseits aber sehr langsam zu einer neuen Kaiserwahl schritten. Mehr als neun Monate verflossen darüber, bis sie endlich im J. 1292 den ersten Tag des Maimonats einen J. 1292. gewissen Adolph von Nassau, als Reichsoberhaupt wählten. Die Eltem Adolphs waren
dem

ein so ernanntes Subjekt einen Panisten, und in der Folge erhielt auch Ottenbeuren, als ein unmittelbares Reichsstift, zur Verpflegung mehrere solche Panisten, wovon jeder Einzelne sich zum Mitgenusse des Konventtisches berechtiget hielt.


(442)
J. 1292. Walrab der Graf von Nassau, und Adelheit, eine Gräfin von Katzenellenbogen ; an dem Könige Adolph selbst rühmt die Geschichte manche schöne Eigenschaften, und Fürstentugenden ; allein aus Mangel der Macht und des Reichthums konnte er die kaiserliche Würde mit dem gehörigen Ansehen nicht behaupten, * und da er sich bei der Führung der Reichsgeschäfte meistens von Gerard, dem Churfürsten, und Erzbischofe von Mainz, leiten ließ, so nannte man ihn spottweise den Pfaffenkönig. * * Uebrigens benahm sich Adolph gegen die festen Burgen und Raubschlösser eben so strenge, als Rudolph dessen Vorfahr am Reiche, und zerstörte eine namhafte Menge derselben. Dieses Benehmen des Kaisers mag zu dem folgenden Ereignisse eine Veranlassung
gegeben haben.

J. 1293. Zwischen dem Flecken Erkheim, und dem Dorfe Günz stand damals auf dem Leimperg,
jetzt in der Volkssprache Löwenberg genannt,
eine

* Adolph hatte nicht so viel baares Geld die Kosten der Krönungsfeier zu Frankfurt zu zahlen. Der Churfürst von Mainz leistete für den König Bürgschaft, und versetzte für einen Werth zu 20000 Mark Silbers Dörfer und Burgen. Annal. Colmariensis ad a. 1292.
** Serrarius rerum. Mogunt. L. XXII pag. 847.


(443)
J. 1293. eine sehr feste Burg mit starken Umgebungen, und einem Wall, welches dem damaligen St
blasianischen Priorat Ochsenhausen, als Eigenthum, angehörte. Da nun alle Bergschlösser, und Burgen, wie es schien, von dem kaiserlicher Zerstörungsplan bedrohet wurden, und die selbst eigene Zerstörung für ein weit entlegenes Kloster mit grossen Kosten verbunden war, so faßten der Prior, und die bemeldte Klostergemeinde den einmüthigen Entschluß, allen Grund und Boden, worauf das feste Schloß sammt allen seinen Umgebungen ruhete, zu verschenken , und mit den Bedingungen abzutreten, daß von Seite des hiesigen Stiftes so wohl die feste Burg, als selbst der Berg um etwas abgetragen, und der Platz so hergestellt werde, daß keine Festung mehr Platz fände ; der übrige Theil des Berges aber der Klostergemeinde zu Ochsenhausen, wie ehedem, mit aller Nutzung grundeigen verbleibe. Ottenbeuren erfüllte die angehängten Bedingungen, und so kam der ehedem befestigte Theil des Limpergs, oder Löwenbergs der untenbemerkten Urkunde gemäß an das hiesige Stift. *
Mit

* Omnibus christi fidelibus presentes literas inspecturis Prior totusqne conventus monasterii in Ochsenhausen ord. S. Bened. constantiensis dioecesis ad monasterium S. Blasii pertinentis cum charitatis affectu notitiam subscriptorum. Noverint quos nosse fuerit opportunum, quod cenobii nostri utilitate inspecta subtilius & pensata,


(444)
J. 1295. Mit Sifrid dem Abte des Klosters Schwarzach erneuerte Abt Heinrich jenen frommen Bundsverein, welchen unser Abt Konrad der I mit dem Abte Theodorich von Schwarzach schon im J. 1227 geschlossen hatte, und es wurde neuerdings hierüber eine Urkunde gefertiget. * Was übrigens dem frommen Abte
Hei-

