1725 - 1744: Kupferstich mit der Ansicht Ottobeurens von Osten

Titel

1725 - 1744: Kupferstich mit der Ansicht Ottobeurens von Osten

Beschreibung

Closter Ottobeyern bey Memmingen gegen Morgen
190 Jahre lang – von 1558 bis 1748 – prägte die unter Abt Kaspar Kindelmann errichtete Vorgängerkirche die Ortsansicht von Ottobeuren. 1748 waren die Bauarbeiten an der neuen barocken Abteikirche allerdings schon so weit vorangeschritten, dass mit dem Abbruch begonnen werden musste. Er begann am 19.08.1748 und dauerte bis zum Jahre 1753. Bis dahin war man 11 Jahre lang mit Fundamentierungsarbeiten und mit der Nordseite unserer heutigen Basilika beschäftigt gewesen.
Der Herausgeber des ersten Klosterführers, Pater Magnus Bernhard, schrieb darin 1864: „Am 27. Oktober 1737 Morgens wurde unter dem Haupteingang gegen die Nordseite mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten vom Abte der erste Stein gelegt. (...) Bis zum Jahre 1744 war der Kirchenbau zu ansehnlicher Höhe vorgerückt und Abt Anselm ließ den Plan noch einmal durch den bayerischen Bau-Direktor Effner revidiren.“

Die barocke Klosteranlage war bereits 1725 weitgehend fertiggestellt worden. Pater Magnus schrieb zu diesem Bauvorhaben von Rupert Neß:
Man schritt zum Anfang „und legte am 5. Mai 1711, Nachmittags an der Ecke gegen die Morgen- und Mittagsseite beim Priorat feierlich den ersten Stein zum künftigen Gebäude. Im Jahre 1713 stand schon ein Theil des Konventgebäudes gegen die Morgenseite unter Dach und der Maurermeister Johann Brenner, ein Bregenzerwälder, hielt die Seinigen sehr Strenge zur Arbeit an. Die Maurer mußten bei längerem Tage Morgens 4 Uhr auf dem Gerüste stehen, und bis 7 Uhr Abends arbeiten.“

Nach dem Abbruch der Vorgängerkirche behalf man sich für die Gottesdienste bis 1766 wie folgt:
„Von nun an wurde bis zur Einweihung der neuen Kirche der Tag- und Nachtgottesdienst in der Benediktuskapelle abgehalten.“ Für die Ottobeurer selbst änderte sich nichts: Sie hatten nach wie vor ihre Pfarrkirche St. Peter (heute: Haus des Gastes) am Marktplatz, deren Turm im rechten Bildrand zu sehen ist.

Der Kupferstich von Gabriel Bodenehr (1664 - 1758; die Bayerische Staatsbibliothek gibt 1667 - 1765 an) zeigt also eine Ansicht, wie sie von ca. 1725 bis 1744 möglich war: links die neu errichtete barocke Klosteranlage, rechts davon die Kindelmann'sche Vorgängerkirche, die noch geostet war.
Noch in Klärung: Falls es sich bei dem kleinen Turm rechts von der Kindelmann-Kirche um die 1721 abgebrochene Kapelle von St. Nikolaus handelt, dann dürfte die Datierung mit 1720/21 richtig(er) liegen.

Bei Wikisource ist ein Überblick zur Familie Bodenehr abrufbar. Der Ottobeuren-Stich ist auf Seite 73 im zweiten Band der Reihe „Europens Pracht und Macht“ abgebildet. Trotz stundenlanger Internetrecherche ergab sich kein Treffer für ein Digitalisat oder auch nur einen Hinweis auf Ottobeuren in diesem zweiten Band. Es sind vermutlich drei Bände erschienen. Die Bayerische Staatsbibliothek gibt als Erscheinungsjahr für den ersten Band „ca. 1700 - 1730“ an.

