1937 – Die „Siedlungs- und Hofgeschichte Wolfertschwenden“ von Karl Schnieringer

Titel

1937 – Die „Siedlungs- und Hofgeschichte Wolfertschwenden“ von Karl Schnieringer

Beschreibung

Karl Schnieringer hat in den 1930er und 40er Jahren für etliche Orte im Altlandkreis Memmingen Häuserbücher oder geschichtliche Abrisse verfasst, darunter „Ottenbeuren“ (er war ein Verfechter dieser älteren Variante von Ottobeuren), „Guggenberg“ und „Haitzen“. Außerhalb unseres heutigen Ortsgebiets – wenn man so will, im früheren Klosterstaat – die Orte Böhen, Ungerhausen, Lachen, Frechenrieden-Altisried, Hawangen oder eben Wolfertschwenden. Letztere Ausarbeitung verfasste Karl Schnieringer (Foto vom März 1943) im Auftrag des damaligen Bürgermeisters Georg Sinner. (Dieser war übrigens von 1929 - 45 und von 1952 - 70 Bürgermeister. Köstlich zu lesen: Ein Artikel des Spiegel vom 17.10.1966 über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Sinner.)

Das Kloster Ottobeuren besaß schon seit dem 12. Jahrhundert die Kirche in Wolfertschwenden und den größten Teil von Niederdorf (Nieder-Wolfertschwenden). 1699 gelang es der Abtei Ottobeuren schließlich, Wolfertschwenden ganz in den Besitz des Klosterstaates zu bringen. Vorher gab es eine starke Zersplitterung der Besitzverhältnisse, die Schnieringer ausführlich darlegt. Beteiligt an dieser Gemengelage waren das Stift Kempten, das Spitalstift Memmingen, Memminger Bürger, die Herren von Rotenstein, die Kirche zu Woringen und Hans Dietenheimer aus Memmingen, „der den größten Teil von Wolfertschwenden besaß“.

Noch heute finden sich die Wappen von Abt Rupert Neß und von Abt Honorat Göhl am Kirchturm von St. Vitus. Schnieringer hingegen deutete das untere Wappen auf der Ostseite des Turmes als Wappen der Welfen, tatsächlich ist es dasjenige von Abt Honorat – das auch die Gemeinde Wolfertschwenden seit 1960 im Gemeindewappen führt. Auf der Gemeinde-Homepage wird dazu erklärt:
Das Wappen des Abtes wurde kurz nach 1767 im Zusammenhang mit einer Restaurierung am Turm der Kirche in Wolfertschwenden unmittelbar unter dem Zifferblatt angebracht. Das Wappen wurde am 11. Januar 1960 durch Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums des Innern genehmigt.
Blasonierung: „Geteilt; oben in Blau ein wachsender goldener Löwe, unten in Silber auf grünem Dreiberg ein grüner Laubbaum.“
Das Wappen war das persönliche Wappen des Abtes Honorat Göhl von Ottobeuren, der von 1767 bis 1802 dem Reichsstift Ottobeuren vorstand.
Der Entwurf und die Gestaltung des Wappens stammen vom Nördlinger Rudolf Mussgnug.

Literaturzitat:
Schnieringer, Karl: Siedlungs- und Hofgeschichte Wolfertschwenden, Ottenbeuren, im Selbstverlag (Vervielfältigung per Schreibmaschinen-Abschrift), 1937, 67 S. (85), DIN A4

Leider liegen uns nur 17 Seiten davon vor, das eigentliche Häuserbuch fehlt leider, zur Gesamtseitenzahl gibt es unterschiedliche Fundstellen, in der Übersicht zu seinem Schrifttum fehlt eine Angabe hierzu. Wer hier aushelfen kann, bitte melden! Es gibt die – hier vorliegende – Fassung von 1937, es gibt aber auch eine Nachkriegsfassung, die (bislang) aber noch nicht auf Unterschiede quergelesen wurde. Schnieringer bezeichnet einen "Teil 1 - Vorgeschichte" und einen "Teil 3 - die Hofgeschichte", nicht jedoch den "Teil 2"; eine Seite wurde in der Durchnummerierung ausgelassen.

Die Zeitumstände schlagen sich bei Schnieringer (*12.11.1904, Böhen, †25.11.1973, Bad Grönenbach) nicht oft nieder, kommen aber das ein oder andere Mal durch. Auf der Coverseite schreibt er von 1937 als „dem fünften Jahr der national-sozialistischen Regierung“. In den von der Abtei Ottobeuren erlassenen Vorschriften – die von gesellschaftlichen Sachzwängen wie der Genehmigung zur Heirat, zu Handelsbestimmungen, Sicherheitvorschriften, zur (verbotenen) Jagd oder der Arbeit des Baders oder Müllers reichen, kommt ein klar antisemitischer Abschnitt vor, den Schnieringer im Original durch Unterstreichung hervorhebt*. Diese vom Abt (Anselm Erb?) erlassenen Vorschriften finden sich in ähnlicher Form auch im Buch "Ottobeuren", nur deutlich ausführlicher.
*Niemand soll die Güter, sei es Grund, Boden, Haus, Samen oder Pflanzen auf dem Felde oder inder Scheune, an einen Juden verkaufen, versetzen, verleihen oder verpfänden. Welche dagegen handeln, sollen im Orte Recht und Gerechtigkeit verwirkt haben und des Ortes verwiesen werden!

Inwieweit Schnieringers Ausführungen insbesondere zur Frühgeschichte heutigen historischen Erkenntnissen standhalten, mögen Historiker beurteilen. Der Autor versuchte zumindest, die Geschichte anhand von Keltengräbern, Fundstellen aus diversen Bücheren (insb. die vier Bände von Pater Maurus Feyerabend und von Franz Ludwig Baumann), Flurbezeichnungen oder Straßennamen nachzuzeichnen.

Das Werk wurde lediglich per Schreibmaschine vervielfältigt, ob es im „Allgäuer Beobachter“ oder einer anderen Zeitung besprochen wurde, wurde (noch) nicht untersucht.

Weitere Fotos vom Wolfertschwendener Kirchturum und seinen Wappen finden sich auf einer Seite über den 1753 erbauten Zehentstadel von Dietratried.

Abschrift und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 05/2020

Urheber

Karl Schnieringer

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1937-08-30

Rechte

gemeinfrei