tractatu intet nos prehabito diligenti, Reverendi, in christo dominis abbati & conventui monasterii in Uttinpuren - - - proprietatem loci seo fundi, in quo castrom in Limperg constructum fore dignoscitur, infra septa & vailum ipsius castri donamus unanimiter omnes & finguli quorum interest, & donasse sub ea conditione & pacto, quod idem castrum & mons penitus destruantur, & ad eum statum reducatur mons ipfe, quod ad munitionem inibi de cetero faciendam prodesse nullatenus videatur, presentibus profitemur, nobis & ecclesie nostre in reliqua parte montis predicti cujus proprietas ecclesie nostre est in omnibus jure salvo, ad observationem Omnium & singulorum premissonum, dolo & fraude prorsus semotis nos & successores nostros firmiter obligantes. In horum evidentiam prefens instrumentum donationis prelibatis abbati & conventui in Uttinpuren, & ipsoram monasterio tradimus sigilli nostri munimine roboratum, Datum A. D. MCCLXXXXIII. XII Calend. Iuny Indict. VI.
* In Nomine S. Trinitatis Heinricus dei gratia abbas in Uttenbeüren, & Sifridus eadem gratia


(445)
J. 1295. Heinrich, welcher, wie man schon oben bemerkte, für die Ablässe sehr eingenommen war,
in seinem hohen Alter ein neues Vergnügen schaffte, war die fromme Willfährigkeit zwölf italienischer Erz- und Bischöfe, nämlich des Erzbischofes Rogerius zu St. Severin, der Bischöfe Franz zu Tavento, Manfred zu St. Marx, Jakobs zu Trevent, Guilielms zu Kalmi, Franz zu Terrento, Stephans zu Oppido, Gromerts zu monte viridi, Bonifaz von Parento, Emmanuels zu Kremona, Roberts zu Kaleno, und Franz zu Spoleto, welche Kraft eines mit zwölf Siegeln behängten
Gnadenbriefes * auf alle Hauptfeste des Herrn und seiner göttlichen Mutter, auf alle vorzügliche Feste der Heiligen, beinebens auf den Ein-
weih-

abbas in Schvarzach ac. Propo finem haec habentur : Hoc decretum sacrum & divinum in utroque
monasterio scribi & haberi in perpetuum rogamus, statuimus, & obtestamur per Iesum christum, qui utraque fecit unum, per ipsam sancte fraternitatis inseperabilem conjunctionem, & per felicem beate Felicitatis, & gloriosi ejus filii (Alexandri) patronatum — — Haec autem prenotata tarn sigillis, quam scriptis innovata sunt tempore Sifridi Abbatis Schwarzachensis Anno Domini MCCVC ultimo anno prelationis sue.
* Datum Rome quinto Kalendas apriL A. D. MCC LXXXXV Pont ificatus Dni Bonfacii pape VllI
anno primo, ad fidem originalis.


(446)
J. 1295. weihungstag der Stiftskirche, und aller darinn befindlichen Altäre verliehen hatten. Wolfhard der damalige Bischof zu Augsburg begnehmigte zwar alle die Ablässe, welche die bemeldten Bischöfe der ottenbeurischen Kirche verliehen hatten ; betreffend aber die Nachlaßtäge, und die Dauer der Ablässe selbst fügte er diese Beschränkung bei, daß anstatt vierzig Nachlaßtagen nur zehn gelten, und die Ablässe selbst nur für ein Jahr anwendbar seyn sollten. *

Auch in zeitlicher Hinsicht erlebte unser hochbetagte Abt Heinrich in seinem letzten Regierungsjahre noch etwas, das seinem alterswegen baufälligen Körper einigen Schwung, und einigen Krafttrost gab. Graf Eberhard von Katzenellenbogen, ein Muttersbruder des Kaisers, war unserm würdigen Abte beßtens geneigt, schätzte ihn wegen bekannter Frömmigkeit, und anderer schönen Eigenschaften sehr hoch, und bewies seine Hochachtung dadurch, daß er so wohl den Abt, als dessen Gotteshaus dem Kaiser zur besondern höchsten,
Huld

* Volumus easdem decem dies in nostra dioecesi in suo robore permanere. Ad unum annum presentibus valituris. Datum Auguste a. D. MCC LXXXXV undecimo Kal. Octobris. ad fidem
originalis.


(447)
J. 1295. Huld und Gnade allerangelegenst empfahl. Die Empfehlung war nicht ohne Erfolg. Kaiser Adolph bestätigte nicht nur in den allergnädigsten Ausdrücken die alten Gerechtsamen des Stiftes, und insbesondere das sehr wichtige Diplom Kaisers Friedrich II, sondern nahm auch Ottenbeuren in seinen, und des Reiches besondern, und unmittelbaren Schutz.
“ Wir nehmen, spricht der Kaiser in dem bemeldten Diplom, unsere Rücksicht auf die reine und verstellungslose Frömmigkeit, womit die ehrwürdigen und religiösen Männer, der Abt, und die Klostergemeinde zu Ottenbeuren dem Gottesdienste Tag und Nacht stets obliegen, und auf die unverletzteste Treue, wodurch sie sich gegen uns, und das, Reich glänzendst ausgezeichnet haben ; und wollen deßwegen ihr Kloster in geistlicher Hinsicht stets blühend, und im Zeitlichen stets wohlbegütert wissen. “ Die Urkunde ist zu Mergentheim vom 22ten Tag des laufenden Jahres gegeben. *

§. IV.