Im Standardwerk der Antiquare:
Fauser Alois: Repertorium älterer Topographie, Druckgraphik von 1486 – 1750; Bd. II : L – Z, Wiesbaden, 1978, Dr. Ludwig Reichert Verlag, 907 S.
heißt es auf Seite 584 unter der laufenden Nummer 10 471:

Ottobeuren, Kr. Unterallgäu, Schw.
10 471 Closter Ottobeyern bey Memmingen gegen Morgen. (Fr.) (G. Bodenehr fec. et excud. Aug. V.)
K/A. 16,7 x 27,9 cm – Bodenehr, Pracht II, 73

K“ steht für Kupferstich, „A“ für Ansicht. „Pracht“ steht für den vorhin genannten Titel („Europens Pracht und Macht“)
Auf dem Stich rechts unten ist die in diesem Eintrag erwähnte Signatur angegeben:
„G. Bodenehr fec. et excud. Aug. V.“
fec“. = fecit = gemacht, angefertigt; Bodenehr war also der Graveur
et excud.“ = et excudit = und gedruckt, herausgebracht
Aug. V.“ = Augusta Vindelicorum = Augsburg
gegen Morgen“ bedeutet von Osten her; die Ostansicht
(Zum Thema Abkürzungen bei Signaturen gibt es eine eigene Wikipedia-Seite.)

Zu den Bodenehrs finden sich im „Thieme-Becker“ auf S. 167 etliche Einträge; Wikipedia kann noch nicht wirklich helfen.
Thieme Ulrich, Becker Felix: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig, Bd. IV, 1910
In Kreisen der Antiquare spricht man vom „Thieme-Becker“ – und jeder weiß Bescheid.
Hier werden die Lebensdaten wie folgt angegeben:
Gabriel Bodenehr der Ältere: 1678 - 1766 („nach anderen 1664 - 1758“) und zu seinem Sohn
Gabriel Bodenehr der Jüngere: 1705 - 1779
Aufgrund der Bedeutung Gabriel Bodenehrs wurde ihm in Memmingen der Bodenehrweg gewidmet. Am Schild steht zur Erklärung: Gabriel Bodenehr (1664 - 1758), schwäbischer Kartenzeichner.

Nun zum Titel des Werkes von Bodenehr, aus dem der Ottobeurer Stich herausgetrennt wurde:
Bodenehr Gabriel: Europens Pracht und Macht in 200. Kupfer-Stücken worinnen nicht nur allein die Berühmtest und Ansehnlichste sondern auch anderer Stätte, Festungen, Schlösser, Klöster, Pässe, Residentie, Wasserfälle dises Volckreichen Welttheils vermittelst anmuthiger und eigentlicher Prospecte, sambt kurzer geographischer Beschreibung zu sonderm Nuzen u. Gemüth vergnügender Ergözung Vorgestellet werden. Verlegt und heraus gegeben von Gabriel Bodenehr, Burger u. Kupferstecher in Augspurg. Vorrede, 1 gest. Bl., Register und 200 überwiegend gefaltete Kupfertafeln, Augspurg/Augsburg//, [ca. 1700 – 1730], 200 Blatt
Welcher der beiden Bodenehrs Herausgeber ist, bleibt unklar.

Eine spätere Ostansicht – von 1824 – ist hier verlinkt:
Ottobeuren von Osten anzusehen

Der Historiker – oder zumindest Lehrer für Geschichte – Stephan Müller schrieb 2003 eine Arbeit über die sogenannten „Baudinge“, Rechtsverordnungen und Zusammenkünfte, bei denen selbige bekannt gemacht wurden. Als Titelbild verwendete er den Bodenehr-Stich und stellte der eigentlichen Lizentiatarbeit eine schöne Betrachtung des Kupferstiches voran:

Die idealisierte bäuerliche Arbeit und Frömmigkeit
Im Vordergrund des Titelbildes, im Schatten des übergrossen Baumes, ist ein Kind mit drei erwachsenen bäuerlichen Personen unterwegs zur Arbeit auf dem Feld. Sie blicken dem Betrachter entgegen, als wollten sie ihn mitnehmen. Links unten auf dem Feld arbeiten Bauersleute schon emsig mit Sense und Rechen. Ein Wagen mit einem Fuder Heu ist unterhalb der alten Klosterkirche bereits auf dem Weg zurück in Dorf.
Die bäuerliche Arbeitsethik und Frömmigkeit hat Georg Chr. Kilian mit zwei weiblichen Personen dargestellt. In der Mitte des Bildes trägt eine Frau mit übergrossen, kräftigen Armen ein Fuder Heu auf ihrem Kopf. Die dem Betrachter abgewandte, mit gefalteten Händen Richtung Kloster betende Frau unter dem Schatten des Baumes stellt die bäuerliche Frömmigkeit dar.
Der Stich erzählt nicht nur von Frauen, Männern und Kindern, sondern auch von den Gebäuden im Reichsstift Ottobeuren. Die alte Klosterkirche überragt die neuen Klostergebäude zur Linken, wie auch die prächtigen Bauernhöfe des Marktes Ottobeuren zur Rechten. Hinter den Gebäuden gleiten die Augen des Betrachters über die Felder und Wälder, die dem Gotteshaus Ottobeuren im 18. Jahrhundert als Einnahmequellen und Rohstofflieferanten des Klosters dienten. Über den Hügeln und Wäldern gleiten die Wolken dahin und scheinen die Kreuze auf den Türmen der Klosterkirche und der Dorfkirche zur berühren. Die Wolken verschwinden am rechten Bildrand hinter den Blättern des alles überragenden Baumes, wo die Bildbeschreibung des zeitgenössischen Stiches begonnen hat.

Müller Stephan: Die Baudinge zwischem herrschaftlichem Eigennutz und öffentlicher Wohlfahrt. Kommunale Rechtspflege und Verwaltung im 18. Jahrhundert im Reichsstift Ottobeuren, Lizentiatarbeit im Selbstverlag des Verfassers, Ostermundingen, Juli 2003, 118 S. (plus umfangreicher Anhang mit Transkriptionen von Quellen des Abteiarchives Ottobeuren und aus dem Augsburger Staatsarchiv)
Eingereicht wurde die Arbeit bei Prof. Dr. Peter Blickle, Historisches Institut Universität Bern.
Exkurs: Dr. Blickle (16.11.1938 - 20.02.2017) hat schon zum Jubiläumsjahr 1964 zur Ottobeurer Geschichte veröffentlicht. Im November 2016 hielt er in Memmingen einen Vortrag über den „Bauernjörg“ bzw. die Bauernkriege von 1525. Am Rande gab er den Tipp zur Kontaktaufnahme mit Herrn Müller, da dieser nicht mehr im Schweizer Ostermundingen lebt. Nur drei Monate nach seinem Vortrag ist Prof. Blickle an seinem neuen Wohnort Saarbrücken leider verstorben.

Zum Titelbild seiner Arbeit schreibt Müller: „Kloster Ottobeuren nach Fertigstellung der neuen Klostergebäude 1724, jedoch vor Beginn des neuen Kirchenbaus 1737. Nach einem zeitgenössischen Stich des Augsburgers Georg Chr. Kilian. Quelle: A. WEITENAUER [Alfred Weitnauer], Allgäuer Chronik, 342.

Der Augsburger Verleger und Kupferstecher Georg Christoph Kilian (1707 in Augsburg - 1781 in Stetten) müsste nach Recherchen des virtuellen Museums allerdings umgekehrt Stiche von Bodenehr weiterverwendet haben; 1758 ging der Verlag an Georg Christian Kilian über.
Die Coverseite einzeln sowie die ersten wenigen Seiten von Müllers Arbeit sind hier als pdf abrufbar, insb. auch wegen der vollständigen Inhaltsangabe und der Zusammenfassung. Mehr wollen wir aus urheberrechtlichen Gründen ohne weitere Kontaktaufnahme nicht einpflegen. Seine Forschungen wurden ca. 2004/5 in einem Band der Mitteilungen des Benediktinerordens veröffentlicht.
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Über die Baugeschichte der neuen Klosteranlage, die Baumeister und Äbte etc. findet sich hier auf einer schweizer Seite eine schöne Zusammenfassung. Außerdem zwei Grafiken, die die Lage der alten und der neuen Kirche anschaulich gegenüberstellten (nur für nicht-kommerzielle Zwecke!).

