23.08.1746 – Abt Anselm Erb kauft die Herrschaft Stein

Titel

23.08.1746 – Abt Anselm Erb kauft die Herrschaft Stein

Beschreibung

Durch den Ankauf der ehemaligen Herrschaft Stein (zwischen Ronsberg und Engetried) vergrößerte Abt Anselm Erb das Ottobeurer Staatsgebiet beträchtlich. Die maximale Größe kann man sich auf einer Karte von 1907 ansehen, die den Zustand für das Jahr 1801 bestimmt.

Die Abbildung, die sich im Griestal, auf der Nordostwand von Haus Nr. 13 (einst das Forsthaus der Herrschaft Stein; abgebrannt 1954) sowie unter dem Gedenkstein auf dem ehemaligen Burggelände findet, zeigt eher ein Schloss als eine Burg. 1761 „gab auch mit vielem Aufwande der alten Ritterburg zu Stein durch Aussetzung eines neuen Stockwerkes, und andern Änderungen eine friedsamere, und freundlichere Ansicht“, schrieb Pater Maurus Feyerabend in seinem vierten und letzten Band. Der Zehentstadel (Haus Nummer 56) zeigt uns noch das alte Aussehen, auch wenn hier zwischenzeitlich sogar Bier gebraut wurde. Auch Haus Nr. 54 (Griesmühle, einst leibfällige Burgmühle des Schlosses Stein. Mahlmühle bis 1931.) sieht so aus als wäre die Zeit stehengeblieben.
Abt Anselm hat in seiner Amtszeit (1740 bis 1767) etliche Zehentstadel bauen lassen, so 1753 in Dietratried.


Genutzt wurde das Schloss vermutlich als Rückzugsort für unsere Klosterbrüder, so ähnlich wie Attenhausen oder Wolferts, wohin man sich in den Urlaub begab. Die Inschrift des steinernen Denkmals über dem Bodendenkmal lautet:
Burg und Herrschaft Stein. 1228 Konrad von Stein, der Ronsberger Schenke – 1321 Walther Wolfsottel von Stein 1507 Ritter Adam vom Stein 1747 vom Kloster Ottenbeuren [Ottobeuren] erworben als kurbayerisches Lehen abgebrannt 1815.

Über dem Eingang zu Haus Nr. 1 prangt das große Wappen von Abt Anselm Erb (mit den drei Sternen).

Exkurs: Das ganze Griestal (auch: Griesthal) strotzt nur so vor Geschichte. Die Fischteichanlagen wurden im Zweiten Weltkrieg mit Zwangsarbeitern erweitert. Ein Franzose wurde dort 1941 ermordet. Auf dem -- mittlerweile versetzten -- Gedenkkreuz heißt es:
Paul Boyaval, *7.5.1917 in Boves. Hier erschossen am 22.10.1941. In Engetried beerdigt am 25.10.1941; überführt am 25.5.1949 nach Frankreich. Ruhe in Frieden.
Es kann als gesichert gelten, dass auch Adolf Hitler im Griestal war. Hitler war im August 1923 in Ottobeuren als Redner angekündigt, war dann aber kurzfristig verhindert. Im Krankenhaus Ottobeuren hat er einen verletzten Jagdgenossen besucht, das Datum ist (noch) nicht bekannt, geht aber aus einem Besucherbuch hervor, das die Vinzentinerinnen damals führen mussten und das etwa um das Jahr 2000 von einem ehem. Chefarzt eingesehen werden konnte.

Zur Geschichte der Herrschaft Stein sowie dem Kauf und der Nutzung durch das Kloster Ottobeuren finden wir einige Fundstellen bei Pater Maurus Feyerabend, in seinem vierten Band. Hier die Abschrift der Fundstellen:

(27)
1746.
Wie sehr sich übrigens der Herr Abt [Anselm Erb] auf die Führung einer guten Haushaltung verstund, beweiset der Ankauf einer neuen, dem ottenbeurischen Gebiete anliegenden Herrschaft, welche neben den vielen Auslagen auf die Kriegs- und Kreisfoderungen, und neben der höchst kostspieligen Fortsetzung des Kirchenbaues in diesem Jahre an das hiesige Stift kam.
Auf die angrän
zenden Herrschaften Stein, und Ronsperg [Ronsberg], in derer Besitze damals die freiherrliche Familie von Schönau war, hatten sowohl das fürstliche Stift Kempten, als die Reichsabtei Ottenbeuren schon von langerer Zeit her theils lehnsherrliche, theils wegen vorgeborgten Geldern andere Pfandschafts- und Verschreibungsrechte, welche letztere in der Zeitfolge, anstatt sich zu vermindern, stets höher anwuchsen, und zuletzt der freiherrlichen obenbemeldten Familie die Veräusserung der bedachten Herrschaften von selbst abnöthigten. Und wirklich kam es, auf die Erklärung der Freiherren von Schönau, welche sie hier durch ihre bevollmächtigte Herren Räthe, und Beamte, Andreas Jofias Kilian, und Fridolin Weder den 18ten des Herbstmonats dahin eröffnen liefen, daß sie gesinnt wären, die gesammte Herrschaft Stein sammt dem österreichischen Ronspergischen Pfandschillinge durch Verkauf zu veräussern,