J. 1296. Dieses Jahr war für die Regierung des frommen Abtes Heinrich von Breganz das
letzte ; er starb eines seligen Todes den 22sten
Tag

* Man sehe die Urkunde selbst in den Beilagen. No. XlIl.


(448)
J. 1296. Tag des Märzmonats. * Unter ihm blüheten Ordnung und Zucht, der Gottesdienst war
bestens bestellt, die Rechte des Stiftes standhaftest vertheidiget, das Zeitliche mit einigem Zuwachse vermehrt, und Ottenbeuren in jeder Hinsicht in einem sehr glücklichen Zustande.
Von einem besondern Schutzvogte des Hauses während der dreißigjährigen Regierung des
verewigten Abtes Heinrich III melden die Urkunden nichts ; man konnte auch desselben bei
der Wachsamkeit eines so thätigen Abtes, wie Heinrich war, gar leicht entbehren, und die ersparten Auslagen für die Advokatie für das gemeine Beste benutzen.

Auf Heinrich den III folgte sogleich am zweiten Tage der einstimmig gewählte Konrad der II, ein Mann, der in vielen Stücken eine sehr schwache Seite zeigte, und in die Fuß-
trit-

* Obiir bono fine pius Abbas Heinricus. qui per XXX. annos religiose prefuit huic monafterio. Mox successit ei Dnus Cuonradus. Calendar. perantiq. ms. fol. 16. Necrologium II. dum in pergameno Ms. sic habet : XI. Kal. Aprilis obiit pie memorie Hainricus de pregantia Abbas nostre congregationis. Et Ellenbog Chron. Ottenpurani fol. 53 : Mortuo venerabili abbate Heinrico, qui per triginta ferme annos landabiliter monasterio Uttinpurrhano prefuit, successit ei Abbas Cunradus circa annos domini 1296.


(449)
J. 1298. tritte seines würdigen Vorfahrs nicht eintrat. Das erste, was Abt Konrad unternahm, war, daß er im J. 1298. einen ottenbeurischen Hof zu Berkheim, in der Kammer genannt, gegen einen andern näher gelegenen im Verlitzgraben, welcher der jenseits der Iller gelegenen Abtei Roth angehörte, vertauschte. * zu Hause ließ der allzunachsichtige Abt die Klosterordnung in vielen Stücken zerfallen ; die Mönche fiengen an, als Herren vom Adel zu leben, maßten sich inner und ausser den Mauern eines Privateigenthums an, schwärmeten der einsamen Zelle überdrüssig von aussen umher, setzten sich über den Geist ihres Berufes hinweg, und gewöhnten sich, nachdem ihre Vorgänger länger, als fünfhundert, und dreißig Jahre die erbaulichsten und schönsten Beispiele eines sehr vollkommenen Tugendlebens aufgestellt hatten, an eine leichtfertige Weltsitte, die ihrem Berufe Unehre zuzog, den Segen Gottes entfernte, manche Aergernisse veranlasste, und die Quelle von vielem Unheile ward. **
J. II B. 29 Im

* Datum Memmingen A. D. MCCLXXXXVIII III nonas Maii Chron. Rothense Bened. Stadelkofer
Tom. I pag. 138.
** Das nämliche klagen auch um diese Zeit der Abt Trithemius wegen Hirsau, und van der Moer wegen des Klosters Reichau ad a. 1227 Trithemius in Chronico fusiori Hirsaug pag. 545.