Lassen wir nun etwas ausführlicher Pater Magnus Bernhard zur Wort kommen. Wer den gesamten Klosterführer lesen möchte, kann ihn hier als Abschrift (3. Auflage von 1907; - allerdings wäre noch eine Nachkorrektur nötig! - abrufen.)

Ein paar Aussagen zu Abt Kaspar Kindelmann finden sich auf Seite 12.; er hat in Ottobeuren etliche Neubauten angeregt:

Leonhards Nachfolger war Kaspar Kindelmann (1547 - 1584) von Stegen im Kanton Zürich. Eine seiner ersten Unternehmungen war der Neubau der Stiftskirche, der untern und obern Mühle im Flecken, der Riedmühle bei Beningen und der St. Sebastianskapelle auf dem Gottesacker [die Friedhofskapelle]. Im Jahre 1558 am 21. November wurde die neue Stiftskirche durch den Kardinalbischof Otto Truchseß, Graf von Waldburg, feierlich eingeweiht. Diese Kirche kostete über 20,000 fl [Gulden].

Jetzt zur Baugeschichte der barocken Klosteranlage und der neuen Abteikirche, zunächst aus dem Vorwort des Klosterführers, dann im Detail ab S. 30:

Geschichte des Kloster- und Kirchen-Baues.
Der Erbauer des Klosters Ottobeuren, sowie des jetzt besteht, war der Abt Rupert II., Neß von Wangen. *
Wegen des Platzes, wo das neue Kloster stehen sollte, kamen verschiedene Gegenden in Vorschlag, wie der Hügel beim Armenhaus, die Höhen zum Tennenberg, Halbersberg und Konenhof. Abt Rupert wählte den Platz, auf welchem die alten Klostergebäude von der Stifung her gestanden und ließ sich fünf wohlbearbeitete Baurisse vorlegen. Diese Baurisse fertigten die Baumeister Thumb, Behr, Herkommer, Fr. Dominikus, ein Karmelit und P. Christoph Vogt, Konventual von Ottobeuren.
Der Abt wählte mit einigen kleinen Abänderungen den Plan des Chr. Vogt und gab dem neuen Gebäude einen noch viel weitschichtigeren Umfang und eine ganz andere Richtung. Was sowohl die Arbeit als die Baukosten ungemein vergrößerte, waren die vielen Vertiefungen, die man ausfüllen, die vielen Hügel, die man abtragen und ebnen, die vielen unterirdischen Quellen, die man entweder abgraben oder versenken – und überhaupt der zu einem regulären oder vielmehr länglichten Viereck notwendige Bodengrund, den man erst herstellen und bilden mußte. Deßungeachtet schritt man zum Anfang und legte am 5. Mai 1711, Nachmittags an der Ecke gegen die Morgen- und Mittagsseite beim Priorat feierlich den ersten Stein zum künftigen Gebäude.
Im Jahre 1713 stand schon ein Theil des Konventgebäudes gegen die Morgenseite unter Dach und der Maurermeister Johann Brenner, ein Bregenzerwälder, hielt die Seinigen sehr

S. 30
Strenge zur Arbeit an. Die Maurer mußten bei längerem Tage Morgens 4 Uhr auf dem Gerüste stehen, und bis 7 Uhr Abends arbeiten. Von sechzehn Gesellen und zwei Handlangern erhielt jeder täglich 28 kr. Die zwei letzteren hatten den Lohn des Meisters aufzubessern, welcher nebst dem Offizianten-Tisch 30 kr. bezog. Die Pflastersteine wurden von Solnhofen bei Eichstätt geliefert. Eilfhundert dieser zu 18 Zoll ins Viereck gehauenen und noch ungeschliffenen Steine kosteten bis Ottobeuren 229 fl. 14 kr., also das Stück circa 23 kr.
Am 30. Dezember des Jahres 1714 stand nun nach vier Sommern die östliche 466 Fuß lange Seite des Konventgebäudes mit vier Stockwerken, der inneren Hauptverzierung und der Zelleneinrichtung bewohnbar da. In diesem Jahr arbeiteten 23, im folgenden 30 Maurergesellen sammt Handlangern. Pietro Antonio Garovo von Mailand und Carloni von Linz verfertigten alle Gypsverzierungen in den Zellen.*
Johann Zimmermann verzierte mit 5 Personen nebst der St. Michaelskapelle, wofür er 150 fl., und nebst dem Krankenzimmer, wofür er 20 fl. Erhielt, den ganzen Kreuz- oder untern Gang accordmäßig für 350 fl., Offiziantentisch für sich und seinen Stiefvater, für die drei Uebrigen Handwerkertisch ohne Nachtherberge. Der Schreinermeister Simon Schropp von Ottobeuren lieferte sämmtliche Holzarbeiten in die Zellen**
Am 2. Jänner 1715 geschah der wirkliche Einzug in das neue Konventgebäude; doch war nur das allgemeine Studirzimmer, nicht aber die einzelnen Zellen geheizt.***

