08.09.1910— Das Königlich Bayerische 16. Infanterie-Regiment „Großherzog Ferdinand von Toskana“ verlässt den Manöverstandort Ottobeuren

Titel

08.09.1910 — Das Königlich Bayerische 16. Infanterie-Regiment „Großherzog Ferdinand von Toskana“ verlässt den Manöverstandort Ottobeuren

Beschreibung

37 Militärmusiker posieren am Bahnhof Ottobeuren vor ihrer Heimereise nach Passau, darunter (in der ersten Reihe genau in der Bildmitte) der gefeierte Dirigent, Obermusikmeister Blasius Pöll. Das Gebäude links im Hintergrund ist das Gasthaus zur Krone.

Die Musiker waren praktisch täglich im Einsatz, bei Militärgottesdiensten, beim Festakt zum „Sedan-Tag“ am Kriegerdenkmal, bei Konzerten und Paraden. Sie prägten damit nachhaltig das positive Bild des Militärs in der Bevölkerung. In der Abteikirche wurde mehrmals Musik von Siegfried Wagner gespielt: das Vorspiel zu Parsival, der Pilgerchor aus Tannhäuser, aus Lohengrin - heute undenkbar. Dirigent Blasius Pöll  (*02.02.1856, Mailing b. Ingolstadt, † 27.01.1919, Passau) war schon als Kind musikalisch gefördert worden, als Militärmusiker war er hoch aufgestiegen, seine Musiker ließ er neben den Blasmusikinstrumenten alle auch ein Streichinstrument erlernen.

Wegen der seit 19.08.1910 andauernden Manöver kam sogar „Seine Königl. Hoheit Prinz Rupprecht“ (1869-1955) dreimal nach Ottobeuren, einmal per Bahn, zweimal mit dem Automobil. Vom Kloster zeigte sich der kunstsinnige Sohn des letzten bayerischen Königs (Ludwig III.) nach einer Führung durch den Hochwürdigsten Herrn Abt Dr. Theobald Labhardt (Abt von 1903-1915) beeindruckt.
Wikipedia zu Prinz Rupprecht

Am 20.08.1910 schrieb das Ottobeurer Volksblatt auf S. 2 unter der Überschrift „Einquartierung“:
Gestern abends 6 Uhr traf von Sontheim kommend das 16. Infanterie-Regiment in der Stärke von 58 Offizieren, 1500 Mann, 38 Pferden, 6000 Kilogramm Munition und 18000 kg Gepäck hier ein. Das Regiment ist hier und in den umgebenden Ortschaften einquartiert. Die Quartiergeber werden für gute Verpflegung sorgen. Heute früh 7 Uhr rückte das Regiment zu den Übungen aus.

Die Manöver zwischen der Westlichen und der Östlichen Günz lockten Schaulustige in Scharen herbei, so genannte „Manöverbummler“. Über eines dieser Manöver berichtete das Ottobeurer Volksblatt:
Die sehr zahlreich erschienenen Zuschauer kamen dabei allerdings nicht ganz auf ihre Rechnung ; denn es wurde nur ein einziges Gefecht ausgeführt. Als nach beendeter, einstündiger Kritik der Befehl „Einrücken in die Quartiere!“ erteilt wurde, sah man wohl frohe Mienen bei den Mannschaften, dagegen allenthalben lange, enttäuschte Gesichter beim Heer der vielfach stundenweit herbeigeeilten Bummler.
Sicherheitstechnisch gesehen heute nicht mehr denkbar. Aber auch 1910 gab es mehrere Vorkommnissen, Unfälle - und zwei Tote. Ein Soldat hatte sich im Bannwald erhängt, ein anderer erlitt bei Willofs einen tödlichen Herzinfarkt.

Nachfolgend ist hier die Chronologie der Ereignisse abgedruckt. Lesenswert ist u.a. die Zusammenfassung („Manöver-Gedanken“) durch den Redakteur Joseph Wäspy; Zitate:
In Gegenden, wo selten eine Uniform auftaucht, ist so ein Manöver ein Fest für Jung und Alt.
Wie blitzen die Augen unserer Buben, die mit brennendem Interesse das ganze kriegerische Leben verfolgen, soweit es ihnen zugänglich ist! Sie alle wollen auch einmal Soldaten werden, das steht fest bei ihnen. (...) Der Deutsche ist der geborene Soldat und Monarchist, trotz aller Sozialdemokratie! (...) Die Revanche-Gelüste der Franzmänner wurden mehr und mehr gedämpft angesichts der Tatsache, daß diese verflixten Deutschen, dieses macht- und kraftvolle 65 Millionen-Volk, auf dem besten Wege dazu sind, 2 kriegsbrauchbaren Soldaten deren 4 entgegenstellen zu können. Der Stillstand der Bevölkerungszunahme in Frankreich ist wohl der Hauptgrund, daß wir noch Frieden haben.

Immerhin endet sein Kommentar mit dem Wunsch nach dauerhaftem Frieden - vor allem wegen der enormen Kosten für die Rüstungsindustrie.