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J. 1298. Im Reiche mangelte es auch nicht an einem neuen Verwirrungsgrunde. Kaiser Adolph hatte während seiner Regierung einen geheimen Feind an dem erstgebohrnen Sohne des Kaisers Rudolph, dem Herzoge Albrecht von Oesterreich, der sich durch Adolph in der väterlichen Thronfolge zurückgesetzt sah. Eben so wenig war Gerhard der Churfürst von Mainz mit Adolphen zufrieden ; weil er weder an den rückständigen Krönungsschulden etwas zurück zahlte, noch die bei seiner Krönung unterzeichneten Kapitulationspunkte * mit gehöriger Treue erfüllte. Der Funke glimmte einige Jahre unter der Asche bis zur Krönung des Königs Wenzel zu Prag, wo sich im J.
1297 neben dem Erzbischofe Gerhard acht und dreissig andere Fürsten versammelten. Hier sprach der Erzbischof unter andern auch von der Entthronung des Adolphs. Der böhmische König Wenzel, Albrecht der Herzog von Oesterreich, Albrecht von Sachsen, und Otto mit dem Pfeile der Markgraf von Brandenburg schlugen sich auf die Seite Gerhards, und dieser zögerte nicht, den Kaiser Adolph
auf dem Reichstage zu Frankfurt mit Einstim-
mung

* Die erste Wahlkapitulation, welche einem gewählten Könige zur genauen Vollziehung vorgelegt wurde.


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J. 1298. mung mehrerer Fürsten des Reichs zu entsetzen, und den Albrecht von Oesterreich als römischen König zu wählen. * Adolph ließ sich hiedurch so wenig schrecken, und irre machen, daß er vielmehr entschlossen war, alles der Entscheidung der Waffen anheim zu stellen. Es kam also im J. 1298 den zweiten des Julius unweit Worms zu einem hitzigen Treffen, welches für Adolph sehr Unglücklich ausfiel. Denn als er sich aus Hitze zu tief unter die Feinde hinein wagte, brachte ihm sein Gegner eine tödtliche Wunde bei, woran er an dem nämlichen Tage auf dem Schlachtfelde dahin schied. * * Albrecht warf sich jedoch deßwegen noch nicht zum Könige auf, sondern wartete auf den künftigen Wahltag, wo er einstimmig gewählt, und nachmals den 28ten des Heumonats von dem Erzbischofe zu Köln, Wikbold, mit aller Pracht zu Aachen gekrönt wurde.
29 * deß-

* Gerardus Moguntinus, & ceteri nobiles superiorum partium indignatione commoti illustrem ducem austriae, nomine Albertum, filium quondam regis Rudolphi, evocaverunt, ut regnum obtineret. Chron. magnum belgicum pag. 271.
** So zeugen drei übel gerathene Verse : Anno milleno trecentis, bis minus annis ln lulii mense rex Adolphus ruit ense, Per manus austrani, Processi & Martiniani. Nempe in festo horum martyrum II. Iuni. [?]


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J. 1300. Zu Rom wurde unter dem Pabste Bonifaz VIII eine hundertjährige Jubelfeier gehalten, bei welcher sich eine grosse Zeit des Jahrs weniger nicht, als 200,000 Fremde zu Rom einfanden. Indeß war nicht Pabst Bonifaz, sondern vielmehr um ein Jahrhundert früher Innozenz III der Urheber des so hoch begnadigten Jubeljahrs. *

In diesem Jahre kam das Weiler Biebelsperg [Bibelsberg] durch den Ritter Volkmar von Liebenthann, Wolfsattel genannt, mit Ausnahme des Vogteirechtes, an das hiesige Stift, wovon in spatem Jahren das Mehrere.

§. V.

Kaiser Albrecht lebte keine ruhige Zeiten ; er scheint aber auch dieselben nicht vorzüglich gesucht zu haben. Unter ihm erwachte jenseits des Rheins ein mächtiges Streben nach Freiheit, wozu der Trotz, und die Unbescheidenheit, womit die österreichischen Vögte, und unter diesen besonders die zwei kleinen Tirannen Geßler, und Landenberg, den gemeinen Mann in der Schweitz behandelten, alle Veranlassung gaben. Geßler gieng in seiner Härte, und in seinem Amtsstolze so weit, daß er seinen Hut auf eine Stange stecken ließ, und
be-

* Pegi Brevier. rom. Pontif. Tom. III edit. venet. pag. 448 & prioribus.
(…)
Abschrift Ende

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Dem stellvertretenden Vorsitzenden des Heimatdienstes Ottobeuren Dr. Walter Geis und seiner Frau Barbara sei herzlich für die Zurverfügungstellung des Gemäldes gedankt. Es kam per Zufall ca. 2009 am Rande einer Auktion in Köln in Familienbesitz.
Repro, Abschriften, Recherche und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 22.07.2015

P.S.: Mit einer Krönung zum Kaiser durch den Papst in Rom hat es für Rudolf nie geklappt ...

Urheber

Arnulf Rüber

Quelle

Dr. Walter und Barbara Geis

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1266-05

Rechte

gemeinfrei