S. 31
Im Jahre 1717, den 12. April, schloß Abt Rupert mit Simpert Kramer von Edelstetten wegen Fortsetzung des Klosterbaues einen Vertrag. Der Baumeister Kramer erhielt den „Ordinartisch und Liegerstatt“ nebst 30 Kreuzern. Jeder der siebzehn Gesellen hatte 26 Kreuzer. Sie hatten von Früh 5 Uhr an bis Abends 7 Uhr zu arbeiten. (Baumeister Brenner mußte wegen Krankheit entlassen werden.)
Auch mußte in diesem Jahre die alte, schöne Muttergotteskapelle, nahe am Platze des heutigen Kapitelsaales, welche im Jahre 1189 eingeweiht worden, der Symetrie wegen dem neuen Klostergebäude Platz machen und abgetragen werden.*
Nachdem man mit den zwei Seitenflügeln des Klostergebäudes schon ziemlich vorgerückt und der Zwischenbau sammt Bibliothek bereits aufgeführt war, ging es an die inneren Verzierungen. Zu den beigezogenen Künstlern gehören der berühmte Venetianer Amiconi, Ruffini, Herrmann und Hieron. Hau von Kempten, Zobel von Memmingen; später Stauder, Spiegler, Bergmüller, Erler, Thalheimer u. a.
Indeß traten der Fortsetzung des Klostergebäudes manche Hindernisse entgegen, die den schnellern Fortgang aufhielten und beseitigt werden mußten. Noch immer hatte man mit der Abebnung des Grundes vollauf zu thun, was mehr Mühe kostete, als man im Anfange vermuthet hatte. In einigen Plätzen, wie bei den Vorschußgebäuden des gegen Abend gelegenen großen Saales, kam man auf keinen festen Grund, weil sich tief liegende Wasser zeigten. Man mußte daher 18 Fuß tief graben, ehe man einen tauglichen Grund fand. Nebenbei mußte noch die uralte St. Nikolauskapelle abgebrochen werden, was wieder Zeit und Mühe kostete.
Dessen ungeachtet erhielten die südlichen Zimmer zu beiden Seiten der Abtei nebst dem daran stossenden kleineren Speise-Saal und das Stiegenhaus unter der rothen Abtei, wo der Haupteingang in das Konventgebäude führt, wenigstens theilweise Vollendung und Verzierung im Jahre 1721. Auch wurde mit dem Steinmetz Joseph Ottinger ein Vertrag wegen neuer Lieferung von Eichstädter Pflaster- und Simsensteinen geschlossen.

