05.09.2019 Hieroglyphen auf den Obelisken der Basilika Ottobeuren in der Museumszeitschrift „Maat“

Titel

05.09.2019 Hieroglyphen auf den Obelisken der Basilika Ottobeuren in der Museumszeitschrift „Maat“

Beschreibung

Sind Ihnen die Obelisken in der „Pfingstkuppel“ der Ottobeurer Basilika schon einmal aufgefallen? Auch aus gut 30 m Entfernung kann man erkennen, dass sie ägyptische Schriftzeichen zu tragen scheinen. Dieser Eintrag beschäftigt sich mit der Frage, ob hinter den Schriftzeichen eine Botschaft steht, die bislang nicht transkribiert wurde.

Zur allgemeinen Erklärung: Die zentrale Pfingstszene zeigt Maria als Patronin der Schutzflehenden und die Jünger, die den hl. Geist in Form von flammenden Zungen empfangen. Das Pfingstfest bezieht sich auf einen Bericht des Evangelisten Lukas in der Apostelgeschichte (App2, 1-13), wonach die Jünger bei ihrer Zusammenkunft am jüdischen Erntedankfest in Jerusalem die Gabe des Heiligen Geistes empfingen. Ergriffen von diesem konnten sie nicht nur in anderen Sprachen reden, sondern begannen auch mit der Verkündigung der Worte und Taten Jesu.
Die Verbreitung der Botschaft Gottes in aller Welt spiegelt sich in der Darstellung der Erdteile wieder, auch im messianischen Stern am Boden, dessen Spitzen in alle Himmelsrichtungen zeigen. Die ägyptischen Obelisken unterstreichen den kosmopolitischen Ansatz des Pfingstwunders und verleihen dem Fresko einen exotischen Touch.

Am 17. Mai 2019 beteiligte sich der Ottobeurer „Chor96“ in der Basilika mit einem Gesprächskonzert an der „Nacht der Kirchen“. Es war geplant, einige Fresken der Abteikirche auf Großleinwand zu projizieren und zu erklären, der Chor sollte Werke singen, die zu den Fresken jeweils thematisch passen. Auch die Pfingstkuppel mit der Darstellung des Pfingstwunders, der Ecclesia sowie der – damals bekannten – Erdteile waren Teil der Präsentation. Als besonderes „Schmankerl“ wurde der vom Chorleiter vierstimmig gesetzte Tiroler Jodler zu Gehör gebracht, den man unterhalb von Maria Theresia sieht und mit dem die Zeillers ihre Tiroler Heimat verewigten. Bei der – im Zuge der Konzertvorbereitung notwendigen – genauen Betrachtung der Kuppeldetails fielen Helmut Scharpf darüber hinaus die besagten Hieroglyphen auf. Es wäre natürlich eine „kleine Sensation“ gewesen, berichten zu könnten, dass die Hieroglyphen tatsächliche Inhalte wiedergeben.

Am 15.05.2019 (13:16 Uhr) ging deshalb eine entsprechende Anfrage ans „Museum für Ägyptische Kunst“ in München, um 13.56 Uhr kam bereits eine sehr fundierte Antwort! Die Ägytptologin Roxane Bicker schrieb:
Leider müssen wir Sie enttäuschen, die „Hieroglyphen“ geben keinen lesbaren Text wieder. Zur Zeit der Fertigung der Fresken (ab 1755) hatte man die Hieroglyphen noch nicht entziffert. Dies geschah erst 1822 durch Jean-Francois Champollion und erst seit dieser Zeit konnte man die altägyptischen Texte wieder lesen und verstehen.
Die beiden Freskenmaler der Basilika Ottobeuren, Johann Jakob und Franz Anton Zeiller waren beide längere Zeit zu Studienzwecken in Rom, wo ja auch heute noch auf den Plätzen der Stadt eine ganze Reihe von altägyptischen Obelisken aufgestellt sind. Sicherlich wird ihnen einer davon als Inspiration gedient haben. Von der Umgebung und den wirklichen Hieroglyphen darauf würde ich auf den „Obelisco Macuteo“ auf der „Piazza della Rotonda“ vor dem Pantheon tippen. Auch die Form des Obelisken ist denen in der Basilika sehr ähnlich.

Im Juli 2019 erreichte uns dann aus München die Anfrage nach einer Veröffentlichung der „Basilika-Anfrage“. In der hauseigenen Zeitschrift des Museums – Maat – erschien im September 2019 ein zweiseitiger Artikel von Frau Bicker, der einige weitere Details zu den Zeillers und ihren Aufenthalt in Rom enthielt. Das virtuelle Museum der Marktgemeinde Ottobeuren wurde so ein weiteres Mal zum Gegenstand einer Veröffentlichung, die Sie hier abrufen können.