Die Geschichte des in und um Ottobeuren übenden 16. Infanterie-Regiments ist bis zur Auflösung 1919 bei Wikipedia beschrieben. Im 1. Weltkrieg fanden 48 Offiziere, 244 Unteroffiziere und 2.084 Mannschaften den Tod; daneben gab es Vermisste, an Krankheiten Verstorbene und weit über 1.000 Soldaten, die in Gefangenschaft gerieten.
Als letztem Eintrag für 2015 bleibt auch mir für das „virtuelle Museum“, den von Wäspy geäußerten Wunsch nach Frieden für 2016 erneut auszusprechen; die Welt ist leider nicht wirklich klüger geworden ...
Helmut Scharpf, 31.12.2015
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Notiz aus dem Ottobeurer Volksblatt v. 20.08.1910, S. 2
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 18. August 1910.
Einquartierung. Gestern abends 6 Uhr traf von Sontheim kommend das 16. Infanterie-Regiment in der Stärke von 58 Offizieren, 1500 Mann, 38 Pferden, 6000 Kilogramm Munition und 18000 kg Gepäck hier ein. Das Regiment ist hier und in den umgebenden Ortschaften einquartiert. Die Quartiergeber werden für gute Verpflegung sorgen. Heute früh 7 Uhr rückte das Regiment zu den Übungen aus.
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Ankündigung aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 20.08.1910, S. 2
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 20. August 1910.
:: Morgen findet bei günstiger Witterung im Anna-Keller großes Regimentskonzert des Kgl. Bayer. 16. Infanterie-Regiments statt.
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Ankündigung aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 23.08.1910, S. 1
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 23. August 1910.
X  Gestern Nachmittag um 4 Uhr traf Seine Königliche Hoheit Prinz Rupprecht mit der Bahn kommend hier ein, um in seiner Eigenschaft als kommandierender General des I. bayerischen Armeekorps heute das 16. Infanterie-Regiment zu besichtigen. Zur Begrüßung des königlichen Prinzen hatte sich am Bahnhof der Herr kgl. Bezirksamtmann von Memmingen und der Herr Bürgermeister von Ottobeuren eingefunden. Se. Königliche Hoheit erwiderte auf die Begrüßung, daß es ihn freue, Ottobeuren zu sehen, das durch sein herrliches Gotteshaus so weit berühmt sei. Hierauf fuhr Prinz Rupprecht in offenem Wagen in Begleitung seines Adjutanten des Herrn Majors v. Schultes in das Kloster. Daselbst hatten sich zum Willkomm der Hochwürdigste Herr Abt Dr. Labhardt mit den Patres am Fürstenportal aufgestellt. S. Königliche Hoheit war sehr erstaunt und überrascht von der Schönheit des Stiegenhauses, wie überhaupt von dem herrlichen Klosterbau. Ohne sich von der Reise sich weiter zu erholen, ließ der hohe Herr sich sogleich unter Führung des Hochwürdigsten Herrn Prälaten Kirche und Kloster zeigen. Die Pracht und die großartige Architektur des herrlichen Gotteshauses machte auf Se. Königliche Hoheit einen gewaltigen Eindruck und wiederholt äußerte Prinz Rupprecht sein Staunen und seine Bewunderung. Namentlich das Chorgestühl unterzog er einer eingehenden Besichtigung und die lobenden Bemerkungen zeigten ein ebenso großes Interesse wie hohes Kunstverständnis des Kgl. Prinzen. Auf die Besichtigung der Kirche folgte ein Rundgang durch die sehenswerten Räume und Prachtsäle des Klosters. Seine Königliche Hoheit war von all den Sehenswürdigkeiten ebenso überrascht und befriedigt.

:: Am verflossenen Sonntag fand feierlicher Militärgottesdienst statt, bei welchem Herr Obermusikmeister Pöll mehrere Musikstücke zur exakten Aufführung brachte. Als Einleitung diente der Ritterchor aus Lohengrin, es folgte das sogen. Ordonanzgebet, den Schluß bildete das berühmte altniederländische Dankgebet. Selten dürften solche Tonwellen unser Gotteshaus durchzittert und erfüllt haben ; es war ergreifend und erhebend dem prächtigen Spiele zu lauschen, stellenweise glaubte man ein volles meisterhaft gespieltes Orgelwerk zu hören, Wirkungen, die, abgesehen von der vorzüglichen Schulung der Kapelle und der Bravur ihres Dirigenten, wohl dem Umstande
zuzuschreiben sind, daß man unter der großen Kuppel Stellung genommen und so den einzig richtigen Standpunkt genommen, um die wunderbare Akustik unseres Gotteshauses zur vollen Geltung zu bringen.

Von den Gemeinden des Amtsbezirkes Mindelheim werden während der Herbstübungen 1910 u. a. belegt: Am 17. und 18. Sept. Erisried 1 2 Komp. 1. Jäg.-B. 12 Offiziere, 32  Unteroffiziere, 262 Mannschaften, 2 Pferde ; am 16. September Oberegg 3 1 Bat. 2. Inf.-R. 26 Offiziere, 77 Unteroffiziere, 553 Mannschaften, 9 Pferde ; am 13. September Oberkammlach 4 Stab 1. Inf.-Brigade, Stab J.-L.-R. 13 Offiziere, 15 Unteroffiziere, 64 Mannschaften, 27 Pferde, 3 2 Bat. J.-L.-R. 52 Offiziere, 154 Unteroffiziere, 1092 Mannschaften, 18 Pferde, 4 1 Eskdr. 1. Schw. R.-R. 5 Offiziere. 20 Unteroffiziere, 102 Mannschaften, 126 Pferde, 3 1 Komp. 3. Pion.-Bat. 4 Offiziere, 16 Unteroffiziere, 106 Mannschaften, 2 Pferde ; 17. und 18. September Oberkammlach 1 1 Bat. 16. J.-R. 26 Offiziere, 77 Unteroffiziere, 553 Mannschaften, 9 Pferde, 1 II. Abtlg. 7. F.-A.-R. 15 Offiziere, 40 Unteroffiziere, 180 Mannschaften, 170 Pferde ; 16. September Unteregg 3 1 Bat. 2. J.-R. 26 Offiziere, 77 Unteroffiziere, 553 Mannschaften, 9  Pferde, 1 ½ Eskdr. 1. Schw. R.-R. 3 Offiziere, 10 Unteroffiziere, 51 Mannschaften, 63 Pferde ; 13. September Unterkammlach 3 1 Reg.-Stab und 2 Bat. 1. J.-R. 58 Offiziere, 166 Unteroffiziere, 1134 Mannschaften, 30 Pferde.
1 = Quartiere ohne Verpflegung und ohne Fourageverabreichung: 3 = Enges Quartier ohne Verpflegung und ohne Fourage, das aber nur bezogen wird, wenn wegen schlechten Wetters das Biwak abgesagt wird ; 4 = Ebenfalls nur enges Quartier ohne Verpflegung und ohne Fourage.

