05.01.1948 - Jahresrückblick von Bürgermeister Wegmann im Gemeinderat

Titel

05.01.1948 - Jahresrückblick von Bürgermeister Wegmann im Gemeinderat

Beschreibung

1947 bekam die Basilika neue Glocken, die alten Glocken waren - bis auf eine - im April 1942 als „kriegswichtiges Rohmaterial“ abtransportiert worden. Dies war einer der Punkte, auf den Bürgermeister Alexander Wegmann in seinem Jahresrückblick Anfang 1948 einging.

Das zweiseitige Redemauskript gibt Einblick in das Chaos der ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg. 1946 waren es 1400 Flüchtlinge und Vertriebene, die einquartiert werden mussten, 1947 noch „viele Einzelgänger“, die Wasserversorgung bedufte einer dringenden Sanierung (die dafür notwendigen Rohre waren kaum zu beschaffen) und dennoch keimte Hoffnung auf. Am 21.03.1947 feierte feierte man das 1200-jährige Gründungsjubiläum des Benediktinerordens, am 26.10. war der bayerische Ministerpräsident Dr. Hans Ehard zu Besuch in Ottobeuren und am 31.10.1947 wurden die neuen Glocken in Empfang genommen.

Die Rede enthält außerdem einen Hinweis auf ein Ereignis, dessen zeitliche Einordnung auch die ältesten Ottobeurer nicht mehr auf dem Schirm haben: „Nach 19 Monaten Ortsbelegung“ verließen die „letzten amerikanischen Besatzungstruppen“ unsere Marktgemeinde (was sich auf den November 1947 beziehen müsste).
Wegmann (30.03.1892 - 09.04.1952) war von 1945 - 50 Bürgermeister von Ottobeuren, zunächst eingesetzt von den Amerikanern, 1946 und 48 dann mit überwältigenden Mehrheiten bei Wahlen bestätigt.

Aus der Zeit finden sich im Gemeindearchiv keine Protokolle. Das Redemanuskript wurde dankenswerterweise von Eduard Schneider zur Verfügung gestellt. Die Gesamt-pdf der originalen Fassung können Sie hier herunterladen. In der ebenfalls abrufbaren Abschrift (als doc oder pdf bzw. unten im Fenster) wurden einige Dinge belassen (z.B. keine Verwendung des ß, die Absätze blieben erhalten), manche kleine Fehler wurden aber ausgebessert und die vorkommenden Aufzählungen zur besseren Übersicht gegliedert.

Abschrift, digitale Restaurierung, Helmut Scharpf, 02/2017.
Zur Frage, wann welche Glocken 1947 und 1948 nach Ottobeuren kamen, wird noch nachrecherchiert! Zum Jahreswechsel 1948/49 muss es das erste vollständige Geläut im Nachkriegs-Deutschland gewesen sein. Es wurde deshalb sogar im Rundfunk übertragen. Das Material für die neuen Glocken stammte aus versenkten Schiffen im Regensburger Hafen. Das Foto zeigt drei Lkw: der vorderste mit der Hosanna war von der Abtei (mit Rechtssteuerung), der mittlere von der Ottobeurer Zentralmolkerei, der hinterste von der Metzgerei Micheler. Beim Aufziehen der Hosanne riss das Seil, nachdem sich in der Umlenkrolle ein Knoten löste. Mehrere Schulklassen hatten daran gezogen, bis zum Fickler in der Ottostraße reichte das Seil. Sie fielen alle zu Boden, aber Gott sei Dank kam es weder an der Glocke noch bei den Beteiligten zu einem Schaden.
Einige Aussagen zum Schicksal der 1926 geweihten Glocken finden sich im Buch „Ottobeuren vor 50 Jahren“ (textdurchsuchbarer Scan).
Zur Glockenweihe von 1926 geht es hier.

 

5.01.48

Der Bürgermeister des Marktes Ottobeuren (Allgäu)

Fernruf 8, Postscheckkonto: München Nummer 7847, Bankkonten: Bezirkssparkasse Ottobeuren; Spar- und Darlehenskasse Ottobeuren; Bayerische Hypotheken- und Wechselbank Ottobeuren

 

Gemeinderatssitzung vom 5. Januar 48 / Punkt 2 der Tagesordnung /.

 

Herrn des Gemeinderates! Allem voraus möchte ich meine amtstätige, wie auch meine persönliche Pflicht erfüllt sehen, in dem ich Ihnen meine Herrn zu dem noch kurz zurückliegenden Jahreswechsel die herzlichsten Glück- und Segenswünsche entbiete, die Sie auch Ihren werten Familien weiterreichen möchten.

Meine Herrn! Wir haben gemeinsam als Amtspersonen und in diesem Sinne als Gemeinderat der Marktgemeinde Ottobeuren in dem uns vorgezeichneten Zeitabschnitt des Jahres 1947 nach unserm Ermessen treu gedient.

Wenn ich mich selbst als der Danksager bezeichnen darf, so bitte ich Sie namens der Gemeinde, Dank für Ihre Dienstbarkeit um das Gemeindewohl entgegenzunehmen. Ich danke allen Herrn, die mich selbst in meinem Amte so wertvoll unterstützten und mit Rat und Tat beigestanden. Ich danke hier allen Mitarbeitern und schaffenden Organen in den sonstigen Dienststellen der Gemeinde. In den Kranz der wohlgemeinten Glückwünsche zum Jahreswechsel möchte ich ganz besonders die Bitte einflechten an Sie meine Herrn, es so zu halten wie im verflossenen Jahre 1947 und fernerhin, wie es sich nun einmal einer mit grosser Verantwortung beladenen Gemeindeverwaltung geziemt. Ich baue und vertraue voll Ihrer Mitarbeit.
Das Jahr 1947 hatte sich würdig dem Jahre 1946 – das Jahr des Einströmens von 1400 Flüchtlingen allein aus der Tschechei – angehängt. Waren es auch nicht die geschlossenen Transporte von 40 - 50 Personen in überstürzter Aufeinanderfolge, welche dem so sehr beschränkten bürgerlichen Wohnraum einverleibt werden mussten, so waren es doch die vielen Einzelgänger auf der Flucht in unsere Zone, oder auch zwecks Wiedervereinigung der noch ehedem versprengten Familieneinheiten.