Literaturzitat:
Bicker, Roxane: Fundstücke – Obelisken in der Basilika der Benediktinerabtei in Ottobeuren, S. 31f., in: Schoske, Sylvia, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst (Hrsg.): MAAT – Nachrichten aus dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst (Ausgabe 13), im Eigenverlag, München, 05.09.2019, 52 S., ISSN 2510-3652

Randnotiz: Eine Erklärung des Begriffes „Maat“ findet sich im Vorwort zum ersten Heft dieser Reihe von 2016:
„Im Zentrum altägyptischer Wertvorstellungen steht der Begriff Maat, der je nach Kontext Wahrheit und Gerechtigkeit, aber auch Weltordnung bedeuten kann. Der Mensch soll nach den Regeln der Maat leben, aber auch die Welt sich im Zustand der Maat befinden, wofür der König verantwortlich ist. Als Garant der Maat muss er diese stets aufs Neue verwirklichen, dieser Begriff ist daher Bestandteil zahlreicher Königsnamen.“

Hier nun – mit freundlicher Genehmigung vom 13.05.2020 – der Text aus der genannten Fachzeitschrift. Die beiden Originalseiten (als jpg) sowie beide Seiten zusammengefasst (als pdf) können Sie über die entsprechenden Reiter aufrufen!
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Maat 13, S. 31 und 32

FUNDSTÜCKE
OBELISKEN IN DER BASILIKA DER BENEDIKTINERABTEI IN OTTOBEUREN
ROXANE BICKER

Tagtäglich erhält das Museum die unterschiedlichsten Anfragen – Objekbegutachtungen, Fotoanfragen, und dann sind da auch die etwas ungewöhnlichen Anliegen! Mitte Mai 2019 erreichte uns die Anfrage des Chorleiters Helmut Scharpf, der mit seinem Chor96 in der Basilika Ottobeuren einen Auftritt plante. Ihm waren die im großen Deckenfresko abgebildeten Obelisken aufgefallen. Ob man denn lesen könne, was dort drauf geschrieben stünde?

Der Forschergeist war geweckt! Ein erster Blick auf die Hieroglyphen zeigte – nein, es waren nur Fantasie-Zeichen, und somit ergeben sie keinen sinnvollen Text. Eine Recherche ergab, dass die Deckengemälde ab 1755 von den beiden Freskenmalern der Basilika Ottobeuren, Johann Jakob und Franz Anton Zeiller, geschaffen wurden. Johann Jakob Zeiller (1710-1783) und Franz Anton Zeiller (1716-1794) waren Ziehbrüder und entfernte Vettern. Johann Jakobs Vater, der Maler Paul Zeiller, nahm den früh verwaisten Franz Anton in seine Familie auf. Beide Jungen wurden von ihrem Vater ausgebildet und verbrachten einen Teil ihrer Lehr- und Wanderjahre in Rom. Johann Jakob war 1726 bis 1731 beim Maler Sebastiano Conca in Rom in Ausbildung, Franz Anton kam erst 1742-44 nach Rom und lernte bei Corrado Giaquinto.

Rom ist nicht nur die Ewige Stadt, sondern wird auch „Stadt der Obelisken“ genannt. Mit insgesamt 14 ägyptischen Obelisken stehen dort heute weit mehr als in Ägypten selbst! Viele von ihnen wurden von den römischen Kaisern als Trophäen aus Ägypten nach Rom gebracht, einige auch als Monumente der römischen Ägyptomanie in Rom hergestellt (so auch der Münchner Obelisk!). Neue Aufstellungsorte und ihren heutigen architektonischen Rahmen bekamen die Obelisken in Rom zumeist seit dem späten 16. Jahrhundert durch die Päpste, die sie auf zentralen Plätzen wie der Piazza del Popolo, der Piazza Navona, dem Montecitorio und der Piazza della Rotonda oder vor Kirchen wie Sankt Peter, San Giovanni in Laterano, Santa Maria sopra Minerva, Santa Maria Maggiore oder Trinità dei Monti aufstellen ließen …

Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass sich beide Zeillers in Rom auch mit den Obelisken beschäftigt haben. Ein Vergleich der Obelisken auf dem Deckenfresko in Ottobeuren mit den in Rom aufgestellten Obelisken ergibt keine eindeutige Übereinstimmung. Die Hieroglypheninschriften auf den Ottobeurer Obelisken sind in ihren Zeichenformen und ihrem Kontext reine Fantasieprodukte. Wenn man sich aber die Umgebung, die monumentalen Gebäude im Hintergrund der Fresken betrachtet, so könnte es der Obelisco Macuteo auf der Piazza della Rotonda vor dem Pantheon sein.

Auch die Form des Obelisken ist denen in der Basilika sehr ähnlich. Ein Skizzenbuch Franz Anton Zeillers über seine Zeit in Rom findet sich heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck. Die einzige Skizze eines Obelisken in dem Buch zeigt allerdings wohl eher eine Grabdekoration als einen der in Rom stehenden Obelisken.

Dass die im Stadtbild präsenten römischen Obelisken den Zeillers als Inspirationsquelle für das Deckenfresko in Ottobeuren dienten, darf als sicher gelten. Ob sie eigene Skizzen oder aber Publikationen wie z.B. Athanasius Kircher als Vorlagen benutzten, das werden erst weitere Forschungen klären können.

Mehr zu Ottobeuren und seiner Geschichte findet sich unter ottobeuren-macht-geschichte.de
Wir danken Herrn Ralf Bormann vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum für die Informationen und das Bild zum Skizzenbuch Franz Anton Zeillers (Skizzenbuch FAZ Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv. Nr. TBar / 2870)

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Ende des Artikels aus Maat, Ausgabe 13

Hinweis: Vor einer kommerziellen Nutzung der Fotos aus der Basilika ist die Genehmigung der Abtei Ottobeuren einzuholen, die Rechte am Artikel aus der Museumszeitschrift liegen bei Roxane Bicker sowie dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München.

Zusammenstellung, Scans und Fotos: Helmut Scharpf, 05/2020

Urheber

Roxane Bicker (München)

Quelle

Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2019-09-05

Rechte

eingeschränkt