[Info zum Begriff „Fourage“ bei Wikipedia]

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Bericht aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 25.08.1910, S. 1
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 24. August 1910.
— Eine große Serenade, ausgeführt vom Musikkorps des hier einquartierten 16. Infanterie-Regiments, fand gestern —  wie auch am Montag abends von ½ 8 Uhr an während des Soupers, das Seine Königliche Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern im Gasthof zur „Post“ einnahm, vor den Fenstern des Festsaales im Freien statt. Hunderte von Zuhörern lauschten begeistert den entzückenden Klängen der vorzüglichen Kapelle, die uns seit einer Woche manch köstlichen Genuß bereitete. Herr Obermusikmeister Pöll hatte für diesen Abend wieder ein äußerst wirkungsvolles Programm zusammengestellt und brachte es, wie nicht anders zu erwarten, glänzend zur Durchführung. Der einleitende, schwungvolle Marsch, dann die wuchtigen, feierlichen Akkorde der Schlachten-Hymne aus Rienzi, nicht minder die leicht bewegten lieblichen Walzerweisen aus „die geschiedene Frau“ etc. klingen gewiß vielen heute noch in den Ohren. Um 9 Uhr war die Abendtafel und damit auch das Ständchen beendet. Vollauf befriedigt, herzensbeglückt verließ die Menge langsam den Konzertplatz und mancher äußerte sich beim Weggehen: Solch herrlicher Musik möchte ich zuhören bis zum Morgengrauen. Und andere meinten: die Einquartierung bringt doch auch viel Erfreuliches — Lust und Leben mit sich. — Vor Beginn der Serenade war in der Kirche auf der großen Orgel zu Ehren Sr. Königlichen Hoheit ein kurzes Konzert veranstaltet worden, bei welchem Herr Chorregent Hauptlehrer Schuster einige gediegene Orgelpiecen meisterhaft zum Vortrag brachte. Auch viele Offiziere, Militärmusiker etc. wohnten demselben bei.

24. August. Am Mittwoch rückten zwei Bataillone der 16ner zum Gefechtsschießen bei Memmingerberg aus, während das dritte Bataillon den Feind gegen das früh 7 Uhr von Memmingen heranmarschierende 2. Inf.-Reg. zu markieren hatte. In der Gegend zwischen Langenberg und Guggenberg kam es zu einem heftigen Treffen, das sich besonders auch durch das Eingreifen von Maschinengewehren sehr interessant gestaltete. —  Leider soll von diesem Manövertage ein Unfall zu verzeichnen sein, da ein Offizier des 2. Infanterie-Regiments vom Pferde stürzte. — Abends 6 Uhr war wieder Standmusik auf dem Marktplatze und von halb 8 Uhr an beim Gasthof zur Post.

:: 25. August. Das Gelände zwischen Langenberg, Wetzlins, Dennenberg und Eggisried ist gegenwärtig täglich der Schauplatz des „Kriegs im Frieden.“ Am Dienstag nahm dort Se. Kgl. Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern die Besichtigung des 16. Inf.-Regiments, dessen Inhaber Hochderselbe ist, vor. Auf zwei interessante Gefechtsübungen, bei denen eine Abteilung des 2. Inf.-Regts. den markierten Gegner bildete, folgte zum Schlusse ein strammer, wohlgelungener Parademarsch. Die Haltung der Truppen war während der ganzen Übung eine vorzügliche, die Witterung nach Wunsch. Manöverbummler hatten sich in Scharen eingefunden.

Memmingen, 22. August. Die Einquartierung ist nun eingetroffen zur großen Freude unserer Jugend. Am Samstag mittag kam das 2. Infanterieregiment von München in zwei Sonderzügen hier an und bald zeigte sich ein in Memmingen ungewohntes Bild. Die Straßen wimmeln von Soldaten und auf den freien Plätzen finden die Kompagnieappelle statt, überall von Zuschauern belagert. Seit vielen Jahren hat Memmingen eine solche Einquartierung nicht mehr gehabt und deshalb findet die heurige auch dementsprechende Berücksichtigung. Den Quartieren wird von Offizieren und Soldaten allgemeines Lob gespendet.
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Ankündigung aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 27.08.1910, S. 3
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 27. August 1910.
:: Morgen findet bei günstiger Witterung im Anna-Keller [heute: Bergstraße 4] wieder Regimentskonzert statt.
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Aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 30.08.1910, S. 2

Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 30. August 1910.
:: Einen seltenen Kunstgenuß hat uns die Musikkapelle des 16. Inf.-Regiments unter der vortrefflichen Direktion des Herrn kgl. Obermnsikmeisters Pöll abermals am Sonntag bereitet, indem sie während des Militärgottesdienstes zwei Tonwerke des hochberühmten Meisters Richard Wagner zur Aufführung brachte. Vor der Wandlung wurde geipielt „das Vorspiel zu Parcival“ [Parsifal]  und nach der Wandlung „der Pilgerchor aus Tannhäuser.“ Wagnermusik, — schon dieses eine Wort genügt, um den Musikfreund gleichsam zu elektrisieren. Wer hätte nicht schon gehört von den berühmten Richard Wagner Festspielen in Bayreuth dann von den Wagner-Aufführungen am Prinzregenttheater in München. Aus allen Teilen der Welt, von England, Amerika und Frankreich strömt das kunstbegeisterte Publikum nach Bayreuth und München, um den bezaubernden Tönen der Wagnermusik zu lauschen. Wurde nicht auch der idealbeanlagte kunstsinnige König Ludwig II., der unglückliche Liebling des bayer. Volkes durch die Zauberklänge von Wagner gleichsam der Welt entrückt und in das Reich idealer Träume versetzt. Und nun wurde auch uns die Freude zu Teil, in unserem herrlichen Gotteshaus den geheimnisvollen, weihevollen Akkorden von Parcival und Tannhäuser lauschen zu können. Fürwahr, ein außergewöhlicher Kunstgenuß, ein solches Kunstwerk, aufgeführt von einer solchen gutgeschulten Kapelle unter Leitung eines solchen kunstverständigen Dirigenten und was nicht zu vergessen ist in den Räumen eines solchen herrlichen Tempels. Man kann wohl zweifeln, ob die gewaltigen großartigen Meisterwerke v. Wagner schon jemals in einem so imposanten prachtvollen Musentempel zur Aufführung gekommen sind wie es die herrlichen Hallen unserer Klosterkirche sind. Man kann hier sagen das Musikwerk und der Musikraum waren einander würdig. Wie wirkungsvoll kam z. B. der II. Teil des Vorspiels von Parcival zur Geltung. Das allmähliche Anwachsen der Töne, dann das Rauschen und Brausen gleich Sturmeswind und Wogenprall ; die ganze Kirche war eingehüllt in eine Flut von Tönen, man hätte glauben können die Wände, die mächtige Kuppel, ja die Steine selbst sind zur lebendigen Musik geworden und singen und klingen mit in dem weiten gewaltigen Gewoge der Tonwellen. — Alle Anerkennung und alles Lob der tüchtigen Musikkapelle und ihrem vorzüglichen Dirigenten für riese Kunstleistung ; vielen Dank dem sehr verehrlichen Regimentskommando, das uns diesen Kunstgenuß bereitet und den militärischen Gottesdienst so erhebend gestaltet hat.        L. F.