Ohne über diesen Punkt eine umfassende Illustration anzustellen und abzugeben, sei nur kurz genannt die sich daraus ergebene Wohnraumkatastrophe, wie solche mit allen ihren Widerlichkeiten mit Recht als solche bezeichnet werden muss. Mit Reden, Erwägen, Beraten und Versuchen wird dieser grossen und ernsten Sache mit erleichterndem Erfolg nicht zu Leibe gerückt werden, solange nicht die Gemeinden in ihrer Gesamtheit für ein Siedlungsbau-Grossprojekt Stellung nehmen können.

Die örtliche Einwohnermehrung und die bürgerliche Wohnraumschmälerung gehen tägliche Hand in Hand.“ So das Beginnen des Jahres 1947, so dessen Sylvester!


Meine Herrn! Das Amtsjahr 1947 schloss in sich: zunächst die ordentlich tagenden 10 Gemeinderatssitzungen, ferner [die] ausserordentlich tagenden 4 Gemeinderatssitzungen, deren Tagesordnungen, Beratungen und Beschlussfassungen zu Akt gegeben wurden.

An Ereignissen der Gemeinde, zu deren offizielle Teilnahme der Gemeinderat in corpore geladen und verpflichtend bedingt war, sind folgende zu nennen:

21. März Feier des 1400-jährigen Jubiläums der Gründung des Benediktinerordens; die Feier im Bibliotheksaal der Abtei.

Teilnahme an der Fronleichnamsprozession.
– Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Ehard, 26. Oktober. Begrüssung durch Bürgermeister Wegmann mit Überreichung einer Bildersammlung in Leder gebunden.

Empfang der neugegossenen „Hosanna“ am 31. Oktober und deren Weihe am 2. November.

 

Für die Gemeinde nicht unbedeutende Geschehen während des Ablaufes 1947 dürften der Aufzeichnung wert sein:

Abzug der letzten Amerikanischen Besatzungstruppen nach 19 Monaten Ortsbelegung (Hauptquartier Hotel und Brauerei „Zum goldenen Hirsch“).

Beginn des Unternehmens zur Verbesserung der örtlichen Trinkwassernot, am 10. Juni. Der Verlauf der Wasserbauarbeiten wird in den Jahressitzungsakten eingehend behandelt.

Bedingt durch den Wintereinbruch wurden diese Arbeiten ausgesetzt und bleiben dem neuen Jahre zur Fortführung vorbehalten.

Am 23. Dezember, 17.40 Uhr, wurde mit einer provisorischen Rohrleitung durch den Bannwald vom Quellengebiet Haitzen zur Abt-Anselm-Straße das vorläufige Wasserergebnis 180 Ltr./Min. dem Altwasser des Ortsnetzes einverleibt.

Der Gemeinderat machte die wertvolle Anschaffung eines gemeindlichen und dringendst bedurften Fuhrparks mit Ankauf einer Lanz-Zugmaschine einschl. Anhänger.

Ferner wurden an den kriegsbeschädigten Ortsstromleitungen Verbesserungen vorgenommen, wie auch die Alarmschleife für Feuerwehrzwecke im Ernstfalle gebrauchsfertig renoviert.

 

Ich erkenne es als meine erste und schönste Pflicht, mit dem 23. Dezember 17.40 Uhr und dem ersten Stundenschlag auf 18 Uhr, wo sämtliche Sehnsüchtigen nach Wasser in den hochgelegenen Ortsteilen ab [dem] Dr. Biegel-Haus in allen haushaltlichen Wasserstellen voll befriedigt wurden, den wertvollsten Namen eines Mannes und treuesten Mitarbeiters in Verbindung zu bringen und den ich mit grosser Dank-Verbundenheit nenne, – Herrn Karg – ! Seine Schaffensfreude war alles-überragend und der Erfolg war ihm grösste Freude und Genugtuung.

Wir wünschen ihm von Herzen wieder volle Genesung und Heilung von seiner schweren Erkrankung an unserer Wasserbaustelle.

Damit schliesse ich die Berichterstattung aus dem Jahre 1947 an den Gemeinderat in ordentlich tagender Gemeinderatssitzung vom 5. Januar 1948.

Nachtrag: Ausserordentlicher Haushaltsplan –

Schuldentilgung in Darlehen:

Kreissparkasse, Aufwertungsdarlehen, Rückzahlung M 15376,25

Kreissparkasse, Aufwertungsd., Rückz. Wasserpumpe M 41342,70

Bayerische Staatsschuldenverwaltung München M 2199,51

Spar- und Darlehenskasse, Tilgungsdarlehen M 29375,00

Saldo M 126936,56

Die Kosten des Wasserbauunternehmens wurden aus laufender Rechnung bezahlt und betragen ca. Mark 25000 .- einschließlich Halbersberg mit M 7000 .-




Urheber

Alexander Wegmann

Quelle

Eduard Schneider

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1948-01-05

Rechte

gemeinfrei