(28)
den 23ten August z
u einer Unterhandlung. Unser Herr Abt, welcher die Begnehmigung der Klostergemeinde hiezu schon den 6ten August eingeholt hatte, begab sich daher nach Stein, wo sich neben dem obengedachten von Schönauischen Bevollmächtigten auch von Seite des fürstlichen Stifts Kempten der Herr Hofrath Moser, und der Herr Kammerrath Tanner schon einfanden. Die ganze Kaufsumme, worüber man überein kam, bestand in 254 805 fl. [Gulden], wovon eine Halbscheide das fürstliche Stift Kempten, und die andere zu 127 402 fl. 30 kr. Ottenbeuren zu zahlen übernahm.*
Kempt
en eignete sich hiefür den obern Theil zu, welcher die Pfandschaft Ronsperg, das Gericht Willofs, das Patronatrecht über die Pfarrei Schlingen und auch durch einen, besondern Vergleich mit dem hiesigen Stifte über die Pfarrei Baiersried** sammt allen

* Der erste Kaufanschlag war auf 341 657 fl. 56 kr. ein Hl. – der Zweite auf 281 753 fl. 35 kr. 4. Hl., und der jährliche Ertrag von beiden Herrschaften auf 6940 fl. 43 kr. 5 Hl. geschätzt.
[fl. = Gulden, kr. = Kreuzer, Hl. = Heller]

** Das Anfangswechselnde Patronat auf Baiersried wurde nachmalsganz an Kempten, und jenes auf Frankenried unweit Kaufbeuren an Ottenbeuren erlassen.

(29)
Rechten
, und Besitzungen – Ottenbeuren hingegen den untern Theil zu, welcher das Gericht und Dorf Engetried, das Gericht und Dorf Egg sammt grossen Waldungen, vielen Weilern, und einzelnen Höfen in sich hielt. Die hrlichenErträgnisse der gesammten Herrschaft Ronsperg, und Stein waren unbedeutender*, als die damit verbundenen Rechte, welche viele Unannehmlichkeiten für immer beseitigten ; obgleich man auch hiedurch mit der vorderösterreichischen Regierung Untergünzburg, und Freiburg, wie auch mit der Reichsritterschaft nicht wenig zu schaffen bekam. Die feierliche Besitznahm gieng wegen Einholung der lehensherrlichen Begnehmigung erst drei Jahre spater vor sich ; auch war die alte Ritterburg Stein, ein Churbaiersches Lehen, in dem Kaufvertrage nicht mit eingeschloffen, sondern mußte von Ottenbeuren um mehrere tausend Gulden noch besonders angekauft werden.

Für den benachbarten Ort Theinselberg war der 2te des Heumonats ein Tag voll des Schreckens. In der zehenten Stunde der Nacht zog sich ein schweres Ungewitter über den Berg hin, und plötzlich entzündete ein Blitzstrahl die schöne katholische Kirche, welche noch nicht lange erbauet stund. Sie brannte in weniger Zeit hinweg, und von den Kirchenparamenten konnte sehr wenig gerettet werden. (…)

(41)
1749.
Endlich erfolgte auch die wirkliche Besitznahm der im Jahr 1746 neu angekauften Herrschaften

(42)
Stein, und Ronsperg. Beide übergab den
14ten Mai im Namen Seiner kaiserlichen Majestät der hiezu bevollmächtigte Herr Kommissär Vögel, Landrichter zu Altdorf, und als spater auch der Churfürstlichbaiersche Lehenkonsens zur Veräusserung der Ritterburg Stein eintraf, so traten abermals von Seiten Kemptens, der damalige Herr Kammerpräsident, Kapitular und Freiherr Roman von Reuchlin, der Herr Hofrath Moser, und der Kammerrath Tanner von Seite Ottenbeurens aber der damalige Kastenherr Albert Löchle, der Herr Kanzler Stephan von Maiersburg, und der Herr Kanzleidirektor Meinrad Kolbinger mit denen von Schönau zusammen, um alles auseinander zu setzen, und das ganze Theilungsgeschäft zu berichtigen*. Zwei Jahre spater machte man nach einigen vorgegangenen Änderungen in dem alten Rittergebäude für die Herbstferien von dem Schlosse Stein den ersten Gebrauch.

*Galli Dingler Chronologia Ottenb. ad A. 1749.