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Aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 03.09.1910, S. 2

Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 3. September 1910.
:: Vom Manöver. An der gestrigen Übung beteiligten sich das 2. und das 16. Infanterie-Regiment, eine Maschinengewehrabteilung, 1 Jäger - Bataillon und eine Abteilung vom 7. Feldartillerie-Regiment. Zunächst nahm ein Bataillon des 16. Inf.- Rgt. Stellung auf den Höhen bei Guggenberg ; es markierte den Feind, gegen den sich dann der Angriff richtete. Gegen 10 Uhr war diese Übung beendet. Hierauf wurde eine neue Kriegslage erklärt und diesmal mußten die Jäger, welche zuvor die Nachhut gebildet hatten, zuerst vorrücken. Nachdem auch diese zweite Gefechtsübung durchgeführt war, sammelten sich die Truppen gegen 12 Uhr auf dem ebenen Felde zwischen Buschelkapelle und Eggisried. Generalmajor Müller gedachte vor der Mannschaft in begeisterten, patriotischen Worten des Tages von Sedan und der Verdienste, die sich besonders die 2. Inf.-Brigade in jener glorreichen Zeit erwarb und sprach den Wunsch aus, sie möchte auch in seinem Stabe die erste an Tüchtigkeit sein. Die Rede schloß mit einem dreimaligen, lebhaft aufgenommenen „Hurra!“,  dem die Königs-Hymne folgte. Die wehenden Banner voran erfolgte nun der Parademarsch. Dann zogen die Truppen in ihre Quartiere. Schon rückten die Kolonnen, deren Anmarsch überall die Leute an die Fenster und auf die Straßen gelockt hatte, in unseren Markt klingenden Spieles ein, da spielte der „Naßauer", der ziemlich lange drohend vom Himmel heruntergeschaut hatte, gar bös mit: es regnete in Strömen. Grämliche Gesichter machten die neugierigen Zuschauer und — wacker wie zuvor marschierten die Vaterlandsverteidiger.                             S.

Engetried, 1. September. Unter den Pferden des 7. Feldartillerieregiments 3. Batterie, seit 26. August hier im Quartier, ist die Brustseuche ausgebrochen. Die Batterie hat Befehl erhalten, um ein weiteres Umsichgreifen zu verhindern, sofort nach Lager Lechfeld abzurücken. Heute früh 7 Uhr hat die Batterie unter strömendem Regen unsern Ort verlassen. Die Batterie fährt ohne jede Einquartierung in einem Marschtage nach Lagerlechfeld, die übrige Mannschaft marschierte nach Station Sontheim und wird per Bahn nach Lagerlechfeld befördert.
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Aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 06.09.1910, S. 1

Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 6. September 1910.
:: Heute Nachmittag werden Sr. Kgl. Hoheit Prinz Rupprecht per Auto hier eintreffen, dem künstlerischen Orgelspiel der hochw. Benediktinerbrüder von Beuron anwohnen und morgen die Besichtigung der 2. Infanterie-Brigade vornehmen. Die Anwesenheit seiner Königlichen Hoheit ist für die Einwohnerschaft Ottobeurens eine hohe Ehre und eine große Freude, die derselben in steter begeisterter Erinnerung fortleben wird.

Militärgottesdienst und Festakt am Kriegerdenkmal.
Ein herrlicher Anblick war es, den stattlichen Zug zu sehen, der sich am Sonntag um 10 Uhr zur Kirche bewegte ; Die Musik des 16. Inf.-Regiments, unsere Veteranen, die Marktgemeinde-Verwaltung, mehrere Militärvereinigungen und die Truppen. In der Kirche brachte die Musik während der hl. Messe unter der Leitung ihres Dirigenten, des Herrn Obermusikmeisters Pöll ein Stück aus Lohengrin und dann Händels Largo zu musterhafter Aufführung ; Offiziere, Mannschaften, kurz alle Anwesenden waren gebannt durch die Wirkungen dieser Musik in unserer einzigschönen Kirche. Nach dem Gottesdienste zog man zum Kriegerdenkmale. Hier fand anlässlich des 40. Gedächtnistages der Schlacht bei Sedan ein ergreifender Festakt statt. Das Offizierskorps mit Herrn Generalmajor Müller, die Klostergeistlichkeit mit dem Hochwürdigsten Herrn Abt Dr. Labhardt, die Herrn Beamten, die Gemeinde-Verwaltung hatten sich eingefunden. Herr Weinwirt Adolf Fergg (Bürgermeister und Beigeordneter waren bei den Veteranen) wies in schönen Worten auf das hin, was der glorreiche Tag von Sedan uns gebracht und legte dann im Namen der Marktgemeinde-Verwaltung einen Kranz am Kriegerdenkmal nieder, worauf die Musik das ergreifende „Militärgebet“ spielte. Herr Generalmajor Müller gedachte in präzisen, markigen Worten der Gefallenen und ehrte sie durch einen Kranz, den er namens des aktiven, dahier weilenden Heeres niederlegte. Nach dem „Gebet“ von Otto ergriff nochmals Herr Fergg das Wort, um die lebenden Veteranen zu feiern, dem hohen Offizierscorps für seine Beteiligung zu danken, die Jugend zur Achtung gegen die Autorität und zur Treue gegen das Vaterland aufzumuntern. Er schloß mit einem dreifachen „Hurra!“ auf den deutschen Kaiser und Bayerns Regenten. Nachdem sodann der Herr Generalmajor und andere Offiziere sich in liebenswürdigster Weise mit den Veteranen unterhalten hatten, folgte der Parademarsch. Mochten auch nicht alle Veteranen jene Kraft und Rüstigkeit bewahrt haben, die man an ihrem Bannerträger, der festen, echt martialischen Gestalt mit dem langen Barte, bewunderte, so fühlten sich doch alle mächtig gehoben und ihre Augen blitzten hell, als sie unter den Klängen der Musik an Herrn Generalmajor vorbeimarschierten. — So war der Festakt am Kriegerdenkmal eine sehr schöne Feier, eine herrliche Ehrung sowohl für die gefallenen Krieger wie für die siegreichen Streiter, die wir noch in unserer Mitte sehen.                                           S.