S. 32
Im Jahre 1722 legte Abt Rupert den Abteigarten sammt der vom Oekonomiegebäude dahin führenden aufgemauerten Brücke, an. Ebenso wurden im äußern Hof ein Brunnen von Marmor gesetzt und die schöne St. Benediktus-Kapelle und die obere Abtei- oder hl. Kreuzkapelle aufgeführt.
Im Jahre 1723 wurden am großen Portal die zwei großen Statuen aus Sandstein, St. Peter und Paul, für 100 fl. und das kupferne, im Feuer vergoldete Wappen für beinahe 200 fl. aufgestellt. Nun trat Mangel an großen Steinen, besonders Tuf- und Nagelfluhsteinen zum Wasserbau ein, da die schon so lange und stark ausgebeuteten Steinbrüche nur mehr spärliches Material lieferten. Da fand man im eigenen Gebiet unweit des Dorfes Egg a. d. G. einen neuen, reichhaltigen Bruch sehr harten Sandsteins. Von diesem Sandstein wurden noch im Jahre 1724 das Portal unter der rothen Winter-Abtei, die sechs Antritte, zu 5 Staffeln, zu den an den zwei Hauptecken des Oekononmiegebäudes gegen den Abteigarten mit schönen Schweifungen angebrachten zwei Gartenhäusern bearbeitet, und mit den Stukatoren ein wochenlicher und mit den Statuariern ein Stückaccord von Neuem abgeschlossen.
Die besten Dienste leistete der neue Steinbruch bei den erforderlichen Wasserbauten zur neuen Mühle, wie auch zu Bräuhaus und zur Metzg etc. Für die Mühle mußte eine neue 150 Fuß lange, an einigen Stellen 16 Fuß tiefe Bachmutter eröffnet werden, an welcher 36 Maurer für 600 fl. accordmäßig arbeiteten. Die Mühle selbst sammt dem erforderlichen Eisenwerk – (die Kolben zu den aufrechten Wellbäumen, alles Holz und die Mühlsteine schaffte das Gotteshaus) stellten zwei Brüder von Wiggensbach, Johann und Joseph Haggenmüller her. Im Ganzen genommen kostete die Mühle ohne Mauerstock, Wölbungen, Kostrechnung für die zwei Meister und die oben ausgenommenen Stücke circa 1554 fl. Ebenso streng und mit noch mehr Kosten ward

S. 33
An den weitläufigen, unterirdischen Gewölben gearbeitet. Aber alles dieses übertrafen und überwogen noch die kostspieligen Verzierungen des äußern Klosters oder vielmehr des Gastgebäudes.
Am 10 Februar 1725 starb der Klosterarchitekt P. Christoph Vogt im 77. Jahre seines Alters, allgemein betrauert. Nach seinem Plan vorzüglich wurde das Klostergebäude aufgeführt. Er setzte sich damit selbst das schönste Denkmal seiner Kenntniß und Einsicht.
Nun waren die Klostergebäude mit Ausnahme mehrerer noch mangelnder Verzierungen sammt den unterirdischen Wasserleitungen, Kanälen und Wölbungen, die fast durch das ganze Gebäude mit ungeheuren Kosten geführt wurden, in der Hauptsache hergestellt. Auch das geräumige Oekonomiegebäude mit zwei Stockwerken über der Erde und durch zwei verhältnißmäßige Zwischentrakte in die Quere getheilt, war seiner Beendigung schon ziemlich nahe – als der Abt schon eine Menge Arbeiter zur Grundlegung einer neuen Kirche in verschiedenen Steinbrüchen anstellte, und eine große Menge Nagelfluh behauen und abgleichen ließ. Allein es traten doch manche Bedenklichkeiten ein.
Der so lange und mit so vieler Thätigkeit fortgesetzte große Bau, die Ziegelhütten mit ihren ununterbrochenen Bränden, der stets im Feuer erhaltene Kalkofen und besonders noch die Holz fressende Glashütte im sogenannten Otterwald bei Egg etc. hatten nicht nur die herrschaftlichen, sondern auch die Gemeindewaldungen so sehr angegriffen und so hart mitgenommen, daß der Holzwerth seit einigen Jahren nicht nur sehr stieg, sondern der Abt sich auch veranlaßt sah, alle Holzausfuhr nach Memmingen zu verbieten und selbst für die Gemeindewaldungen von Ottobeuren eine beschränkende Holzordnung zu erlassen. Der baulustige Abt begnügte sich also für jetzt damit, daß er den ganzen Umfang des äußern Hofes mit einer Mauer umgeben, in der Mitte mit zwei Wohngebäuden versehen, einige noch unbelegte Gänge mit weißen Steinen pflastern, im mittlern Stockwerk des Gastgebäudes einen philosophischen Hörsaal einrichten, und das Refektorium mit Statuen, Gemälden und schöner Faßarbeit verzieren ließ.