(81)
1761.
Ü
brigens nahm der Herr Abt den 22ten des Heumonats von den Unterthanen der neu angekauften Herrschaft Stein auf offenem Felde die feierliche Huldigung ein, ließ ein öffentliches Instrument darüber verfertigen, und gab auch mit vielem Aufwande der alten Ritterburg zu Stein durch Aussetzung eines neuen Stockwerkes, und andern Änderungen eine friedsamere, und freundlichere Ansicht.*

* Den 19ten Jäner 1815 [Jäner = Jänner = Januar] brannte diese maßiv gebaute Burg von obenher ab, und nach vier Wochen glimmte dasFeuer noch in dem Zwischengebälke, das gleichsam aus Segbäumen[Sägebalken] bestand.

(125)
1767. [über die Verdienste des nun verstorbenen Abtes Anselm]
(…) durch ihn erhielt das Gebiet durch den Ankauf der Steinischen Herrschaft eine nahmhafte Erweiterung, der neue prächtige Tempel sein Entstehen, der öffentliche Gottesdienst mehrere Zusätze, und mehrern Glanz, die Büchersammlung einen bedeutenden Zuwachs (...)

(153)
1773.
Zu Hause bestimmte der Herr Abt Honorat aus Mangel des erforderlichen Leimgrundes, wie einige Rathgeber aus eigennützigen Ursachen vorgaben, die treflich [trefflich] gebaute, sehr geräumige, und dem Kloster so nahe gelegene Ziegelhütte zum Abbruche; welches wegen steter Unterhaltung so vieler, und weitschichtiger Gebäude die Meisten der Klostergemeinde mißbilligten und

(154)
spater, alle bereuten. Denn zwei andere nachmals bei Hawangen, und zum Schloß Stein neu errichteten ersetzten den Abgang der erstem nicht.

(235)
1794.
Nach der Aushebung der Gesellschaft Jesu [Aufhebung des Jesuitenordens] im Jahre 1773 zog Joseph Max Churfürst von Baiern neben andern Gütern der erloschenen Gesellschaft auch die Zehnten von Unter- und Oberegg in der angekauften ottenbeurischen Herrschaft Stein an sich, welche ehedem in das Jesuitenkollegium zu Mindelheim eigenthümlich gehörten; unter Karl Theodor, welcher eine eigene Maltheserzunge in seinen Landen errichtete, kamen dieselben an den ebenbemeldten Orden, wovon der Herr Malteser, Graf von Lambert, welcher das

(236)
ehemalige Kollegium zu Mindelheim bewohnte, und dessen Gefälle und Renten bezog, dem hiesigen Stifte ein käufliches Angebot machte. Da die anerbotene Zehentscheune ohnehin inner dem ottenbeurischen Gebiete lag, und die Geheimnisse der Zukunft, wie sie der böse Zeitgeist nachmals herbei führte, nicht zu ergründen waren, so machte Abt Honorat von diesem Anerbieten Gebrauch, und nachdem alle Erfodernisse eines rechtsgiltigen Kaufvertrages pünktlichst berichtiget waren, ward die baare Kaufsumme zu 25,000 fl. den 30ten September zu Mindelheim erlegt – eine Geldsumme, welche für den Tag der Noth, der Drangsal, und Bedrückung tröstlichere Dienste gemacht hätte.

(430)
Eine Verschlagwortung verweist auf Seite 683 im 2. Band:
Engetried, Dorf kömmt an den Ritter Hans von Stein (II. 683)
Die unerlaubten Mittel des Ritters (II. 673)

(484)
Schertel Sebastian, Oberster [Oberst] nimmt den Herrn Adam von Stein gefangen (III. 126)

(489)
Stein von, Hans
Ritter von Ronsperg lüstert [1466] nach Engetried (II. 673) [683!] [678, 679?]
[Zitat aus dem 2. Band, S. 683:] Endlich gelang es doch nach vielen Feindseligkeiten und Ränken dem harten
Ritter Hansen von Stein, gegen Tausch und Wechsel anderer Güter durch den gefälligen Abt Wilhelm in den Besitz des ihm so nahe gelegenen, und sechs Jahre lang mit aller Ungestümme gesuchten Dorfes Engetried zu kommen, (…)

[Zitat aus dem 2. Band, S. 750:] * Laut einer Kopie des Kaufbriefes bei Sandholzer Chronol, m. ms. verkaufte der in unserer Geschichte so bekannte Ritter Hans von Stein im J. 1447 die Herrschaft und die feste Burg Liebenthann an den Fürstabt Pilgrin zu Kempten.

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Fotos (vom 19.12.2020), Recherche, Abschriften und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 01/2021

Urheber

Pater Maurus Feyerabend (Text), Helmut Scharpf (Fotos)

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1746-08-23

Rechte

gemeinfrei