Markt Rettenbach, 3. September. Vom Manöver.
Seit 26. August ist hier die 2. Batterie mit Abteilungs- und Regimentsstab und vollständiger Regimentsmusik einquartiert. Letztere gibt jeden Tag eine Stunde auf dem Marktplatze unter persönlicher Leitung ihres Musikmeisters Herrn Lorchhart herrliche Weisen zum besten ; die Kapelle verdient ob ihrer famosen Leistungen alle Hochachtung und Anerkennung. Dem Herrn Musikmeister Lorchhart sei seitens der Einwohnerschaft Markt Rettenbach auch von dieser Stelle aus der beste Dank ausgesprochen.

Mindelheim, 5. September.
Gestern nachmittag gastierte die vollständige Kapelle des 16. Infanterie-Regiments unter persönlicher Leitung des k. Obermusikmeisters Herrn Pöll bei uns im Stadtsaal, da die kühle Witterung ein geplantes Konzert auf dem „Lautenkeller“ nicht zuließ. Der große Saal war sehr gut besetzt ; der gute Ruf, der auch dieser Kapelle vorausgeht, zog ein Auditorium aus den besten Kreisen an. Was die Kapelle uns bot im Reich der Töne, war die Sprache der Herzens, der Ausdruck künstlerisch hochstehende Empfindung. Die Blechmusik tadellos sauber abgetönt, kein einziger schriller Fanfarenton, die Holzbläser peinlich genau in perlendem Ansatz. So hörten wir die gesamte Kapelle, deren elegantes Spiel an unseren Ohren wie wundersamer Orgelton vorüberrauschte. Die in die Kapelle gesetzten Erwartungen wurden durch die Leistungen vollauf bestätigt : Erstklassiges, jeder Geschmacksrichtung Rechnung tragendes Programm, hervorragend saubere Wiedergabe und völliges, künstlerisches Eingehen und Durchdringen der Werke seitens des hervorragend genialen Dirigenten. Wir fassen zusammen in die schlichten Worte „Auf Wiedersehen“ am 18. September, an welchem Tage, wie wir hören, die 16er uns nochmals mit einem Konzert erfreuen werden.
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Aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 10.09.1910, S. 2 f.

Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 8. September 1910.
Von den Manövern.
Das Brigade-Exerzieren der 2. Inf.-Brigade hat gestern mit der Besichtigung derselben durch Se. Kgl. Hoheit den Prinzen Rupprecht aus dem bekannten Platze bei Eggisried seinen Abschluß gefunden. Die sehr zahlreich erschienenen Zuschauer kamen dabei allerdings nicht ganz auf ihre Rechnung ; denn es wurde nur ein einziges Gefecht ausgeführt. Als nach beendeter, einstündiger Kritik der Befehl „Einrücken in die Quartiere!“ erteilt wurde, sah man wohl frohe Mienen bei den Mannschaften, dagegen allenthalben lange, enttäuschte Gesichter beim Heer der vielfach stundenweit herbeigeeilten Bummler. Man hatte noch auf ein zweites Gefecht oder doch wenigstens auf das immer wieder gern gesehene Schauspiel eines flotten Parademarsches gehofft — vergebens. Heimwärts marschierten die stolzen Marssöhne von der nimmermüden Regimentstapelle abgeholt. Und nachmittags ging's schon bei den Mannschaften emsig ans Zusammenpacken, um am Freitag in aller Frühe die Standquartiere verlassen zu können.

:: Selbstmord eines Soldaten. Vorgestern mittag gegen 12 Uhr hat der Soldat Karl Florian des 2. Schweren Reiterregiments im nahen Bannwald seinem Leben durch Erhängen mittelst Zügelriemen ein Ende gemacht. Laut Sektionsbefund — und auch aus verschiedenen Anzeichen kurz vor der unglückseligen Tat zu schließen — hat der Bedauernswerte sicherlich in einem Anfalle geistiger Störung Hand an sich gelegt, weshalb er auch heute kirchlich und mit militärischen Ehren beerdigt wurde. Herren Offiziere des 16. Jnf.-Reg., welchem der Unglückliche während der Manöver als Ordonanzreiter zugeteilt war, legten Kränze am Grabe nieder. In der ergreifenden Grabrede ermahnte zum Schlusse Hochw. Herr Pfarrer P. Wilhelm Obermayr die Militärmannschaften, welche ihrem Bruder das letzte Geleite gaben, zu pünktlicher Pflichterfüllung im Militärberufe, zu willigem Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten und zu steter unwandelbarer Treue gegen den obersten Kriegsherrn, aber auch zu Gehorsam und Treue gegen den höchsten Herrn des Himmels und der Erde, damit sie mutig ausharren, bis er sie ruft, und diesen letzten und wichtigsten Kampf siegreich bestehen.