S. 34
Unterdeß wurde die Arbeit in den Steinbrüchen emsig fortgesetzt; auch lieferte im Jahre 1732 Dominikus Zimmermann von Landsberg zwei Baurisse zur neuen Kirche.
Der untere Gang des Gastgebäudes wurde, gleich allen übrigen, mit weißen Eichstätter Steinen, der äußere Hof mit Kieselsteinen und durch denselben eine Querstrasse mit Nagelfluh gepflastert. Das Erdreich wurde gegen die Abend- und Nordseite mit vieler Mühe abgeebnet.
Da man sich bei den damaligen Kriegszeiten nur auf das Nothwendigste beschränkte, so wurden die auswärtigen Steinmetzen und Gypsarbeiter, die 18 bis 19 Jahre in Arbeit gestanden, entlassen und ließ man die nothwendigsten Stücke durch Arbeiter von Ottobeuren und durch inländische Künstler verfertigen. Im Jahre 1734 wurden die drei Altäre in der Sct. Benediktuskapelle errichtet und gefaßt.
Allmählich reifte auch der Plan zur Erbauung der jetzigen Kirche. Nachdem seit mehreren Jahren eine Menge Baumaterialien und in allen nahegelegenen Steinbrüchen bearbeitete Nagelfluhstücke zusammengeführt und zurecht gemacht waren, und nachdem bei der nördlichen Kirchenfacade bereits ein fester Grund aufgefunden und eine 8 - 9 Fuß breite Erdöffnung gemacht war – kam es zur wirklichen Ausführung des Planes. Am 27. Oktober 1737 Morgens wurde unter dem Haupteingang gegen die Nordseite mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten vom Abte der erste Stein gelegt. Dann schritt man zur Einsegnung der Steinpyramide mit der Statue des heiligen Alexander über dem Alexanderbrunnen. *
An der Aufmauerung des Kirchengrundes, welcher in der

S. 35
Breite 8 – 9, in der Höhe bis zur Erdfläche 30 Fuß betrug, arbeiteten im Jahre 1738 90 und in den folgenden Jahren 125 Mann. Zum Grunde wurden keine andern als wohlbehauene und abgeglichene Steine und Nagelfluh aus den Steinbrüchen gebraucht. Von letzter Gattung fand man besonders schöne und feinkörnichte bei Pfaudels. *
Am 23. Mai 1739 wurde auch zu dem 275 Fuß langen herrlichen Beamten-Gebäude, wo jetzt das kgl. Amtsgericht, Rentamt und Notariat ist, der Grund gelegt durch den damaligen Großkeller P. Honorat Reich.
Am 20 Oktober 1740 starb Abt Rupert II. Er war einer der ausgezeichnetsten Aebten Ottobeurens. Von seiner Baulust sagt Feyerabend: ** So lange er regierte, baute er und zwar Alles meistens in einem großartigen Styl. Alle seine Gebäude empfehlen sich durch Licht, Ordnung, Schönheit und Dauer. Alle Verzierungen sind an ihrem Platze, überall gehen Thür auf Thür, Fenster auf Fenster; selbst die entfernteren Beamtenwohnungen stehen in einer Symetrie mit dem Ganzen. Nach Ruperts Tod wurde Anselm Erb als sein Nachfolger gewählt.*** Der kostspielige Kirchenbau wurde auch unter ihm mit aller Anstrengung fortgesetzt und das Beamtenhaus im Jahre 1741 vollendet. Bis zum Jahre 1744 war der Kirchenbau zu ansehnlicher Höhe vorgerückt und Abt Anselm ließ den Plan noch einmal durch den bayerischen Bau-Direktor Effner revidiren. ****
Im Jahre 1748 kam man mit dem Bau soweit, daß die alte kindelmannische Kirche, welche 190 Jahre gestanden und eine ganz andere Richtung gegen Sonnenaufgang hatte, die Erweiterung der neuen zu hindern anfing. Der Abbruch wurde am 19. August begonnen und dauerte bis zum Jahre 1753 . *****
***** Von nun an wurde bis zur Einweihung der neuen Kirche der Tag- und Nachtgottesdienst in der Benediktuskapelle abgehalten.
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Recherche, Sammlung und Restaurierung: Helmut Scharpf, 09/2017

Urheber

Gabriel Bodenehr

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1725-07-18

Rechte

gemeinfrei