:: Letzten Dienstag traf Seine Königl. Hoheit Prinz Rupprecht mit Automobil zum dritten Male hier ein und nahm wieder im Kloster Quartier. Aus diesem Anlasse hatte unser Ort beflaggt. Anderen Tages inspizierte der Prinz in dem Gelände um Dennenberg die 2. Infanterie-Brigade. Nachmittags 4 Uhr wohnte Seine Kgl. Hoheit in der Kirche einem Konzert bei, das ein Beneniktiner aus Beuron auf der großen Orgel veranstaltete. Abends verließ uns der hohe Herr. Am Feste Maria Geburt war wieder Kirchenparade der hier einquartierten Truppen. Während der Messe spielte wie jedes Mal die Musik des 16. Inf.-Regiments. Am Freitag den 9. September verließ uns in aller Frühe dieses Regiment nach dreiwöchentlicher Anwesenheit. In dieser Zeit war von ihm hier einquartiert: Der Stab und der größte Teil des 3. Bataillons. Die übrigen Teile lagen in den Gemeinden Haitzen, Guggenberg, Lachen, Woringen und Beningen. Diese Truppen brachten uns nicht nur ein hier ungewohntes militärisches Leben, sondern sie haben sich sowohl in den Familien, bei denen sie einquartiert waren als auch im allgemeinen durch ihr freundliches Wesen, durch ihren Ernst und ihre Disciplin Hochachtung und Wertschätzung in hohem Grade erworben, und nur ungern sieht man sie scheiden. Offiziere und Soldaten sind uns in dieser kurzen Zeit so recht ans Herz gewachsen und das 16. Infanterie-Regiment wird bei uns für lange ein Gegenstand angenehmster Erinnerung sein. Leider geschah sein Abmarsch zu sehr früher Morgenstunde, sonst hätte es dabei an herzlichen Ovationen von Seite der Einwohner Ottobeurens nicht gefehlt.

:: Es gehen uns von geschätzter Seite noch folgende Berichte zu: 9. September. Am gestrigen Festtage hat uns das Musikkorps des 16. Inf.-Reg. nochmal — leider zum letzten Mal — einen doppelten hohen Genuß verschafft: vormittags beim Militärgottesdienst durch vollendete Wiedergabe von zwei Prachtmusiksätzen, abends von 6 - 7 Uhr durch Standmusik auf dem Marktplatze mit fein gewähltem Programm, die zugleich das Abschiedskonzert bildete. Eine große Zahl dankbarer Zuhörer hatte sich eingefunden, einesteils um noch einmal dem exakten Spiel, den lieben Klängen, die so erquickend auf Herz und Gemüt wirken, zu lauschen, andernteils um dadurch der Wertschätzung und Verehrung Ausdruck zu geben, deren Herr Obermusikmeister Pöll [Blasius Pöll, 02.02.1856, Mailing b. Ingolstadt – 27.01.1919, Passau] mit seiner erstklassigen Kapelle bei der gesamten Einwohnerschaft genoß. Wollte auch die Schlußnummer: „Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus“ fast etwas wehmütig stimmen, so dankte doch nach den letzten Tönen die Menge mit brausendem Beifall mit dem stillen Wunsche: Auf Wiedersehen! Wann werden wir wohl wieder mit so edlen musikalischen Darbietungen in so reichem Maße beglückt werden?

—* 9. Sept. Das bunte militärische Leben und Treiben der letzten Zeit in unserm Markte hat, wenn auch nur für wenige Tage, mit einem Male eine völlige Unterbrechung erfahren und seit heute mittag erscheint der Markt buchstäblich wie ausgestorben. Das seit mehr als drei Wochen dahier einquartiert gewesene 16. Jnf.-Reg. ist, wie auch das 2. Inf.-Reg. und das 1. Jägerbataillon, die fast täglich durch unsere Straßen marschierten, zu den Brigade- und Divisionsmanövern in die Gegend von Ronsberg, Böhen usw. abgerückt. Nur sehr ungerne verließen unsere 16ner — nach ihrer eigenen Aussage — die guten Quartiere, in denen sie so freundlich aufgenommen waren und sich bald heimisch fühlten. Es sprechen sich aber auch die Quartiergeber über das Verhalten der Mannschaften — nicht minder über die Leutseligkeit der Herren Offiziere — durchweg sehr lobend aus. Respekt vor den wackeren, anständigen, wohl disziplinierten Passauern! Mögen sie nach den Strapazen der Manöver wohlbehalten in die Garnison oder glücklich aber in die „Heimat" zurückkehren!

Weitere Info zum Dirigenten Pöll, daraus ein Zitat:
Fast jeder seiner Musiker musste neben einem Blasinstrument auch ein Streichinstrument beherrschen. So verwundert es nicht, dass schon nach kurzer Wirkungszeit von Blasius Pöll in Passau der 16er Regimentskapelle ein ausgezeichneter Ruf vorauseilte, der in Konzertreisen mündete, welche die Passauer Militärmusiker bis nach Hamburg und Wien führten. In ihrer Garnisonsstadt wirkte die 16er Regimentskapelle regelmäßig bei größeren Feierlichkeiten im Dom mit.
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Kommentar zu den beendeten Manövern im Ottobeurer Volksblatt vom 13.09.1910, S. 1 f.:

Manöver-Gedanken.
Von Joseph Wäspy.
Seit Wochen geht's gar laut her in unseren sonst so stillen Tälern. Diesmal spielt bei uns der Krieg im Frieden, mit allen seinen Vorzügen und Nachteilen. Überall kriegerischer Lärm, in den Dörfern, auf den Landstraßen, auf den Feldern, die heuer leider nicht alles hielten, was sie im Frühjahr versprachen.
Manöverzeit!     Nach diesem Abschluß der militärischen Ausbildung kehren die altgedienten Leute als Reservisten zu ihren bürgerlichen Berufen zurück. Der zwei- oder dreijährige Vaterlandsdienst war ihnen eine treffliche Schule fürs  ganze Leben. Gehobenen Gefühls rücken an ihre Stelle die bisherigen Rekruten, nunmehr „steinalte Krieger." In Gegenden, wo selten eine Uniform auftaucht, ist so ein Manöver ein Fest für Jung und Alt.
Wie blitzen die Augen unserer Buben, die mit brennendem Interesse das ganze kriegerische Leben verfolgen, soweit es ihnen zugänglich ist! Sie alle wollen auch einmal Soldaten werden, das steht fest bei ihnen. Unsere Frauen und Töchter wetteifern miteinander, es den müden Kriegern nach den Strapazen so angenehm als möglich in den Quartieren zu machen. Die Männer fühlen sich in ihre eigene Soldatenzeit zurückversetzt: sie frischen im Gespräch mit den Manövergästen gern die alten Erinnerungen auf. Es ist merkwürdig, aber für den deutschen Volkscharakter bezeichnend, daß dabei fast immer nur des Guten, Schönen und Lustigen gedacht wird, während das Harte und Schwere der Dienstzeit vergessen bleibt. Der Deutsche ist der geborene Soldat und Monarchist, trotz aller Sozialdemokratie!
Die alten Kriegs-Veteranen sehen mit Freude auf die Tüchtigkeit der heutigen Generäle und Offiziere, auf die Bravour unserer blauen Jungen: Lieb Vaterland, magst ruhig sein! Mit Stolz erzählen sie den Söhnen und Enkeln von der großen Zeit, von den Heldentaten der bei den Rothosen so gefürchteten blauen Teufel bei Weißenburg, Wörth, Sedan und Orleans, und vom glorreichen Einzug in Paris ; wie ein braver Bayer „unserem Fritz,“ der die Truppen lobte, die drollige Antwort zurief: „Königliche Hoheit, wann wir anno 66 solche Führer g'habt hätten, nachher hätten wir aber die Preußen schön verhauen!“ ; und wie der Bismarck einmal sagte: „Die Süddeutschen sind die besseren Deutschen!“ Ohne allen partikularistischen Nebensinn soll dies ein Wort sein! Vor 15 Jahren war bei uns die großartige silberne Sedansfeier auf den Apotheker-Wiesen. Da hat ein biederer Nachbar ,,vo' Böha ra’“ mit seinen Kriegskameraden angestoßen und gesagt: „ Bi Gott, daß mer au no de fuchzegste Sedanstag verleabet!“    Wie viele wohl den vierzigsten Sedanstag und die dieses Jahr so besonders erhebende Feier an unserem Krieger-Denkmal nicht mehr erlebten? Und krank und bedürftig ist mancher geworden ; wenn der Vater Staat diesen Braven nicht ausgiebig helfen zu können glaubt, so ist es Ehrensache für die Mitbürger, da einzugreifen. —
Auch unkriegerische Seiten hat so ein Manöver. Wenn das Kampfgetümmel schweigt, hallt vom Bannwald her die Regimentsmusik. Die wackeren Künstler im bunten Rock finden mit ihren schneidigen Marschweisen, lockenden Walzertönen und klassischen Opernmelodien bei der Landbevölkerung eine dankbare Zuhörerschaft. Die Honoratioren des Ortes treten in anregenden Verkehr mit den liebenswürdigen, oft hochgebildeten Offizieren, und diese wieder sind staunende Bewunderer unserer Kunstschätze in Kirche und Kloster. Sogar der allbeliebte Prinz Rupprecht, Bayerns zukünftiger König, läßt es sich nicht nehmen, alles Sehenswerte wiederholt zu besichtigen und besonders den herzergreifenden Klängen unserer auch in ihrem Verfall noch gewaltigen Orgel zu lauschen. Ob dieses Wunderwerk eines Ottobeurers wirklich tragisch zugrundegehen soll, oder ob sich ein Mäcenas findet? — Und durch die hohen Tempelhallen flutet aus den Instrumenten der Militärmusiker der Zauber der Tannhäuser- und Lohengrin-Musik. Wer hätte das in Ottobeuren früher für möglich gehalten! Richard Wagner, du wahrhaft Gottbegnadeter. Dein Genius hat gesiegt!

Ja, die Zeiten ändern sich. Auch das hätte nach dem Kriege Niemand für wahrscheinlich gehalten, daß wir vierzig Jahre Frieden hätten. Die Revanche-Gelüste der Franzmänner wurden mehr und mehr gedämpft angesichts der Tatsache, daß diese verflixten Deutschen, dieses macht- und kraftvolle 65 Millionen-Volk, auf dem besten Wege dazu sind, 2 kriegsbrauchbaren Soldaten deren 4 entgegenstellen zu können. Der Stillstand der Bevölkerungszunahme in Frankreich ist wohl der Hauptgrund, daß wir noch Frieden haben. Zwar, es ist kein leichter Friede. Unsere Wehr zu Land und Wasser drückt grausam hart auf uns. Doch den anderen Nationen geht es nicht besser. Wie lange soll und kann es so weiter gehen? Wenn nur endlich ein großer Fürst oder Staatsmann aufstünde, der es dahin brächte, daß diese Rüstungen vermindert und eingestellt würden! Unvergänglicher Ruhm wäre seiner sicher ; ein wahrer Erlöser wäre er der Menschheit. Aber zur Bewältigung dieser übermenschlichen Arbeit müßte ein überragender Riese kommen, so einer, oder ein noch Größerer, wie der alte Recke Bismarck. Doch so ein Mensch wird nur alle paar hundert Jahre einmal geboren. Die Schrecken eines künftigen europäischen oder Weltkrieges wollen wir uns nicht ausmalen ; er wäre bei den jetzigen internationalen guten und schlimmen Errungenschaften ein unsagbares Unglück, wohl auch für die siegreiche Partei. — Pflegen wir weiter den alten, deutschen Geist, und vertrauen wir auf Gott, den obersten Schlachtenlenker und höchsten Friedensherrn! Mögen wir ihm auch noch bei der fünfzigsten Wiederkehr des Tages von Sedan von Herzen dafür danken können, daß uns der Friede bewahrt blieb!

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Ottobeurer Volksblatt vom 15.09.1910, S. 1:
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 14. September 1910.
:: Heute mittag kam der ganze Stab der ersten Division mit dem Kommandeur Sr. Exzellenz dem General v. Benzino hieher. Sämtliche Herren wurden im Kloster einquartiert. Morgen wird Seine Excellenz der Herr Kriegsminister v. Horn hier übernachten.
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Ottobeurer Volksblatt vom 17.09.1910, S. 3:
Lokales und aus dem Kreise.
Obergünzburg, 15. September 1910.
Manöverunglücksfälle. Bei dem Manöver in der Willofsgegend rannte ein Offizierspferd in einen dem Bauern Stadler gehörigen Stacheldrahtzaun und verletzte sich derart, daß es erschossen werden mußte. Das wertvolle Pferd soll auf 3000 Mark geschätzt sein. Der betreffende Offizier erlitt Verletzungen am Oberkiefer, Zähne-Zersplitterungen, ferner mußten die Lippen genäht werden. — Ein Soldat vom 16. Jnf.-Rgt. wurde vom Herzschlag getroffen und sank mitten im Truppenglied tot nieder.
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Ottobeurer Volksblatt vom 24.09.1910, S. 2:
Lokales und aus dem Kreise.
Obergünzburg, 24. September 1910.
:: Die Manöver des ersten Armeekorps haben am Mittwoch Morgen ihr Ende gefunden. Abends zuvor hatten die Truppen wegen des schlechten und kalten Wetters überall enge Quartiere bezogen. Am Mittwoch Mittag fand die Rückbeförderung der Truppen in ihre Garnisonen statt. 17 Züge waren hiezu erforderlich, die von den Stationen Kempten, Wildpoldsried, Dietmannsried, Heising, Oberdorf bei Immenstadt und Markt Oberdorf abgingen. 11 dieser Züge passierten Kaufbeuren, 4 Züge Memmingen. Um eine glatte Durchführung der Militärzüge und der fahrplanmäßigen Personen- und Schnellzüge zu ermöglichen, mußte auf einige Stunden der Güterzugsverkehr eingestellt werden.
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Ottobeurer Volksblatt vom 29.09.1910, S. 4 (pdf-Seite 524):
Annonce zur „Auszahlung der Quartiergelder
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Ottobeurer Volksblatt vom 03.10.1910, S. 4 (pdf-Seite 534):
Danksagung des 16. Infanterie-Regimentes Grossherzog Ferdinand von Toskana
Unterm 27. vorigen Monats erging an die Marktgemeinde-Verwaltung Ottobeuren vom 16. Infanterie-Regiment Grossherzog Ferdinand von Toskana in Passau folgendes Schreiben zu.
Betreff: Danksagung.
D a n k s a g u n g.
Während der ganzen Dauer der Anwesenheit des Regimentsstabes bezw. des III. Batl. in Ottobeuren ist von allen Seiten der Bevölkerung gegenüber dem Militär das weitgehendste Entgegenkommen gezeigt worden.
Bei Gewährung von Unterkunft und Verpflegung gingen die Quartiergeber bereitwilligst weit über das gesetzlich zu fordernde Mass hinaus.
Ich spreche daher der verehrlichen Gemeindeverwaltung und allen Beteiligten hiefür besten Dank aus und ich freue mich, dass die mir unterstellten Truppen durch gutes Benehmen das ihnen von den Einwohnern entgegengebrachte Vertrauen gerechtfertigt haben ; denn so glaube ich den liebenswürdigen Nachruf in der Presse deuten zu dürfen.
Die Erinnerung an Ottobeuren wird in uns Allen in angenehmster Weise erhalten bleiben.
Passau, den 27. September 1910.

Ergebenst
Hinzler, Oberst und Regimentskommandeur.
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Ottobeurer Volksblatt vom 06.10.1910, S. 4 (pdf-Seite 538):
Danksagungs-Annonce des Bürgermeisters von Eggisried (bzw. Guggenberg)
Öffentlicher Dank.
Zufolge her größeren Truppenübungen für 1910 wird dem Herrn Kommandeur des 16. Inf.-Regts. für Abstellung von Mannschaften zur Beihilfe von Erntearbeiten, ferner für Abschätzung der geschädigten Grundstücke, welche in den letzten Tagen vollzogen, der gesamten Abschätzungskommission hiemit der aufrichtigste und verbindlichste Stans ausgesprochen.
Eggisried, den 6. Oktober 1910.
21541]  Schneider, Bürgermeister.
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Direkte Links zu den Zeitungsannoncen:
(Die pdf-Seitenangaben beziehen sich auf den Gesamtscan des Volksblatts von 1910; momentan noch nicht abrufbar)

Ottobeurer Volksblatt vom 16.08.1910, S. 4
(pdf-Seite 440)
Ankündigung der Einquartierungen
 
Ottobeurer Volksblatt vom 20.08.1910, S. 6
(pdf-Seite 450)
Annonce wegen der „Ankunft des Prinzen Rupprecht

Ottobeurer Volksblatt vom 03.09.1910, S. 6
(pdf-Seite 478)
Annonce von Bürgermeister Anton Frey pro „Beflaggung am Sedantag
 
Ottobeurer Volksblatt vom 06.09.1910, S. 4
(pdf-Seite 482)
Danksagung des Veteranenvereins“ zum Sedantag
 
Ottobeurer Volksblatt vom 29.09.1910, S. 4
(pdf-Seite 524)
Annonce zur „Auszahlung der Quartiersgelder
 
Ottobeurer Volksblatt vom 03.10.1910, S. 4
(pdf-Seite 534)
Danksagung des 16. Infanterie-Regimentes Großherzog Ferdinand von Toskana

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Der handschriftliche Text der Ansichtskarte (nicht alles war lesbar):

Poststempel 08. SEP 1910
Gesangverein Typographia
Passau a/Donau
Lokal ?
Theresienstr.

Die besten Grüße
sendet Euch Euer
Sangesbruder
Erich Schneider.
Die besten Grüße sd. [sendet]
Sangesbruder Simeth
Gruß f. Roiß
Was waren denn für
bewährte Musikkräfte
bei der Familienunterhaltung. Gruß Wiegmann
Otto Buschhardt Bliedtner
Eichhorn, Wichmann
Besten Gruß E. Schmidt.

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Gut hatten es wohl Soldaten getroffen, die im Brauhaus einquartiert waren. Hier geht es zu einer Karte, die am 04.09.1910 nach Niederbayern geschickt wurde.
Auch die Manöver von 1903 sind gut dokumentiert — zusammen mit einem tollen Bild der Feldbäckerei am Bahnhof.

Zum hunderststen Jahrestag des Beginns des 1. Weltkrieges gab es in unserer Region eine Reihe von Ausstellungen, u.a. in Mindelheim und Babenhausen. Bis 24. Januar 2016 lief eine solche Sonderausstellung im Klostermuseum Ochsenhausen (Link zum Flyer hier / Museumsseite Link).

Urheber

unbekannter Fotograf

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1910-09-08

Rechte

gemeinfrei